Tel Aviv. Nach dem mutmaßlichen israelischen Gegenangriff ist die Lage in der Region weiter angespannt. Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Nach dem mutmaßlich israelischen Vergeltungsangriff auf den Iran ist die Lage in der Region extrem angepannt. Wie gefährlich ist die Situation jetzt? Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Konflikt:
Was ist im Iran passiert?
In der Nacht auf Freitag waren rund um eine Militärbasis in Isfahan im Zentrum des Irans Explosionen zu hören. Der Iran spricht von Angriffen mit drei Drohnen. Der Lärm der Detonationen soll jedoch nicht von Einschlägen verursacht worden sein, sondern durch das eigene Luftabwehrsystem. Dieses habe die Drohnen erfolgreich abgewehrt. Es soll keine Schäden gegeben haben. Ungefähr zeitgleich gab es Angriffe auf Ziele im Irak und in Syrien.
Ist klar, dass Israel dahintersteckt?
Niemand will für den Schlag verantwortlich sein, aber es gibt klare Hinweise, dass Israel dahintersteckt. Mehrere hochrangige israelische Vertreter haben dies unabhängig voneinander sogar gegenüber US-amerikanischen Journalisten bestätigt, wollten aber nicht zitiert werden. Laut einem Bericht der „Washington Post“ hat ein israelischer Offizier den Angriff als „klug” und „wohlkalkuliert” bezeichnet. Die „Jerusalem Post“ berichtet, sie habe „bestätigt bekommen“, dass israelische Raketen auf iranische Luftwaffenanlagen abgefeuert wurden und getroffen haben.
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Der rechtsextreme Sicherheitsminister Itamar Ben-Gvir hatte im Onlinedienst X offenbar mit Blick auf die Explosionen im Iran geschrieben: „Armselig!“ Kritikern zufolge schrieb er Israel damit indirekt die Verantwortung zu. In den vergangenen Tagen hatten westliche Mächte, darunter auch Deutschland, eindringlich für eine zurückhaltende Antwort Israels plädiert.
Warum wurden genau diese Ziele ausgewählt?
Die Provinz Isfahan steht beispielhaft für das iranische Atomprogramm. Das wichtigste Urananreicherungszentrum des Iran befindet sich in dieser Region, und zwar konkret in der Stadt Natanz, rund 130 Kilometer von der Stadt Isfahan entfernt. In Isfahan selbst sind ein nukleares Forschungszentrum und eine Anlage für Uranentwicklung angesiedelt. Fest steht, dass am Freitag kein Schaden an der nuklearen Infrastruktur des Iran entstanden ist, das war ganz offensichtlich von Israel aber auch nicht beabsichtigt.
Es ging vielmehr darum, ein Warnsignal auszusenden: Israel ist fähig zu einem Angriff auf die nukleare Sphäre – und im Notfall auch bereit dazu. Isfahan ist aber auch im Kontext der schweren iranischen Angriffe vom vergangenen Sonntag wichtig: Wichtige Produktionsstätten für ballistische Raketen und Drohnen sind dort angesiedelt. Israel wollte also vor allem ein starkes Signal setzen – durch die Wahl des Orts und des Datums: Der Freitag war der Geburtstag des obersten iranischen Führers, Ayatollah Ali Khamenei.
Ist die Vergeltung für den iranischen Raketenangriff auf Israel damit abgeschlossen?
Dass sich Israel mit dem vergleichsweise leichten mutmaßlichen Schlag am Freitag begnügt, ist eher unwahrscheinlich. Der Iran hatte Israel vor einer Woche mit mehr als 300 Raketen, Marschflugkörpern und Drohnen angegriffen. Der Iran muss sich also auf weitere Schläge einstellen. Israel hat dabei aber keine Eile. Die vergleichsweise leichte Schlag am Freitag könnte auch ein Signal an den Westen sein: Seht her, wir zeigen Zurückhaltung.
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Im Gegenzug hofft man, vom Westen eine deutliche Verschärfung der Sanktionen gegen den Iran zu erhalten. Davon würde Israel mittelfristig viel stärker profitieren als von einem mächtigen Schlag gegen iranische Infrastruktur. Israel hat aber noch ein anderes Interesse: Nach mehr als einem halben Jahr Krieg im Gazastreifen und der steigenden Kritik am israelischen Vorgehen hat der iranische Angriff die Stimmung wieder gedreht. Diesen momentanen Rückhalt will man sich nicht verderben – auch im Hinblick auf die geplante Invasion in Rafah im Süden Gazas, die ja international hochumstritten ist.
