Washington. Der Ex-Präsident darf sich trotz seiner Verwicklungen in den „Sturm aufs Kapitol“ zur Wahl stellen – eine wichtige Hürde für Trump.
Der Oberste Gerichtshof der USA wird zusehends zum Schutzpatron Donald Trumps. Der Ex-Präsident darf trotz seiner Verwicklungen in den blutigen Sturm auf das Kapitol am 6. Januar 2021, als Tausende seiner Anhänger den Wahlsieg von Präsident Joe Biden gewaltsam hintertreiben wollten, an den Vorwahlen für die Präsidentschaftskandidatur teilnehmen. Mit dieser einstimmigen Entscheidung beendete der Supreme Court am Montag unmittelbar vor dem „Super Tuesday” mit Vorwahlen in 15 Bundesstaaten Bemühungen, den republikanischen Ex-Präsidenten von den Wahlzetteln zu streichen.
Das höchste Gericht der Vereinigten Staaten annullierte damit die untergeordnete Gerichtsbarkeit im Bundesstaat Colorado. Dort, wie auch in Maine und Illinois, war entschieden worden, dass Trump mit Verweis auf einen über 150 Jahre alten Paragraphen in der amerikanischen Verfassung nicht mehr am demokratischen Prozess teilnehmen darf.
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Der 14. Zusatzartikel der US-Verfassung macht Teilnehmer oder Unterstützer einer Aufstandsbewegung („insurrection”), die die friedliche Übergabe der Macht verhindern will, nicht mehr wählbar – wenn sie vorher einen Eid auf die US-Verfassung geschworen haben. Trump ging gegen die vorläufigen Entscheidungen in Berufung. Und er gewann. Die Richterinnen und Richter machten deutlich, dass es nicht im Benehmen eines einzelnen Bundesstaates liegen dürfe, darüber zu entscheiden, ob ein Präsidentschaftskandidat auf den Stimmzetteln erscheinen darf oder nicht.
Supreme Court greift massiv in die US-Demokratie ein
Hätte der Supreme Court anders entschieden, wäre Trump von den Wahllisten etlicher Bundesstaaten gestrichen worden, die ebenfalls mit der Disqualifizierung des 77-Jährigen geliebäugelt haben. Seine Bestrebungen, im Januar 2025 erneut ins Weiße Haus einzuziehen, wären damit erledigt gewesen. So gesehen hat der Supreme Court knapp 25 Jahre nach der Intervention pro George W. Bush gegen Al Gore zum zweiten Mal massiv in die amerikanische Demokratie eingegriffen.
Zuvor hatten Gerichte in Michigan, New Hampshire, Florida und Minnesota ähnliche Initiativen, Trump von den Wahlzetteln zu entfernen – etwa von Bürgerrechtsgruppen wie „Free Speech” – bereits verworfen. Mit der Begründung, dass Trump hinsichtlich der Vorwürfe rechtskräftig bisher keine Straftat nachgewiesen worden sei und die Streichung seines Namens vom Wahlzettel daher einen unangemessenen Eingriff in die Demokratie darstelle.
Der Oberste Gerichtshof in Washington enthielt sich bei seinem ohne jeden Widerspruch ergangenen Urteil der Bewertung, ob Trump als ideeller Anführer des damaligen Angriffs auf die Herzkammer der US-Demokratie zu gelten hat oder nicht. Auch zur Frage, ob die Geschehnisse rund um den „Sturm aufs Kapitol” als „Aufstand” oder „versuchter Staatsstreich” betrachtet werden müssen, verhielt sich das Neuner-Gremium nicht.
Urteil zugunsten Donald Trumps war erwartet worden
Das Pro-Trump-Urteil war nach dem Verlauf der mündlichen Verhandlung erwartet worden. Dort hatten nicht nur die sechs konservativen Top-Juristen Zweifel angemeldet. Auch die von demokratischen Präsidenten ernannten Juristinnen Ketanji Brown Jackson, Elena Kagan und Sonia Sotomayor machten massive Bedenken geltend. Entsprechend hoch schätzten Rechtsexperten von Anfang an die Siegesaussichten Trumps ein. In zwölf anderen Bundesstaaten wurden Anträge zur Disqualifikation Trumps von den Initiatoren inzwischen einkassiert, nachdem Richter dort signalisiert hatten, dass es keine Erfolgschancen gebe.
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Diverse Rechtsgelehrte widersprachen der Urteilsfindung. Steven Calabresi, Gründer der erzkonservativen „Federalist Society”, schrieb, dass Trump seine Anhänger am 6. Januar 2021 aufgerufen habe, „wie verrückt zu kämpfen”, um die an jenem Tag anstehende Zertifizierung des Wahlsieges von Joe Biden zu verhindern. Als die blutige Erstürmung bereits im Gange war, habe Trump lange wohlwollend zugeschaut und nichts unternommen, um die Ausschreitungen zu stoppen. Das allein erfülle den Tatbestand, eine „Rebellion zu unterstützen”. Darum müsse Trump von künftigen Wahlen ausgeschlossen werden.
In das gleiche Horn stieß der konservative ehemalige Bundesrichter Michael Luttig: „Keine Person, die versucht hat, die Verfassung außer Kraft zu setzen beziehungsweise aufzulösen und seine unmittelbarer Rückkehr ins Weiße Haus verlangt hat, kann jemals mehr in gutem Glauben den präsidialen Eid auf die Verfassung schwören.” Bei den Demokraten hielt sich die Kritik an der Entscheidung des Obersten Gerichts in Grenzen. Trump durch die Justiz aus dem Rennen zu nehmen, anstatt den Wählern am 5. November die ur-demokratische Wahl zu überlassen, das behagte auch vielen Demokraten nicht.
Nicht berührt von dem Urteil ist der ebenfalls beim Supreme Court anhängige Fall, ob Trump Immunität vor strafrechtlicher Verfolgung für die ihm vorgeworfene Verschwörung/versuchter nachträglicher Wahlbetrug gegen die Vereinigten Staaten genießt. In dieser für drei in der Schwebe hängenden Strafprozesse kriegsentscheidenden Frage wird das Oberste Gericht erst in der Woche um den 22. April mündliche Argumente anhören. Bis zu einer Entscheidung kann es Juni werden. Mögliche Konsequenz: Eine Verurteilung (oder ein Freispruch) Trumps vor der Wahl am 5. November wird immer unwahrscheinlicher.
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