Chicago. Die Obamas geben Kamala Harris auf ihrem Weg ins Weiße Haus einen ordentlichen Boost. Der Ex-Präsident weiß, worauf es jetzt ankommt.
Sie war es, die vor über 20 Jahren eine Spenden-Gala in San Francisco für den damals für den Senat in Illinois kandidierenden Nachwuchspolitiker auf die Beine stellte: Kamala Harris.
Sie war es auch, die 2008, als das demokratische Partei-Establishment hinter Ex-First-Lady Hillary Clinton Aufstellung nahm, als kalifornische Bezirksstaatsanwältin ins eiskalte Iowa flog, um für Präsidentschaftskandidat Barack Obama an die Türen im Bauern-Bundesstaat zu klopfen und Winter-Wahlkampf zu machen.
Der 44. Präsident der Vereinigten Staaten, der heute mit 63 die graue Eminenz und Vor- wie Nachdenker seiner Partei ist, hat diese frühen Freundschaftsdienste von Kamala Harris nie vergessen.
Barack Obamas Plädoyer gegen Donald Trump
Am Dienstagabend erwiderte der laut New York Times „größte lebende Redner” der Demokraten die Gesten. Beim Nominierungs-Parteitag in Chicago, den Harris am Donnerstag mit der offiziellen Annahme der Präsidentschafts-Kandidatur für die Wahl im November beschließen wird, hielt er ein eindringlich-leidenschaftliches Plädoyer gegen Donald Trump und für die Wahl der ersten Präsidentin in der Geschichte des Landes. Für Kamala Harris.
Sein Handicap: Michelle Obama, seine Frau und frühere First Lady, sprach direkt vor ihm und brachte die bis unters Dach gefüllte „United Arena” zu bislang unübertroffenen Begeisterungsstürmen. „Etwas wunderbar Magisches liegt in der Luft”, sagte die 60-Jährige, die Superstar-Status in weiten Teilen Amerikas genießt. „Die Hoffnung feiert ein Comeback.”
Fast jeder ihrer Sätze wird von Beifall unterbrochen. Kamala Harris sei „eine der qualifiziertesten Personen überhaupt” für das höchste Staatsamt, ruft die zweifache Mutter in den Saal, attestiert ihr ein Rückgrat aus Stahl und das Kümmerer-Gen, das Amerika gerade jetzt so dringend benötige.
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Donald Trump fertigt sie mit zwei, drei Sätzen brutal ab. „Jahrelang hat er alles in seiner Macht Stehende getan, um die Menschen dazu zu bringen, sich vor uns zu fürchten, weil er sich durch seine begrenzte, engstirnige Weltsicht von der Existenz zweier hart arbeitender, hochgebildeter und erfolgreicher Menschen bedroht fühlte, die zufällig auch noch schwarz sind”, sagte sie mit Blick auf ihren Mann und sich selbst.
Michelle Obama schwört Demokraten auf harten Kampf ein
Sie wirft dem republikanischen Herausforderer Rückwärtsgewandheit auf ganzer Linie vor, nennt ihn kleingeistig, nicht präsidiabel. Und sie nimmt ihn schwer aufs Korn.
Trump hatte vor einigen Tagen behauptet, illegale Einwanderer würden vor allem Schwarzen die Jobs wegnahmen. Was ihm als Rassismus ausgelegt wurde und auf Empörung stieß. „Wer sagt ihm, dass der Job, den er haben will, einer dieser schwarzen Jobs sein könnte?”, stichelte die Bestseller-Autorin mit Blick auf die halb indische, halb afro-amerikanische Harris und erntete dafür frenetischen Applaus.
Wie später ihr Mann warnt Michelle Obama davor, angesichts positiver Umfragen für Harris einen Sieg schon als so gut wie sicher anzunehmen. „Es wird eine sehr enge Wahl.” Und die andere Seite werde nichts unversucht lassen, um mit Lügen und Verdrehungen die Lebensbilanz von Kamala Harris in Misskredit zu bringen. „Tut was!”, donnert sie ins Publikum, „es wird ein harter Kampf bergauf.”
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Barack Obama: Eine Frage wird die Wahl entscheiden – „Wer wird für mich kämpfen?“
Dann der Hauptakt des Abends, grau geworden am Kopf, aber wach und eloquent wie vor 20 Jahren. Damals hielt ein hagerer Senator aus Illinois beim Parteitag in Boston im Sommer 2004, als John Kerry die Präsidentschaftskandidatur angetragen bekam, die Schlüsselrede. Sie sollte binnen 16 Minuten Barack Obamas kometenhaften Aufstieg begründen, der ihn vier Jahre später ins Oval Office führte.
Obama tat am Anfang das, was der Anstand gebietet. Er bedankte sich bei Joe Biden, seinem ehemaligen Vize-Präsidenten und amtierenden Präsidenten, der am Montagabend seine Abschiedsrede gehalten hatte. „Wir sind Brüder geworden. Sein unerschütterlicher Glaube, dass jeder in Amerika eine faire Chance verdient, beeindruckt mich bis heute.”
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Und schon ging es zur Sache. Die Wahl, sagte Obama, werde von Leuten entschieden, die eine einzige Frage beantwortet wissen wollten: „Wer wird für mich kämpfen?” Dass Donald Trump nicht für das ganze Amerika kämpfe, sondern nur für sich und seine „reichen Freunde”, sei klar. Sein Nachfolger lähme das Land mit seinem „Gejammer”, seiner „Obsession über Zuschauermengen” und seinem Hang auszugrenzen. Vier weitere Jahre mit „Geprahle” und „Chaos” habe Amerika nicht verdient. „Wir haben diesen Film gesehen. Wir wissen, dass der zweite Teil noch schlimmer würde.”
„Yes, she can”
Harris dagegen habe ein genuines Interesse an den Sorgen ihrer Mitmenschen. Sie habe ihr ganzes Leben damit verbracht, den Menschen um sie herum die gleichen Chancen zu geben, die Amerika auch ihr, der Tochter indisch-jamaikanischer Einwanderer, gegeben habe. „Sie wird sich für jeden Amerikaner einsetzen. Sie wird die Präsidentin sein, die dieses Land jetzt braucht.“
Als im Publikum jemand in Abwandlung eines alten Obama-Slogans „Yes, she can” ruft, stimmt Obama sofort mit ein. Kurz darauf hallen Sprechchöre durch die Halle: „Ja, sie kann es!” „Ja, sie kann es!.”
Obama ist die Sorge vor einem anderen Wahlausgang anzusehen. Er geht von einem äußerst knappen Ergebnis aus. Nur wenn sich „alle so anstrengen wie nie zuvor”, werde es gelingen, Kamala Harris und ihren Vize-Kandidaten Tim Walz ins Weiße Haus zu bringen. „Lasst uns an die Arbeit gehen.”
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