Berlin. Künstliche Intelligenz kann Bilder fälschen und Stimmen nachahmen. Für die Wahlen in Europa und den USA verheißt das nichts Gutes.
Wahlkampf in Kombination mit Künstlicher Intelligenz (KI): Handelt es sich dabei um eine Gefahr für die Demokratie? Mit Blick auf die kommenden Wahlen in den USA und in Europa, aber auch in Thüringen, Brandenburg und Sachsen löst KI vor allem die Angst vor generierten Bildern und falschen Nachrichten aus. „Wir wissen noch nicht, welche Gefahren auf uns zukommen, machen uns aber schon Sorgen“, sagt Politikwissenschaftler Andreas Jungherr. An der Universität in Bamberg untersucht er die Auswirkungen der Digitalisierung auf Politik und Gesellschaft.
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Für Jungherr ist klar, dass die Wahrnehmung von KI in der Öffentlichkeit und in den Medien eine große Rolle spielt. Aktuell herrsche viel Enthusiasmus und Angst – besonders vor Desinformation. Außerdem liege der Fokus häufig ausschließlich auf Deepfakes, das heißt Bildern, Videos oder Audios, die mit KI bewusst verändert wurden. Die damit geschaffene Aufmerksamkeit für das Thema KI sei somit überwiegend negativ, so Jungherr. In Bezug auf den Einfluss von KI auf deutsche Wahlen sagt er: „Die deutsche Debatte hängt von den Ereignissen in den USA ab.“ Und weiter: „Wenn dort Deepfakes den Wahlkampf beeinflussen, dann ist das Thema in Deutschland durch. Es wird immer die Gefahr der Künstlichen Intelligenz betont werden.“
Der Einsatz von KI steht noch am Anfang
Trotzdem ist KI bereits im politischen Alltag zu finden. Nach Aussage des digitalpolitischen Sprechers der FDP-Fraktion im Bundestag, Maximilian Funke-Kaiser, werde KI bereits in allen Fraktionen des Bundestages in unterschiedlicher Stärke genutzt. Er verwende besonders KI-Sprachanwendungen für die Arbeit mit Texten, zum Beispiel bei Zusammenfassungen und als Formulierungshilfe. „Meiner Meinung nach bieten auch KI-Bildgeneratoren weitreichende Möglichkeiten, um mit den Bürgern in Kontakt zu treten“, so Funke-Kaiser. „Wir haben uns den Spaß erlaubt und einige weihnachtliche Bilder von mir generiert.“
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Wahlkampagnen könnten künftig mit KI optimiert werden
Mit Blick auf kommende Wahlkämpfe kann der Einsatz von KI sehr vielfältig sein. Andreas Jungherr sieht einen großen Nutzen für die strategische Planung von Wahlkampagnen. So kann die KI beispielsweise die Planung des Wahlkampfbudgets übernehmen und optimieren. „Das kann ein großer Gewinn gerade für kleine Kampagnen mit geringen Budgets sein, zum Beispiel für eine Bürgermeisterwahl“, sagt der Politikwissenschaftler.
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Funke-Kaiser kann sich vorstellen, dass beispielsweise Chatbots auf Fragen von Bürgerinnen und Bürgern personalisiert und mithilfe der jeweiligen Wahlprogramme antworten können. Außerdem gebe es durch KI-gestützte Werkzeuge die Möglichkeit, Fehlinformationen zu identifizieren. In den sozialen Medien lässt sich auch KI einsetzen, beispielsweise um bewusst Wahlwerbung möglichst passend auszuspielen, sagt Stefan Feuerriegel, Professor an der Ludwig-Maximilians-Universität München und Leiter des Instituts für KI im Management. Auch um eine Variation an Material, zum Beispiel Bilder oder Wahlsprüche, zu generieren, eigne sich KI. „Dabei kann sehr stark auf den einzelnen Bürger personalisiert werden“, so Feuerriegel. Wichtig sei dabei die Transparenz, andernfalls könne es zu Problemen kommen.
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„KI ist nicht immer fremdgesteuert und autonom“
Politikwissenschaftler Andreas Jungherr ist überzeugt, dass die Menschen online auf KI angewiesen sind – vor allem wenn es um eine große Menge an Informationen gehe. „Wir öffnen Facebook und sehen den Newsfeed“, erklärt er. „Dort wäre es wenig hilfreich, wenn eine ungefilterte Liste an Inhalten gezeigt würde.“ Die Gefahr, dass Nutzerinnen und Nutzer dabei nur noch Beiträge beispielsweise zu einer bestimmten politischen Positionierung zu sehen bekommen – in eine sogenannte Filterblase kommen –, sei wissenschaftlich nicht belegt. Algorithmen könnten zwar negative Auswirkungen haben, „allerdings eher für kleine gefährdete Gruppen“, so Jungherr. In diesen Fällen müsse der Einfluss von Algorithmen sehr ernst genommen werden. Dennoch sehe Jungherr keine Gefahr für die gesamte Gesellschaft.
Stefan Feuerriegel sieht vor allem die Bürgerinnen und Bürger in der Verantwortung. „Durch Künstliche Intelligenz können Inhalte in größerem Umfang, schneller und personalisierter erstellt und verbreitet werden“, sagt er. Im Zweifel passiere dies auch intransparent. Besonders KI-generierte Bilder seien im Vergleich zu früheren Wahlkämpfen ein neues Phänomen – und eine besondere Herausforderung, besonders weil sie sich nicht einfach prüfen lassen. „Wir müssen KI nicht bekämpfen, sondern uns überlegen, wie wir damit umgehen“, sagt er. KI könne nicht einfach so selbstständig werden. „Am Ende wurde es von Menschen programmiert und kann deswegen von Menschen auch gesteuert werden.“