Könnte der Iran Israel jetzt noch einmal direkt angreifen?
Das ist aus jetziger Sicht eher nicht zu erwarten. Teheran müsste zuerst einmal anerkennen, dass Israel den Iran angegriffen hat, um dann Rache zu üben – und diese Anerkennung hat es bis jetzt nicht gegeben. Im Iran spielt man den Vorfall in Isfahan herunter: Iranische Vertreter sagen, man wisse nicht, ob eine ausländische Quelle dahinterstecke.
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Man gehe davon aus, dass die Attacke vom Inland aus gestartet wurde. Man tut also so, als hätte Israel gar nichts mit dem Angriff zu tun – und erspart sich eine Reaktion darauf. Der Iran hat schließlich selbst kein Interesse an einer Eskalation. Die starke Abwehr der Angriffe vom vergangenen Wochenende haben gezeigt, dass er es im Fall eines Kriegs mit einer starken Allianz von Gegnern zu tun hätte, die an Israels Seite stehen.
Wer steht an Israels Seite?
Seit dem vergangenen Sonntag ist klar: Wenn Israel vom Iran angegriffen wird, stehen ihm nicht nur enge Verbündete wie die USA zur Seite. Dass 99 Prozent der iranischen Raketen und Marschflugkörper bereits auf dem Weg abgefangen wurden und noch bevor sie in den israelischen Luftraum eindringen konnten, ist einer Allianz zu verdanken, die auch israelkritische Mächte aus dem Arabischen Raum inkludiert – wie etwa Jordanien. Unbestätigten Berichten zufolge hat auch Saudi-Arabien mitgewirkt, die historische Attacke abzuwehren. Teil des Abwehrbündnisses waren außerdem Großbritannien und Frankreich. Auch die Vereinigten Arabischen Emirate sollen eine wichtige Rolle in der Informationsweitergabe vorab gespielt haben.
Welchen Einfluss haben die USA auf die Netanjahu-Regierung?
Die USA haben selbst viel zu verlieren. Das erklärt auch, warum Washington sofort betonte, nicht an dem Angriff in Isfahan beteiligt gewesen zu sein. Man will tunlichst verhindern, dass der Iran Gegenangriffe auf US-Ziele in der Region vornimmt. Im Superwahljahr 2024 kann US-Präsident Joe Biden nichts weniger gebrauchen als eine zusätzliche Eskalation in der ohnehin schon höchst angespannten Lage im Nahen Osten. Die USA versuchen also, auch auf Israel deeskalierend einzuwirken.
Welche Folgen hätte ein Krieg zwischen Israel und Iran?
Der Iran hat immer wieder betont, worum es ihm geht: um nichts weniger als die Auslöschung Israels. Zu diesem Zweck hat er eine Art Feuerring in der direkten Nachbarschaft Israels aufgebaut – mit der Hamas in Gaza und im Westjordanland, der Hisbollah im Libanon und den Huthi-Milizen im Jemen, sowie dem Islamischen Dschihad, der in mehreren Ländern operiert. All diese Stellvertreter-Milizen sind in den aktuellen Mehr-Fronten-Krieg involviert. Ohne die tatkräftige finanzielle Unterstützung aus dem Iran wären die schweren Massaker des 7. Oktober nicht denkbar gewesen.
Der vergangene Sonntag hat bewiesen, dass der Iran auch vor einer direkten Attacke vom eigenen Territorium aus nicht zurückschreckt. Es ist eine historische Wende - vom Schattenkrieg hin zu einer direkten Konfrontation zwischen dem Iran und Israel. Sollte diese Konfrontation eskalieren und in einen offenen Krieg ausarten, wären die Folgen kaum absehbar. Sie würden neben den USA auch andere Staaten in der Region in den Sog der Gewalt ziehen: den Irak, Syrien, aber auch Israels neue Partner am Golf, und womöglich auch Jordanien und Ägypten. Die wirtschaftlichen Folgen wären letztlich auch in Europa stark spürbar.