Washington. Republikanische Wahlkampf-Strategen bereiten politisch den Boden für ein brisantes Szenario, in dem Trump ewig Präsident sein kann.
Die Republikanerin Liz Cheney redete Ende des vergangenen Jahres nicht lange um den heißen Brei herum. Die von der eigenen Partei wegen ihrer kritischen Haltung Donald Trump gegenüber geschasste Ex-Kongress-Abgeordnete erklärte damals im US-Fernsehen, dass der Ex-Präsident im Falle seiner Wiederwahl niemals freiwillig nach vier Jahren die Schlüssel zum Weißen Haus in andere Hände legen wird. „Daran besteht kein Zweifel. Er würde versuchen, darüber hinaus an der Macht zu bleiben.”
Die erzkonservative Politikerin aus Wyoming, Tochter des früheren Vize-Präsidenten Dick Cheney, nimmt Trumps Verhalten im Januar 2021 zum Maßstab. Damals versuchte ein von Trump aufgestachelter Mob, im Kapitol von Washington die amerikanische Demokratie aus den Angeln zu heben und den Wahlsieg von Joe Biden gewaltsam zu annullieren. Der Aufstandsversuch scheiterte – letztlich auch an Dilettantismus.
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Cheney und andere Experten sind sich sicher, dass der 77-Jährige bei einer zweiten Gelegenheit keine Gefangenen (und Fehler) mehr machen und sich über alle Staatsgewalt hinwegsetzen würde. Trump, der ewige Präsident? Cheneys Schlussfolgerung ist eindeutig. „Eine Stimme für Donald Trump im November könnte bedeuten, dass es die letzte Wahl wird, an der wir teilnehmen.”
Cheney warnt vor Trump: „Die letzte Wahl, an der wir teilnehmen”
Die Warnungen der erzkonservativen Republikanerin haben in diesen Tagen neue Nahrung erhalten. Die Zeitschrift „American Conservative” ließ durch den Autor Peter Tonguette einen bemerkenswerten Versuchsballon starten. Tenor: Es sei schlicht „unfair”, Trump auf acht Jahre im Amt zu beschränken, falls die Wählerinnen und Wähler 2028 mit seiner Leistungsbilanz in einer zweiten Amtszeit zufrieden wären. Seine Meinung: Trump soll einfach weiter regieren dürfen.
Dabei weiß Tonguette sehr gut, dass sein Fingerzeig gegen die amerikanische Verfassung verstößt. Dort schreibt der 22. Zusatz seit 1951 für das höchste Staatsamt eine Beschränkung auf zwei Amtszeiten fest. Die Hürden, das zu kippen, liegen immens hoch. Trump aber sieht sich als Franklin D. Roosevelt, der – unter Kriegsbedingungen – von 1933 bis 1945 im Weißen Haus regierte und insgesamt vier Mal wiedergewählt wurde.
Dass ein einzelner Publizist das „22. Amendment“ zur Disposition stellt, wäre zu vernachlässigen, wenn nicht das Trump-nahe „Project 2025” dahinter stünde. Die finanziell blendend ausgestattete Gruppe aus gut 80 Denkfabriken und Lobbyisten unter Federführung der rechtslastigen Heritage-Stiftung bereitet seit Monaten mit Hunderten Mitarbeitern generalstabsmäßig den ideologischen Boden für eine zweite Amtszeit des Immobilien-Tycoons vor.
Trump bewundert Xi Jinping, der sich ewige Macht sicherte
Dabei wird kein Regierungssektor ausgespart. So sollen Staatsbedienstete massenhaft gefeuert und erst nach Ablegen eines Treueschwurs auf Trump teilweise neu eingestellt werden. Das Justizministerium würde eine Privatkanzlei des Präsidenten, der mehrfach damit gedroht hat, politische Gegner mundtot zu machen und inhaftieren zu lassen.
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„Project 2025” will via Trump durch die Bank Artikel II der US-Verfassung umdeuten. Dort heißt es scheinbar lapidar: „Die vollziehende Gewalt liegt bei dem Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika.” Team Trump sieht dabei weder inhaltliche noch zeitliche Beschränkungen. Man glaubt, dass weder der Kongress (Legislative) noch der Oberste Gerichtshof (Judikative) dem Präsidenten Fesseln anlegen dürfen.
Die Trumpianer folgen damit einer Denkart, die ihr Anführer etwas versteckt schon mehrfach anklingen ließ. So zeigte Trump seine offene Bewunderung für den chinesischen Präsidenten Xi Jinping, der sich von der Limitierung auf wenige Amtsperioden vom kommunistischen Volkskongress befreien ließ.
Früherer Bush-Berater warnt im Falle einer Wiederwahl vor Diktatur
Für die meisten Spitzen-Politiker in Washington ist der Denkanstoß über eine Aufhebung der Amtszeit-Begrenzung bisher nur Material, um auf Steh-Empfängen die Augen über Trump zu rollen. Andere, etwa der einflussreiche neokonservative Publizist Robert Kagan, sind entschieden alarmierter. Der ehemalige Berater von Präsidenten wie George W. Bush hatte im vergangenen Herbst einen 7500 Worte starken Text abgeliefert, der noch immer nachhallt und in diese These einmündet: „Eine Trump-Diktatur ist zunehmend unvermeidbar”.
Systematisch weist der gelernte Historiker dabei nach, wie sehr Trump seit Amtsantritt 2017 die Eckpfeiler der US-Demokratie bereits angebohrt hat, ohne dass die republikanische Partei, der Kongress, die Justiz oder die Medien ihm wirkungsvoll Einhalt geboten hätten. Selbst Trump-Sätze wie „Wir werden die Marxisten, Kommunisten, Faschisten und die radikal linken Gauner ausmerzen, die wie Schädlinge in den Grenzen unseres Landes leben” blieben ungesühnt.
Nach zwei überstandenen Amtsenthebungsverfahren, so Kagan, und vor der Aussicht, den anstehenden Prozessen glimpflich entkommen zu können, müsse man davon ausgehen, dass sich Donald Trump weder von der Verfassung noch vom Obersten Gerichtshof aufhalten lassen würde, sollte er eine dritte Amtszeit anstreben. Dabei ließ Kagan ein bezeichnendes Detail außer Acht. Schon 2019 wurde in einem Video-Clip auf Trumps damaligem Twitter-Konto zu dramatischer Musik die Idee ausgerollt, dass der Rechtspopulist durchregieren könnte. Von 2024 bis 2048. Sozusagen für immer.
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