Berlin. Tim Walz will an der Seite von Kamala Harris die USA regieren. Die Republikaner attackieren ihn und haben einen wunden Punkt gefunden.

Als Kamala Harris verkündete, dass sie mit Tim Walz als Vizepräsidentschaftskandidaten um den Einzug ins Weiße Haus kämpfen wird, waren viele Kommentatoren begeistert. Ein kluger Schachzug sei es, konnte man in zahlreichen US-Leitmedien lesen, sich den Gouverneur von Minnesota an die Seite zu stellen. Walz, der im republikanisch geprägten Mittleren Westen der USA geboren wurde, 24 Jahre lang im Dienst der US-Armee stand, als Football-Coach und Lehrer arbeitete, stehe für all das, was Kamala Harris fehlte, um die Stimmen der bodenständigen, weißen Arbeiterschicht der USA zu bekommen.

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Walz schien der nahezu perfekte Vize, für die aus dem progressiven Kalifornien stammende Harris. Die, so sehen es zumindest viele politische Kommentatoren, eher bei den linken Demokraten, bei Schwarzen und Großstädtern in den ohnehin demokratisch geprägten Bundesstaaten der USA punktet.

Das Image von Walz als Saubermann bekommt derzeit jedoch Risse. Denn politische Gegner stürzen sich mit viel Inbrunst und Gehässigkeit auf einen Vorfall aus der Vergangenheit des Demokraten. In den sozialen Netzwerken kursiert ein 30-Jahre alter Mugshot von Tim Walz, also ein Foto, das die Polizei nach einer Festnahme von ihm anfertigte. Der Hintergrund: Der damals 31-jährige Walz war im Jahr 1995 alkoholisiert und zu schnell fahrend am Steuer seines Mazda erwischt und festgenommen worden.

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Walz gestand vor Gericht eine Ordnungsstrafe, zahlte 200 Dollar und die Sache war vom Tisch. Aber wie das in der Politik so ist, holen einen alte Fehler wieder ein. Bereits 2006 als Walz für den US-Kongress antrat, kramten Republikaner die Geschichte wieder hervor. Seitdem taucht sie immer wieder auf – insbesondere in Wahlkampfzeiten.

Tim Walz: Harris‘ Vize wählte unterschiedliche Verteidigungsstrategien

Zum Verhängnis könnte Walz werden, dass er sich in der Vergangenheit mit unterschiedlichen Strategien rechtfertigte. Einem Bericht der „New York Times“ zufolge, bestritt Walz 2006 noch, dass er betrunken gewesen sei. Dass er in der Nacht betrunken wirkte und nicht verstand, was der Polizeibeamte von ihm wollte, sei auf seine teilweise Schwerhörigkeit zurückzuführen. Als das Thema jedoch in einem Wahlkampf 2018 erneut auf den Tisch kam, gestand Walz an dem besagtem Abend getrunken zu haben.

Die Wahrheit liegt wohl zwischen den beiden Versionen. Mittlerweile veröffentlichte Gerichtsdokumente zeigen, dass Walz am Abend seiner Festnahme einen Blutalkoholwert von 0,128 Promille hatte. Ein eher geringer Wert, der allerdings über dem damaligen Limit im Staat Nebraska von 0,1 Promille lag. Zum Vergleich: In Deutschland darf man bis zu einem Wert von 0,5 Promille noch fahren. Zudem verteidigte sich Walz vor Gericht damit, dass er den Wagen beschleunigte, weil ihm von hinten ein Auto auf die Pelle rückte. Walz habe sich verfolgt gefühlt, heißt es in den Akten. Im Grunde wurde er das auch, allerdings von dem Polizisten, der beschleunigte, sobald auch Walz aufs Gaspedal drückte.

US-Wahl 2024: Harris‘ Erzählung bekommt einen Riss

Nun könnte man meinen, das Ganze sei eine Lappalie. Niemand interessiert sich im Walkampf für 30-Jahre alte Jugendsünden. Und vermutlich lässt sich kaum ein Demokrat von den Attacken, denen Walz sich deshalb ausgesetzt sieht, überzeugen, für Trump zu stimmen. Auch und gerade, weil der selbst ein verurteilter Straftäter ist – der sich wegen weitaus mehr Vergehen vor Gericht verantworten muss und dessen Mugshot um die halbe Welt ging.

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Ganz ignorieren können die Demokraten die Sache allerdings nicht. Denn schon zu Beginn von Harris‘ Wahlkampf zeichnete sich eine Erzählung ab, mit der die Demokraten punkten wollen – und die geht so: Kamala Harris, die einstige Staatsanwältin, die Verbrecher verfolgte und für Recht und Gerechtigkeit steht, tritt gegen den verurteilten (Sexual-)Straftäter Donald Trump an. Für wen entscheiden Sie sich?

Und auch wenn die Fälle Donald Trump und Tim Walz nicht miteinander vergleichbar sind, wird das viele Republikaner wohl kaum davon abhalten, den Demokraten Doppelmoral vorzuwerfen, Walz 30-Jahre alte 0,1-Promille-Fahrt hochzustilisieren und die Vorwürfe gegen Trump herunterzuspielen. Fakten haben die Trump-Kampagne schließlich bislang kaum interessiert. Es sind mehr die Bilder, die zählen – und vielleicht am Ende die Wahl entscheiden.