Gaza/Washington. Israelische Spezialeinheiten retteten vier Geiseln aus der Gefangenschaft im Gazastreifen – laut Palästinensern starben dabei 274 Menschen.
Mit einer dramatischen Befreiungsaktion im Gazastreifen haben israelische Spezialeinheiten vier Geiseln aus ihrer acht Monate langen Gefangenschaft gerettet. Drei Männer und eine Frau wurden am Samstag in einem Überraschungseinsatz aus zwei Gebäuden in dem dicht besiedelten Flüchtlingsviertel Nuseirat befreit.
Nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde vom Sonntag wurden bei dem Einsatz 274 Palästinenser getötet und rund 700 weitere verletzt. Israels Armee-Sprecher Daniel Hagari wiederum sprach am Samstagabend von weniger als 100 Todesopfern. „Ich weiß nicht, wie viele davon Terroristen sind“, sagte er. In Israel feierten Menschen die Befreiung der Geiseln begeistert.
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Befreiung von Geiseln: Berichte über schwere Gefechte und viele Tote
Die Palästinenser warfen Israel ein Massaker an Zivilisten vor. In sozialen Medien kursierten Bilder von blutüberströmten Verletzten und Toten, unter ihnen auch Kinder. Zu dem Zeitpunkt des Einsatzes waren den Angaben zufolge viele Menschen auf einem nahegelegenen Markt unterwegs.
Nach Darstellung der israelischen Armee geriet das Rettungsteam unter heftigen Beschuss bewaffneter Palästinenser und lieferte sich mit ihnen schwere Gefechte. Drei männliche Geiseln wurden demnach in einem Haus festgehalten, die Frau in rund 200 Meter Entfernung in einem anderen Haus. Um die Bewacher der Hamas zu überraschen, drangen die Truppen um 11.00 Uhr Ortszeit zeitgleich in beide Gebäude ein.
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Der Einsatz sei mehrere Wochen lang vorbereitet worden, sagte der israelische Armeesprecher Peter Lerner. Er sprach von einer komplexen und auch riskanten Aktion der Spezialeinheiten. „Der Schlüsselfaktor war der Überraschungsangriff.“ Ein israelischer Offizier wurde bei dem Einsatz getötet. „Unsere heldenhaften Kämpfer sind wie ein Mann in das Feuer gestürmt, haben die Terroristen ausgeschaltet und die Geiseln befreit“, sagte der israelische Regierungschef Benjamin Netanjahu am Sonntag.
Rettungsfahrzeug mitten im Einsatz steckengeblieben – mit Hubschraubern gerettet
Ein Rettungsfahrzeug mit den Geiseln sei unter massivem Beschuss steckengeblieben, berichteten israelische Medien am Sonntag. Daraufhin seien weitere Truppen zur Verstärkung gerufen worden. Die vier Geiseln wurden letztlich mit Hubschraubern nach Israel geflogen.
Nach einem Bericht der „New York Times“ half ein Team von US-Experten für die Geisel-Befreiung in Israel bei der Vorbereitung der Aktion, indem sie Informationen und „andere logistische Unterstützung“ bereithielten. Die Zeitung berief sich dabei auf einen amerikanischen Informanten.
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Bei Musikfestival entführt: Das sind die befreiten Geiseln
Noa Argamani (26): Das Schicksal der vom Nova-Musikfestival entführten jungen Israelin hatte in Israel und auch weltweit große Anteilnahme ausgelöst. Aufnahmen, wie sie von Terroristen auf einem Motorrad entführt wurde und dabei verzweifelt und weinend um Hilfe rief, kursieren seit Monaten in sozialen Medien. Der ebenfalls verschleppte Freund der Studentin befindet sich noch immer in Gewalt der Hamas. Ihre aus China stammende Mutter hat Krebs im Endstadium. Ihr innigster Wunsch, ihre Tochter noch einmal zu sehen, wurde ihr nach deren Freilassung erfüllt.
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Almog Meir Jan (22): Der junge Mann wurde nach seiner Befreiung glücklich von Familie und Freunden in die Arme geschlossen. Tragisch ist dagegen, dass sein Vater die Rückkehr seines Sohnes nicht mehr miterleben durfte. Der 57-Jährige starb nach Medienberichten nur Stunden zuvor und wurde nach der Befreiung tot aufgefunden. „Mein Bruder ist vor Gram gestorben und hat seinen Sohn nicht zurückkehren sehen“, sagte seine Schwester dem Kan-Sender am Sonntag.
