Jerusalem. Die Menschen rechnen mit dem Schlimmsten, viele decken sich mit Wasser und Nahrung ein – und doch bleiben sie erstaunlich gelassen.
Doron steht vor dem geöffneten Kofferraum seines Wagens und stapelt strategisch. Zuerst die Sechserpacks Trinkwasser. Dann der Rest: Konserven, Instantkaffee, Cracker. Auch Zwiebeln und Knoblauch. Nach und nach leert sich sein Einkaufswagen, füllt sich sein Auto. Es ist kein normaler Schabbateinkauf, den der 60-Jährige an diesem Freitagvormittag erledigt.
Doron kauft Vorräte für den Worst Case ein. „Binnen 24 bis 48 Stunden“ soll der Iran seinen Angriff auf Israel starten, sagen Geheimdienst-Quellen. Also kauft Doron ein. „Drei Sixpacks sollten erstmal reichen“, sagt er. Das sind 36 Liter Wasser. Iranische Quellen, wie unzuverlässig sie auch sein mögen, nennen Haifa als mögliches Angriffsziel. Ob ihm das Angst macht? Doron schüttelt den Kopf.
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Er ist in Haifa aufgewachsen, hat beide Libanonkriege erlebt. Ihn kann wenig erschüttern. „Man muss nur vorbereitet sein“, sagt er. Und zwar für den Fall, dass der Strom ausfällt und die Wasserpumpen nicht mehr funktionieren. Sonst nichts. „Wir Israelis sind keine Versager, wir sind stark”, sagt er. Hatte man das vor dem 7. Oktober nicht auch gedacht? „Ja, aber da hat die Armee geschlafen”, sagt Doron, „und jetzt ist sie wach”.
Bedrohung aus Iran bringt Krieg zurück in die Köpfe der Israelis
Wach und in höchster Bereitschaft – schon seit mehr als einer Woche. Nach dem Angriff auf ein iranisches Gebäude in Damaskus am 1. April und der Tötung zweier Generäle der Iranischen Revolutionsgarden muss Israel jederzeit mit einem Racheakt Teherans rechnen. Somit ist der Krieg nun auch wieder in den Köpfen jener Israelis angekommen, die ihn zuletzt erfolgreich verdrängt hatten.
In Tel Aviv und in Haifa ist längst wieder so etwas wie Normalität ausgebrochen. Auch an diesem Freitag in Haifa ist der drohende Angriff des Iran nicht überall das Thema Nummer eins im Straßen-Smalltalk. Man unterhält sich über steigende Lebensmittelpreise, Pläne für den Pessach-Urlaub, die jüngsten Renovierungsarbeiten am Einfamilienhaus. „Die Amerikaner sprechen vom Doomsday, aber ich glaube nicht daran”, sagt Dorit, eine Mittfünfzigerin, die auf einer Parkbank in der Sonne genüsslich ihren Eiskaffee schlürft.
Schabbatruhe ist heilig, kennt aber eine Ausnahme – Lebensgefahr
Die Cafés sind voll besetzt, auf den Stufen vor dem Eissalon sitzen Kinder mit riesigen Waffeln Eis, mit bunten Zuckerstreuseln dekoriert. Nur die gelben Schleifen, die an allen Bänken, Schildern und Bäumen baumeln und an das Schicksal der Geiseln in Gaza erinnern, rufen den Angriff der Hamas und den Krieg in Gaza noch ins Bewusstsein.
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„Für uns ist das nichts Neues, was jetzt passiert”, sagt Idan, ein Mittdreißiger mit langen Haaren und Kippa. Mit „uns” meint er das jüdische Volk. „Seit Tausenden Jahren sind wir davon bedroht, dass man uns auslöschen will”, sagt er. Das Wichtigste sei daher, sich spirituell dafür zu wappnen. „Vertrauen zu schöpfen, Verbundenheit zu spüren”.
Die „physischen Vorbereitungen” haben er und seine hochschwangere Frau schon vor langer Zeit getroffen: Vorräte an Wasser und Konserven stehen immer bereit, ebenso eine Tasche mit den wichtigsten Dokumenten und Medikamenten. Und an diesem Schabbat bleibt auch das Handy aufgedreht – für den Fall, dass das Heimatfrontkommando via App Alarm schlägt. Denn die Schabbatruhe ist heilig, sie kennt aber eine Ausnahme: die Rettung aus Lebensgefahr.
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