Washington/Berlin. Joe Biden verzichtet auf die Präsidentschaftskandidatur. Mutmaßlicher Strippenzieher: Barack Obama. Es knirscht hinter den Kulissen.

Als alles vorbei war, meldete sich der Ex-Präsident zu Wort. Und Barack Obama sparte nicht an Komplimenten: Joe Biden sei einer der bedeutendsten Staatschefs der Vereinigten Staaten überhaupt gewesen – und für ihn, Obama, ein lieber Freund und Partner. „Heute sind wir auch ein weiteres Mal daran erinnert worden, dass er ein Patriot ersten Ranges ist“, schrieb Obama über jenen Mann, der einst sein Vizepräsident war, sein Nach-Nachfolger im Weißen Haus wurde und sich am Sonntag unter massivem Druck dazu durchrang, seine Kandidatur für eine zweite Amtszeit zurückzuziehen.

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    Der 81-jährige Biden und der inzwischen fast 63-jährige Obama: Das ist so eine Geschichte für sich. Die beiden Demokraten verbindet viel. Sie sind ein großes Stück ihres politischen Weges miteinander gegangen. Beide sind sie Mitte-Links-Politiker, die fest an die Stärke der Demokratie glauben und daran, dass selbst die USA nur dann stark sein können, wenn sie Verbündete haben und mit anderen Staaten kooperieren.

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    Und dennoch gab es Momente der Entfremdung. Erst recht in den vergangenen Tagen. Als Bidens Kandidatur nach dem für ihn desaströsen TV-Duell gegen Donald Trump zu wackeln begann und die Rufe nach einem Verzicht immer lauter wurden, stärkte Obama Biden in der Öffentlichkeit zwar zunächst den Rücken.

    Zuletzt soll der Ex-Präsident aber gemeinsam mit anderen Top-Demokraten wie der langjährigen Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, sowie dem Fraktionsführer im Senat, Chuck Schumer, hinter den Kulissen daran gearbeitet haben, dass der Druck auf Biden weiter steigt und dieser schließlich einlenkt. Nach Wahrnehmung des Biden-Lagers sei Obama der „Strippenzieher“ der parteiinternen Kampagne gegen den Präsidenten gewesen, schreibt die „New York Times“. Von einem „Drama shakespearschen Ausmaßes“ ist dort die Rede.

    Biden soll Obama auch nachtragen, dass dieser 2016 im Stillen eine Präsidentschaftskandidatur Hillary Clintons unterstützte – obwohl der damalige Vizepräsident selbst gern für die Demokraten ins Rennen gegangen wäre. Biden soll bis heute überzeugt sein, dass er anders als Clinton damals Donald Trump geschlagen hätte. Das gelang ihm bekanntlich erst vier Jahre später.

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      Am Sonntag veröffentlichte Obama knapp zwei Stunden nach Bidens Rückzugs-Ankündigung eine umfassende Stellungnahme, in der er den Charakter und die politische Bilanz des Noch-Präsidenten in den höchsten Tönen lobte. Der Name Kamala Harris kommt in dem Text allerdings nicht vor – obwohl Biden kurz zuvor deutlich gemacht hatte, dass er den Staffelstab gern an seine Vizepräsidentin weitergeben möchte.

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      Obama hat sich dazu bislang nicht geäußert. Bislang unterstützt er Harris‘ Kandidatur nicht offiziell – ganz anders als Ex-Präsident Bill Clinton und seine Ehefrau Hillary, die Obama als Außenministerin diente. Obama schrieb lediglich: „Wir werden in den kommenden Tagen durch unbekannte Gewässer navigieren. Aber ich bin mir sehr sicher, dass die Anführer unserer Partei in der Lage sein werden, einen Prozess anzustoßen, aus dem ein außergewöhnlicher Kandidat hervorgeht.“

      Das Obama-Lager ließ dazu über die „New York Times“ verlauten, der Ex-Präsident sehe sich in dieser Frage als unabhängiger „Elder Statesman“. Er habe keinen speziellen Alternativkandidaten zu Harris im Sinn. Vielmehr wolle Obama sicherstellen, dass sich in der Partei ein Konsens herausbildet. Sollte Harris nominiert werden, solle dies nicht wie eine Krönung aussehen. Obama sehe seine Rolle auch darin, die Partei schnell zu einen, sobald es einen oder eine Kandidatin gibt.