Washington. Joe Biden macht den Weg für Kamala Harris frei. Ein unausweichlicher Schritt und die letzte Chance, Donald Trump die Stirn zu bieten.
Es hat drei Wochen (und drei Tage) gedauert, bis Joe Biden das Richtige erkannt und akzeptiert hat. Es ging einfach nicht mehr. Er musste den Weg freimachen. Vier Monate vor den Präsidentschaftswahlen werden in Amerika die Karten bei den Demokraten völlig neu gemischt. Alle Versuche, den beim Kreisklassen-Auftritt im TV-Duell mit Donald Trump entstandenen Schaden zu reparieren, mussten letzten Endes fehlschlagen.
Selbst auf seiner Wiedergutmachungstour, die etwas bemitleidenswert Unwürdiges hatte, stolperte Joe Biden zu oft beim Schildern simpler Zusammenhänge. Er versprach und verhedderte sich. Anyway…
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Joe Biden tritt von Kandidatur zurück – und vermeidet damit ein innerparteiliches Blutbad
Das wäre nicht besser geworden bis November. Und mit jedem Auftritt hätte sich der Mann mit der strahlenden Leistungsbilanz, nach der sich Amerika noch einmal zurücksehnen wird, weiter zum Gespött gemacht und sein in 50 Jahren aufgebautes Vermächtnis geschreddert. Mit dem Verzicht auf die Kandidatur in letzter Minute verhindert Biden ein innerparteiliches Blutbad.
Viele Abgeordnete drohten von dem Biden-Effekt heruntergezogen zu werden. Verlören sie am 5. November an breiter Front an die Opposition, könnte Trump im Falle eines Siegs mit beiden Kammern des Kongresse ungebremst durchregieren. Dann: Gute Nacht.
Im Parlament gewannen bei den Demokraten zuletzt jene die Oberhand, die beim Präsidenten 81 Jahre alten Altersstarrsinn und Narzissmus feststellten, wo sie Einsichtsfähigkeit und Größe erhofft hatten. Einsicht in die unliebsamen Tatsachen. Die heiße Wahlkampfphase September/Oktober wäre für den ältesten Präsidenten in der Geschichte der USA zu einer Tour der Leiden mit hässlichem Ausgang geworden: dem möglichen Totalabsturz am 5. November.
Warum hat es so lange gedauert?
Zwei Drittel der demokratischen Wähler haben das längst erkannt. Warum seine engsten Berater Biden lange in dem Glauben hielten, das Blatt werde sich drehen, bleibt schleierhaft. Wenn es stimmt, und viel spricht dafür, dass Donald Trump eine fundamentale Bedrohung für die amerikanische Demokratie und die Weltordnung ist, dann können die Demokraten nicht mit einem Gehandicapten an den Start gehen.
Dann muss, auch wenn dieser Schritt mit Risiken verbunden ist, der Neuanfang mit einem frischen Gesicht gewagt werden. In der Hoffnung, dass die Lethargie beim Souverän aufbricht und Begeisterung für einen neuen Aufbruch entsteht. Vor nichts hat das nach dem Parteitag in Milwaukee wie ein öliger Bodybuilder beim Posing aufgepumpte Trump-Lager mehr Angst.
Die US-Demokraten betreten Neuland
Eine jüngere Demokratin wie Kamala Harris kann rund 35 Prozent parteiungebundene Wechselwähler ansprechen, die mit Republikanern wie Demokraten seit Langem gebrochen haben. Das ist eine reale Gefahr für den wie Biden landesweit betrachtet äußerst unbeliebten Trump. Trotz des neuen Möchtegern-Arbeiterführers J.D. Vance an seiner Seite.
Amerikas Demokraten betreten Neuland. So kurz vor einer Wahl wurden selten die Pferde gewechselt. Wenn die nächsten Wochen mit Anstand zu einer breit getragenen Lösung führen, kann das heikle Unternehmen klappen. Einen verurteilten Straftäter vom Weißen Haus abzuhalten, der die amerikanische Demokratie pervertieren will, dieser Versuch ist aller Ehren wert.
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