Bürgenstock. Er verhandelt im Stillen über Russland-Sanktionen oder einen Frieden in der Ukraine. Wer ist der Außenpolitikberater von Olaf Scholz?
So viel geballte Außenpolitik wie in diesen Tagen gibt es selten: Erst die Wiederaufbaukonferenz für die Ukraine in Berlin, dann der G7-Gipfel in Italien. An diesem Wochenende schließlich die Friedenskonferenz für die Ukraine auf dem Bürgenstock in der Schweiz.
Für einen Mann in der Bundesregierung ist das Alltag: für Jens Plötner, den außenpolitischen Berater von Olaf Scholz.
Der Leiter der Kanzleramtsabteilung 2 für Außen-, Sicherheits- und Entwicklungspolitik ist der wichtigste Diplomat des Bundeskanzlers. Muss das Kanzleramt etwas mit Washington klären, ruft Plötner US-Sicherheitsberater Jake Sullivan an. Sind neue Sanktionen gegen Russland geplant, kümmert sich Plötner darum. Bekommt die Ukraine neue Waffenlieferungen, geht das über den Tisch des 56-Jährigen.
Jens Plötner bereitete für den Kanzler die Friedenskonferenz für die Ukraine vor
In den vergangenen Tagen war Plötner im Dauereinsatz, er hat den Kanzler auf den G7-Gipfel nach Italien begleitet, dann stand die von der Schweiz ausgerichtete Friedenskonferenz für die Ukraine auf dem Programm. Das Treffen am Vierwaldstättersee baut auf frühere Beratungen in Kopenhagen, Dschidda, Valetta und Davos auf, an allen hat Plötner teilgenommen. Seit Wochen arbeitet er daran mit, dass sich die Teilnehmer der Bürgenstock-Konferenz auf die Grundlagen für einen Frieden in der Ukraine einigen.
Scholz und Plötner sprechen täglich mehrfach miteinander. „Entweder persönlich, wenn wir gerade beide am selben Ort sind oder gemeinsam reisen“, berichtete Plötner in einem Podcast der Bundesregierung über seinen Arbeitsalltag, „oder sonst telefonisch“. Dann gehe es immer um Internationales, um Verteidigungsfragen, um Entwicklungspolitik. „Irgendwo auf der Welt ist immer was los, sodass das ein 24-Stunden-Geschäft ist.“ Zwei Fragen muss Plötner dem Kanzler schnell beantworten, wenn Krisenmeldungen reinkommen: Wie ist das zu bewerten? Und wie handeln wir?
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Plötner prägte Deutschlands Haltung zu Russland in den Steinmeier-Jahren mit
Plötner ist groß und schlank, er geht in der knappen Freizeit joggen. Redet er über internationale Abkommen oder Gespräche mit anderen Sicherheitsberatern, mischen sich englische Ausdrücke in seine Sätze.
Der Chefaußenpolitiker im Kanzleramt ist ein Kind der Küste, Plötner wurde 1967 in Eutin in Schleswig-Holstein geboren, studierte dann Jura und Politik in Hamburg, Bordeaux und Paris. Plötner trat 1994 in den Diplomatendienst ein und machte Karriere.
Als Scholz nach seiner Wahl zum Kanzler einen außenpolitischen Berater suchte, fiel die Wahl auf Plötner. Der war damals Politischer Direktor im Auswärtigen Amt, hatte Stationen in Israel, Sri Lanka, Tunesien und Griechenland hinter sich. In den Jahren nach der russischen Annexion der Krim 2014 prägte Plötner als Leiter des Ministerbüros des damaligen Außenministers Frank-Walter Steinmeier (SPD) die deutsche Russland-Politik entscheidend mit. Die auf Ausgleich mit Wladimir Putin ausgerichtete Steinmeier-Linie gilt rückblickend als auf voller Linie gescheitert.
Plötner nicht gut zu sprechen auf Strack-Zimmermann: „Boah, die Alte nervt“
Als Russland in der Nacht des 24. Februar 2022 die Ukraine überfällt, ist es Plötner, der den Kanzler weckt und ihm vom Krieg in Europa berichtet. „Wer heute sagt, er habe nach der Annexion der Krim 2014 schon genau gewusst, wohin das alles führen würde, dem kann ich nur gratulieren“, sagte Plötner kürzlich rückblickend dem „Tagesspiegel“.
Natürlich hätte die Bundesregierung anders gehandelt, wenn sie von Putins Kriegsplänen gewusst hätte. „Mein Blick auf Russland hat sich massiv verändert in den vergangenen Jahren.“
Als Kritiker Scholz nach Kriegsbeginn vorwerfen, in seiner Unterstützung für die Ukraine zu zögerlich zu sein, gerät auch Plötner ins Visier. Der Vorwurf einer noch immer zu milden Linie gegenüber Putin steht im Raum.
Eine der hartnäckigsten Widersacher der beiden ist die FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann. Als die Verteidigungsexpertin auf einer Tagung mal wieder die Bundesregierung angreift, soll dem Diplomaten Plötner ganz undiplomatisch entfahren sein: „Boah, die Alte nervt.“
Plötner: „Nichts ersetzt das persönliche Gespräch“
Nach der Ukraine-Konferenz an diesem Wochenende wird das Bemühen um einen Frieden in der Ukraine weitergehen. Die Bundesregierung versucht, nicht nur Russlands Verbündeten China, sondern auch Putin mehr oder weniger neutral gegenüberstehende Länder wie Indien, Brasilien oder Südafrika in den Prozess einzubinden. Für Plötner bedeutet das viel Arbeit, er erinnert sich an einen Satz des indischen Außenministers: „Europa muss aufhören zu denken, dass alle europäischen Probleme die Welt angehen und die Probleme in der Welt aber nicht Europa angehen.“
Plötners Antwort darauf ist, „das Gespräch zu suchen, hinzufahren, auch mal zuzuhören und zu verstehen: Wie genau sehen die Gesprächspartner das anders?“
Gleichzeitig müsse die Bundesregierung die eigene Position erklären, berichtete Plötner in dem Podcast. Das sei ein „mühsames Geschäft“ und für ihn mit viel Reiserei verbunden. „Meine Erfahrung ist: Ja, das kann man am Telefon machen, das kann man in Videokonferenzen machen, aber nichts ersetzt das persönliche Gespräch“, sagt Plötner.
Für die Gesprächspartner sei es schließlich ein wichtiges Zeichen, wenn sie merken: „Guck mal, der setzt sich jetzt vierzehn Stunden ins Flugzeug, um mir das hier zu erklären.“ Plötner arbeitet meist hinter den Kulissen, von vielen Missionen bekommt die Öffentlichkeit nichts mit. Sicher ist, bald wird er wieder im Auftrag des Kanzlers im Flieger sitzen.
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