Berlin. SPD-Chef Lars Klingbeil teilt in einer Talkrunde zur Europawahl gegen die Partei und ihre Chefin aus. Seine Wortwahl ist umstritten.
Es war eine der bemerkenswertesten Szenen des Europawahl-Abends: SPD-Chef Lars Klingbeil traf am Sonntag in einem Fernsehstudio auf die AfD-Vorsitzende Alice Weidel – und bezeichnete diese und ihre Partei als „Nazis“. Auf die Frage, ob er bei der Bundestagswahl 2025 mit einem ähnlichen Ergebnis rechne, sagte der Sozialdemokrat, beides könne nicht miteinander verglichen werden.
„Ich glaube auch, dass das Ergebnis der Europawahl viele Menschen noch mal wachrüttelt, dass die Nazis bei dieser Wahl stärker geworden sind und ich glaube, da wachen viele auf und kämpfen für die Demokratie.“ Als Weidel empört wissen wollte, wen er damit meine, erwiderte Klingbeil knapp: „Das wissen Sie, dass ich die AfD und Sie meine.“ Die AfD war bei der Europawahl zweitstärkste Kraft geworden, die Kanzlerpartei SPD hingegen kam nur auf den dritten Platz und fuhr ihr bisher schlechtestes Ergebnis bei einer bundesweiten Wahl ein.
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Doch darf der SPD-Chef die Rechtsaußen-Partei und ihre Vorsitzende pauschal als „Nazis“ bezeichnen? Es ist davon auszugehen, dass Klingbeil ganz bewusst gehandelt hat. Möglicherweise ließ er sich auch vorher juristisch beraten. Ob die Bezeichnung statthaft ist, müsste im konkreten Fall ein Gericht klären. Dort allerdings dürfte Klingbeil gute Karten haben.
AfD: Der Verfassungsschutz hat die Partei genau im Blick
„In diesem Spannungsfeld zwischen der Meinungsfreiheit des Äußernden und der persönlichen Ehre der Bezeichneten setzt sich meiner Einschätzung nach die Meinungsfreiheit durch“, sagt die Potsdamer Strafrechts-Professorin Anna Albrecht dieser Redaktion. „In dem Kontext der Diskussion wird man die Verwendung des Begriffs als eine Meinungsäußerung, also als ein Werturteil, einzuordnen haben.“ Damit liege auch keine so genannte Schmähkritik vor.
Die Äußerungen seien auch vor dem Hintergrund der Einordnung der AfD durch den Verfassungsschutz zu sehen, betonte die Juristin. Das Bundesamt stuft die AfD als rechtsextremistischen Verdachtsfall ein – zu Recht, wie das Oberverwaltungsgericht Münster im vergangenen Monat entschieden hat. In einigen Bundesländern, darunter in Thüringen, betrachten die dortigen Verfassungsschutzbehörden die AfD-Landesverbände als „gesichert rechtsextreme Bestrebung“.
Die AfD prüft nach eigenen Angaben jetzt rechtliche Schritte gegen Klingbeil. Sollte sie tätig werden, wäre das nicht ohne Risiko: Denn im Falle eines Scheiterns vor Gericht wäre klargestellt, dass man die Partei und ihre Chefs als „Nazis“ bezeichnen darf. Und dies würde mit Sicherheit viele andere Kritiker zur Nachahmung animieren.
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