Berlin. Der Gaza-Krieg spielt eine wichtige Rolle im US-Wahlkampf. Nun weiß Donald Trump ihn für sich zu nutzen, sagt Experte van de Laar.
Herr van de Laar, was war der bemerkenswerteste Moment der vergangenen Tage in den USA?
Julius van de Laar: Der Prozess gegen Trump in New York dominiert alles. Ein besonderer Aspekt ist, dass Trump nach Berichten von Prozessbeobachterinnen und Journalisten offenbar im Gerichtssaal eingeschlafen ist. Wenn du deinen Gegenkandidaten die ganze Zeit „Sleepy Joe“ nennst, darfst du alles machen – nur nicht selbst einschlafen. Fakt ist aber auch: Bilder gibt es davon nicht, Kameras sind ja im Saal nicht zugelassen, dementsprechend werden diese Berichte Trump vermutlich nicht schaden.
Was kann man über die bisher ausgewählten Geschworenen im Schweigegeld-Prozess sagen?
Es ist ein schleppender Prozess – es braucht zwölf Geschworene. Sowohl Trumps Anwälte als auch die Staatsanwaltschaft darf zehn Vetos abgeben. Die Kandidaten für die Jury müssen Fragebögen ausfüllen, und Anwälte aus Trumps Team könnten etwa sagen: Nein, wir haben Ihr Social-Media-Profil geprüft – Sie haben schon einmal etwas Positives über Joe Biden, Obama oder Clinton gepostet. Sie sind voreingenommen, deswegen legen wir unser Veto ein.
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Kann es überhaupt einen fairen Prozess für Trump geben?
Nun ja, es dürfte niemanden geben, der vollständig unvoreingenommen ist und wirklich nichts über diesen Prozess weiß. Schließlich ist Trump einer der berühmtesten Menschen der Welt. Was auch skurril ist: Der Richter Juan Merchan hat schon in der Vergangenheit für Joe Biden und die Demokraten sowie an eine Organisation gegen die Republikaner gespendet, wenn auch in Summe nur 35 Dollar. Seine Tochter ist zudem Digitalstrategin für die Demokraten. All das hat nicht nur einen Beigeschmack — es bietet vor allem Angriffsfläche für die Trump-Kampagne und das Narrativ, es handle sich um einen politisch motivierten Prozess.
Zur Person
Julius van de Laar ist ein international tätiger Politikstratege und Kommunikationsberater. Er lebte 7 Jahre in den USA. Nach dem Studium der Politik- und Kommunikationswissenschaften an der Furman University in den USA arbeitete er in den US-Präsidentschaftswahlkämpfen 2008 und 2012 als hauptamtlicher Wahlkämpfer für Barack Obama.
Wie läuft der Wahlkampf?
Die Kampagnenchefin des Drittkandidaten Robert F. Kennedy (RFK) junior, Rita Palma, die letzte Woche bei einer Wahlkampfveranstaltung vor Kennedy-Unterstützern sagte, „unser gemeinsamer Feind ist Joe Biden“, war nicht länger tragbar und ist mittlerweile gefeuert worden. Außerdem sind ein paar pikante Details ans Licht gekommen: Die Kampagne RFK juniors wird demnach gerade auch von Trump-Großspendern unterstützt. Das ist relevant, denn dieser Wahlkampf wird wirklich ein extrem knappes Rennen. 2020 waren es gerade mal knapp 44.000 Stimmen Unterschied, ähnlich könnte es diesmal aussehen.
Was heißt das für Trumps Kampagne?
Trump hat zwar eine harte Wählerbasis, die, egal was passiert, hinter ihm steht. Er hat aber auch ein limitiertes Wählerpotenzial von 47 bis 48 Prozent, dass in einer gewöhnlichen Kampagne im Zwei-Parteien-System zu einer Niederlage führen würde. Seine Leute fragen sich: Wie können wir die Wahl dennoch gewinnen? Die Strategie lautet also, Joe Biden unter die 50 Prozent zu drücken. Das soll gelingen, indem das Biden-Lager gespaltet wird und einige Prozent der Unterstützer auf die Seite von Robert F. Kennedy jr. getrieben werden. Da geht es etwa um junge, progressive Leute in Swing States wie Michigan, die der Auffassung sind, Joe Biden habe die Palästinenser im Stich gelassen.
Wie gehen die Republikaner auf diese Menschen ein?
Hier kommt die Trump-Kampagne mit einer sehr kruden, aber potenziell auch extrem wirksamen Taktik um die Ecke: Die Kampagne schaltet genau für diese Zielgruppe maßgeschneiderte Werbung, gerichtet an frühere Biden-Wählerinnen und -Wähler, die von einer extremen Pro-Israel-Haltung Bidens abgeschreckt und von den Werbespots aufgefordert werden, RFK jr. ihre Stimme zu geben, der als Pro-Gaza-Alternative inszeniert wird.
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