Berlin. Der Minister pocht auf eine rasche Reform des Klima-Gesetzes. Ohne Änderung müsse er den Stillstand verordnen. Grüne reagieren wütend.
Mit einer Warnung vor möglichen Wochenend-Fahrverboten hat Bundesverkehrsminister Volker Wissing den Ampel-Streit über das Klimaschutzgesetz erneut angeheizt. Das Gesetz in seiner jetzigen Form sei nicht haltbar, die geplante Reform müsse rasch kommen, argumentiert er: Die im Gesetz definierten Klima-Sektorziele im Verkehr seien nur zu erreichen, wenn die Pkw- und Lkw-Fahrleistung deutlich verringert werden.
Diese wäre „nur durch restriktive Maßnahmen wie flächendeckende und unbefristete Fahrverbote an Samstagen und Sonntagen möglich“, schrieb er in einem Brief an die Ampel-Fraktionschefs im Bundestag. „Es wäre den Menschen kaum zu vermitteln, dass sie ihr Auto nur noch an fünf Wochentagen nutzen dürfen, obwohl wir die Klimaschutzziele in der Gesamtbetrachtung erreichen“, warnt Wissing.
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Die Grünen reagierten empört: „Ein Minister sollte nicht unbegründet Sorgen bei den Menschen schüren“, sagte die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Julia Verlinden. „Diese Behauptung ist schlichtweg falsch.“ Die Umweltschutzorganisation Greenpeace bezeichnete Wissings Vorgehen als politisches Armutszeugnis.
Grünen-Fraktionsvize Verlinden hielt dagegen, das aktuell geltende Recht verlange von Wissing lediglich, „ein Klimaschutzprogramm vorzulegen, in dem sinnvolle Vorschläge enthalten sind, die zu mehr Klimaschutz im Verkehrssektor führen“. Es gebe viele unterschiedliche Möglichkeiten, „wie etwa ein Tempolimit“. Ein generelles Tempolimit auf Autobahnen lehnen Wissing und die FDP strikt ab.
Wissing erhöht den Druck in den laufenden Verhandlungen
Wissing macht mit dem Schreiben Druck während laufender Verhandlungen der Ampel-Fraktionen über eine Reform des Klimaschutzgesetzes. Das Kabinett hatte diese im vergangenen Juni beschlossen, die erste Lesung im Bundestag war im September.
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Strittig ist dem Vernehmen nach, welche Verantwortlichkeiten Ressorts künftig noch haben, falls Zielvorgaben bei der CO2-Einsparung verfehlt werden – wie im Verkehrssektor. Am Klimaschutzgesetz hängt auch ein geplantes Solarpaket.
Werden die Ziele verfehlt, müssen Ministerinnen und Minister sofort reagieren
Im Klimaschutzgesetz sind die deutschen Klimaziele verbindlich geregelt. Es sieht vor, dass die Emissionen von klimaschädlichen Treibhausgasen bis 2030 um 65 Prozent gegenüber 1990 reduziert werden. Für einzelne Sektoren wie Industrie, Energiewirtschaft, Verkehr und Gebäude wurden zulässige Jahresemissionsmengen festgelegt.
Kernpunkt ist bisher folgender Mechanismus: Wenn Sektoren Vorgaben verfehlen, müssen die zuständigen Ressorts der Bundesregierung in Form von Sofortprogrammen nachsteuern – um die Einhaltung der Emissionsmengen sicherzustellen.
Nach dem Gesetzentwurf der Bundesregierung soll die Einhaltung der Klimaziele künftig nicht mehr rückwirkend nach den verschiedenen Sektoren kontrolliert werden – sondern in die Zukunft gerichtet, mehrjährig und sektorübergreifend. Die Bundesregierung als Ganzes soll künftig entscheiden, in welchem Sektor und mit welchen Maßnahmen die zulässige CO2-Gesamtmenge bis 2030 erreicht werden soll – allerdings erst, wenn es zwei Jahre in Folge zu einer Zielverfehlung kommt.
Vorgaben zur Emissionsminderung in den einzelnen konkreten Sektoren sollen damit abgeschafft werden. Vor allem die FDP dringt auf eine Reform des Gesetzes, die Teil des Koalitionsvertrags ist.
Der Verkehrssektor bleibt das Sorgenkind
Im Jahr 2023 wurden nach Angaben des Umweltbundesamts in Deutschland 10,1 Prozent weniger klimaschädliche Treibhausgase emittiert als 2022. So gab es im Sektor Energie deutliche Rückgänge, das Umweltbundesamt begründete dies mit einem geringeren Einsatz fossiler Brennstoffe zur Erzeugung von Strom und Wärme.
Insbesondere der Verkehrssektor müsse beim Klimaschutz aber nachsteuern, so die Behörde. Er verfehle seine Klimaziele erneut deutlich. Die Daten werden von einem Expertenrat für Klimafragen bewertet. Dieser Bericht wird am kommenden Montag vorgelegt.
Das geltende Klimaschutzgesetz sieht vor: Weisen die Emissionsdaten eine Überschreitung der zulässigen Jahresemissionsmenge für einen Sektor aus, so legt das zuständige Bundesministerium innerhalb von drei Monaten nach der Bewertung durch den Expertenrat ein Sofortprogramm für den jeweiligen Sektor vor.
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Warnung weckt Erinnerung an 1973
Darauf ging Wissing in seinem Schreiben ein: Sofern das novellierte Klimaschutzgesetz nicht vor dem 15. Juli in Kraft trete, sei das Ministerium nach dem geltenden Gesetz verpflichtet, ein Sofortprogramm vorzulegen – dann kommt die Warnung vor flächendeckenden und unbefristeten Fahrverbote am Wochenende. Darunter würden nicht nur Bürger leiden, auch Lieferketten könnten nachhaltig gestört werden, da eine kurzfristige Verlagerung des Transports von der Straße auf die Schiene unrealistisch sei, schrieb Wissing.
Seine Warnung weckt Erinnerungen an die sogenannten autofreien Sonntage während der Ölkrise: Nachdem arabische Staaten ihre Ölproduktion 1973 vor dem Hintergrund des Jom-Kippur-Kriegs verknappt hatten, wurden an vier Sonntagen Fahrverbote in der Bundesrepublik verhängt. (ftg/dpa)
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