Washington. Präsident Biden fürchtet, dass es zu Gewalt kommen könnte, wenn Donald Trump verliert. Doch ein anderes Szenario ist gefährlicher.

Im ersten Interview, das er seit seinem Ausstieg aus dem Rennen um die US-Präsidentschaft gegeben hat, sprach Joe Biden vielen seiner Landsleute aus der Seele. Biden äußerte Zweifel daran, ob es eine friedliche Amtsübergabe geben wird, sollte der republikanische Spitzenkandidat Donald Trump die Wahl verlieren. Wie die Vergangenheit gezeigt hat, sind solche Sorgen keineswegs unbegründet.

In dem Fernsehinterview unterlief dem Präsidenten ein weiterer Versprecher, der bestätigte, dass seine Entscheidung, dem Druck aus der eigenen Partei nachzugeben und das Handtuch zu werfen, die richtige war. „Wenn Trump gewinnt, dann habe ich überhaupt kein Vertrauen in eine friedliche Machtübergabe“, sagte der Präsident – und korrigierte er sich gleich danach. „ Ich meinte, wenn Trump verliert, dann habe ich überhaupt kein Vertrauen darin.“

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Deutlich größere Aufmerksamkeit erlangte hingegen seine unmissverständliche Warnung davor, was geschehen könnte, falls seine Vizepräsidentin Kamala Harris als Siegerin aus der Wahl hervorgeht. „Trump meint, was er sagt, wir müssen das ernst nehmen“, warnte Biden. Der Republikaner würde erneut eine Wahllüge in die Welt setzen und seine Niederlage bestreiten – genau wie er das in Bezug auf die Wahl 2020 seit dreieinhalb Jahren tut.

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Mehr als 60 Gerichte haben sämtliche Klagen gegen den Wahlausgang zurückgewiesen – an deren Spitze übrigens auch Richter, die der ehemalige Präsident selbst ernannt hatte. Biden wies auch darauf hin, dass die Republikaner jetzt schon auf lokaler Ebene versuchen würden, Wahlen zu beeinflussen. Trotzdem waren es Republikaner, die Bidens Interview prompt dazu nutzten, um den Präsidenten als „verantwortungslos“ zu geißeln, weil er „in seiner Funktion als Präsident die friedliche Übergabe der Amtsgeschäfte, die im Januar stattfinden wird, in Zweifel zieht“, sagte Scott Jennings, einstiger Berater von Ex-Präsident George W. Bush.

Wegen eines Satzes, den Trump im März sagte, wird er nun wieder von Kritikern  konfrontiert.
Wegen eines Satzes, den Trump im März sagte, wird er nun wieder von Kritikern konfrontiert. © Getty Images via AFP | Joe Raedle

Dem hielt David Axelrod, während der Obama-Regierung im inneren Kreis des Präsidenten, Trumps Auftritt vor dreieinhalb Jahren entgegen. „Es war euer Mann, Trump, der am 6. Januar 2021 den blutigen Aufstand im Kapitol angezettelt hat“, stellte der politische Stratege fest. Nun den Spieß einfach umdrehen zu wollen, und Biden die Schuld zuzuschreiben, grenze an Heuchelei.

Unterdessen stellen sich viele Amerikaner tatsächlich die Frage, ob Trump im Falle einer Niederlage seine Anhänger abermals zu Gewalt auffordern würde. Der Kandidat selbst hat dazu Aussagen getroffen, die nichts Gutes verheißen. Bei einem Wahlkampfauftritt in Ohio im März sagte er: „Wenn ich die Wahl verliere, dann wird es ein Blutbad geben“. Der Satz schlug hohe Wellen.

Donald Trump sprach von einem „Blutbad“ – wie war das gemeint?

Die Folge war eine Debatte darüber, ob Trump wirklich darauf hinwiesen hatte, dass es Gewalt geben würde, sollte er nicht gewählt werden, oder ob seine Aussagen aus dem Zusammenhang gerissen wurden. In der Tat hatte Trump in einem besonderen Kontext gesprochen – und zwar über die Folgen für Amerika, wenn das Land mit billigen Importautos überschwemmt wird. Der Begriff „Blutbad“ wird auch häufig im wirtschaftlichen Kontext benutzt.

Anders sehen das Personen, die den Aufstand am 6. Januar hautnah miterlebten. Harry Dunn, ein Ordnungshüter der United States Capitol Police, war während der Krawalle im Parlamentsgebäude nur knapp dem Tod entronnen. Der Polizist, der während des Wahlkampfs aktiv für die Demokraten wirbt, sagte, „ich bin da, um Donald Trump zu stoppen. Er ist die größte Gefahr für unsere Demokratie“. 

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Am Donnerstag weckte der Republikaner dann erneut Zweifel daran, dass er bereit wäre, im November die zweite Wahlniederlage in Folge zu akzeptieren. Während einer neunzig Minuten langen Pressekonferenz auf seinem Wohnsitz Mar-a-Lago in Florida fragte ein Reporter den 45. Präsidenten, ob es unabhängig vom Wahlausgang zu einer friedlichen Amtsübergabe im Januar kommen würde. Das bejahte er, vorausgesetzt, dass die Wahl „fair“ verlaufe und nicht manipuliert werde. Trump hat wiederholt durchblicken lassen, dass er unter einer „fairen Wahl“ vor allem eine versteht, die er gewonnen hat. 

Scaramucci: Trump bereitet Verfassungsklage vor, sollte er verlieren

Auch, wenn er nach einer möglichen Wahlschlappe nicht einen Aufstand wie am 6. Januar 2021 anzetteln würde, schien Trump immerhin den Grundstein zu legen für mögliche Gerichtsverfahren, sollte er Kamala Harris unterliegen. Der Kandidat erinnerte daran, dass Biden während der demokratischen Vorwahlen 14 Millionen Stimmen erhalten hatte, Harris hingegen keine einzige. Das lag nicht daran, dass sie außerstande gewesen wäre, Stimmen für sich zu verbuchen. Vielmehr trat Harris als amtierende Vizepräsidentin gegen ihren eigenen Chef gar nicht erst an.

Anders lautet Trumps Version: Das rasche Verfahren, mit dem sich die demokratische Partei und die Mehrheit der für die Spitzenkandidatur notwendigen Delegierten auf Harris verständigt hätten, sei „undemokratisch“. Daraus wiederum schloss der Ex-Präsident, dass „ich ihre gesamte Kandidatur für verfassungswidrig halte“. Anthony Scaramucci, der kurzzeitig Kommunikationschef von Trump im Weißen Haus war, ist das „eine rein taktische Aussage“. Mit der Behauptung, die Harris-Kandidatur verstoße gegen die Verfassung, wolle er den Weg pflastern für Anfechtungsklagen, sollte die Demokratin gewinnen.