Andrej Kozlov (27): Der aus Russland stammende junge Mann war erst zuletzt nach Israel eingewandert. Er arbeitete auf dem Musikfestival, von dem er entführt wurde, als Wachmann. Seine Eltern kamen nach Medienberichten am Sonntag aus Russland angereist, um ihn nach seiner Freilassung zu sehen. Er ist auch russischer Staatsbürger.
Schlomi Ziv (41): Die vierte befreite Geisel stammt aus einem Ort an Israels Grenze zum Libanon. Nach Angaben des Forums der Geiselfamilien arbeitete er ebenfalls als Wachmann auf dem Musikfestival. Bei einem ersten Telefonat mit seiner Frau nach seiner Befreiung brach er vor Erleichterung in Tränen aus.
Damit sind bisher sieben Geiseln lebend von der Armee aus dem Gazastreifen gerettet worden. Außerdem wurden mehrere Leichen geborgen. Weitere 120 Geiseln verbleiben in der Gewalt der Hamas, es wird befürchtet, dass viele bereits tot sind.
Terroristen der Hamas und anderer extremistischer Gruppen aus dem Gazastreifen waren am 7. Oktober überraschend in den Süden Israels eingedrungen. Dort töteten mehr als 1200 Menschen und nahmen über 250 Geiseln. Das Massaker löste den Gaza-Krieg aus.
Seit dessen Beginn wurden nach Angaben der Gesundheitsbehörde mehr als 37.000 Palästinenser getötet und rund weitere 84.500 verletzt. Diese Angaben, die nicht zwischen Kämpfern und Zivilisten unterscheiden, lassen sich nicht unabhängig verifizieren. Israels Armee steht wegen ihres Vorgehens im Gazastreifen und der hohen Zahl ziviler Opfer international stark in der Kritik.
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Nach Befreiung der Geiseln: Forderung nach Neuwahlen und Geisel-Deal
Der Hamas-Sprecher Abu Obaida drohte nach der Befreiung der Geiseln auf Telegram, „die Operation wird eine große Bedrohung für die Gefangenen des Feindes darstellen“. Sie könne sich negativ auf ihr Leben auswirken, sagte Obaida, der dem militärischen Flügel der Hamas - den Al-Kassam-Brigaden - zugerechnet wird. Nach Darstellung des militärischen Arms der Hamas sollen bei der Rettung auch einige Geiseln getötet worden sein. Die Angaben der Terrororganisation ließen sich nicht unabhängig überprüfen.
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Nach der Befreiung versammelten sich in Israel zahlreiche Menschen, um einen Geisel-Deal sowie Neuwahlen zu fordern. Bei einer Hauptkundgebung in der Küstenstadt Tel Aviv versammelten sich nach Angaben der Veranstalter Zehntausende Menschen. Bei den Protesten in Tel Aviv kam es zu Zusammenstößen mit der Polizei. Nach Polizeiangaben wurden 33 Teilnehmer, die eine Straße blockieren wollten, festgenommen. Seit Monaten gibt es in Israel immer wieder Massenproteste gegen die Regierung und für die Freilassung der noch immer im Gazastreifen festgehaltenen Geiseln.
Geisel-Befreiung: So äußert sich Bundeskanzler Olaf Scholz
EU-Chefdiplomat Josep Borrell begrüßte die Befreiung der israelischen Geiseln, äußerte sich aber gleichzeitig angesichts der Berichte über ein „Massaker an Zivilisten“ entsetzt. „Das Blutbad muss sofort beendet werden“, forderte er auf der Plattform X. „Die Berichte aus Gaza über ein weiteres Massaker an Zivilisten sind entsetzlich.“ Zur Befreiung der Entführten erklärte er: „Wir teilen die Erleichterung ihrer Familien und fordern die Freilassung aller verbleibenden Geiseln.“
Auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bezeichnete die Befreiung als „wichtiges Zeichen der Hoffnung“. Die Hamas müsse endlich alle Geiseln freilassen, und der Krieg müsse enden.“ Auch US-Präsident Joe Biden und Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron begrüßten die Befreiung der Geiseln.