Washington. Wieder mal beschäftigen Korruptionsvorwürfe Amerikas Oberste Richter – diesmal geht es um eine bezahlte Luxusreise zum Lachsfischen.
Für Ron DeSantis, den selbst ernannten Möchtegern-Trump-Drachentöter der Republikaner und Präsidentschaftskandidaten, verkörpern sie den „Gold-Standard” konservativer Juristerei: Clarence Thomas und Samuel Alito – zwei der neun Richterinnen und Richter am Supreme Court in Washington, zwei der ranghöchsten und einflussreichsten Streitschlichter der USA.
Für einen wachsenden Teil der Bevölkerung, das belegen Umfragen, sind die alten „Justices” dagegen einer der Gründe für den dramatisch geschrumpften Vertrauensverlust, den der „Supreme Court” in jüngster Zeit erlitten hat. Nur 35 Prozent der Amerikaner können sich mit dessen Entscheidungen zu Waffenbesitz, Abtreibung, Eingriffsrechten des Staates zu Klimaschutz, Wahlrecht oder gleichgeschlechtlichen Ehen anfreunden.
Thomas und Alito, beide von republikanischen Präsidenten ernannt, sind hier verlässlich auf der ideologischen Außenbahn ganz rechts zu finden. Das macht sie zu Hassfiguren der Linken wie der politischen Leben-und-leben-lassen-Mitte. Dort wird noch immer hilfslos beklagt, dass der Oberste Gerichtshof durch drei Neubesetzungen während der Präsidentschaft Donald Trumps eine stramm rechtskonservative 6:3-Schlagseite bekam.
Thomas lässt sich von windigem Milliardär aushalten
Umso größer war die Aufregung, als Thomas, der einzige Schwarze im Kollegium, auf den Radar der Investigativ-Journalisten von „ProPublica” geriet. Die hatte herausgefunden, dass sich der 75-Jährige seit vielen Jahren von einem merkwürdigen Texas-Milliardär Harlan Crow aushalten ließ, der regelmäßige strittige Angelegenheiten vor den Supreme Court brachte.
Crow bezahlte Thomas sechsstellige Luxus-Urlaubsreisen zu Land und zu Wasser. Er kaufte ihm Immobilien ab. Und er beglich die Schulgebühren für den Groß-Neffen von Thomas, der all das trotz Offenlegungs-Empfehlungen unter der Decke gehalten hat. Rücktrittsforderungen begegnet der aus ärmsten Verhältnissen stammende Afro-Amerikaner bis heute mit seinem liebsten Stilmittel: Schweigen und Aussitzen; er ist schließlich auf Lebenszeit ernannt.
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Und dann ist da Samuel Alito. Der 73-Jährige ist aus etwas anderem Holz geschnitzt. Er regt sich auf über die, die sich über ihn aufregen. Der seit 17 Jahren amtierende Richter setzte sich just an den Computer, um für das „Wall Street Journal” eine beispiellose Vorwärtsverteidigung zu schreiben – und zwar bevor „Pro Publica” mit einer ähnlich gelagerten Skandal-Geschichte über ihn an die Öffentlichkeit ging.
Alito ließ sich im Privatjet zum Lachsfischen bringen
Alito hatte sich vor langer Zeit vom umstrittenen Hedgefonds-Manager Paul Singer im Privatjet zum Lachsfischen und Champagnerschlürfen auf eine 1000-Dollar-die-Nacht-Nobel-Farm in Alaska fliegen lassen. Gegenwert: über 100.000 Dollar. Weder gab Alito die teure Reise bei der Veröffentlichung seiner finanziellen Verhältnisse an – noch erklärte er sich für befangen, als vorm Supreme Court mehrfach Themen verhandelt wurden, die direkt Singers wirtschaftliche Aktivitäten betrafen.
Dabei ging es unter anderem um die schwere Wirtschaftskrise Argentiniens zu Beginn der 2000er Jahre, aus der Singer mächtig Profit schlug. Das Oberste Gericht entschied damals zu seinen Gunsten. Alito, genau wie sein Kollege Clarence Thomas kaum von Selbstzweifeln angenagt, konterte in seiner Selbstverteidigungsschrift mit der Aussage, er habe nicht gewusst, dass sein Gönner diverse Male hinter Streitparteien steckte, die vor dem Obersten Gericht landeten. „Und ich hatte auch keine Veranlassung, das in Erwägung zu ziehen.”
Was den Angel-Trip anbelangt, verstieg sich der 73-Jährige zu der lapidaren Anmerkung, Singer habe ihm in seinem Flugzeug lediglich einen Platz angeboten, „der sonst leer geblieben wäre.” Das Bewusstsein dafür, dass diese Lückenfüllerei bei einer von einem reichen Geldgeber bezahlten Luxusreise per se im Konflikt steht mit der Rolle eines unabhängigen Obersten Richters, geht Alito ab.
Supreme Court in „selbstgemachter ethischer Krise”,
Dass er die staatliche Zuwendung intern hätte detailliert angeben sollen, bestreitet der frühere Rechtsanwalt mit familiären Wurzeln in der italienischen Basilicata – und hat damit nicht völlig unrecht. Die neun Top-Richter regulieren sich mehr oder weniger selbst. Niemand kontrolliert sie wirklich. Einen verbindlichen Kodex, was legitim ist und was anrüchig (und darum untersagt), fehlt. Geschweige denn ein klarer Katalog von Sanktionen für den Fall, dass jemand dagegen verstößt.
Daran will der Kongress beizeiten etwas ändern. Dick Durbin, Demokrat und Vorsitzender des einflussreichen Justiz-Ausschusses im Senat, sieht den Obersten Gerichtshof in einer „selbstgemachten ethischen Krise”. Diese müsse schleunigst überwunden werden, damit das Gericht nicht noch mehr Rückhalt in der Bevölkerung verliert. Dort denken inzwischen 80 Prozent der demokratischen Wähler, das die Richterinnen und Richter dem rechten Spektrum verpflichtete Ideologen seien.
Durbin will das Thema im Sommer auf die Tagesordnung setzen. Auch von republikanischer Seite rührt sich Kritik. Lindsey Graham, Senator aus South Carolina, sieht aber nicht das Parlament am Zug, sondern den Vorsitzenden Richter John Roberts. Ihm müsse abverlangt werden, einen Rahmen zu ziehen, ab wann höchstrichterliches Handeln unethisch wird. Roberts hat sich dem bisher widersetzt. Den Demokraten geht die Geduld aus. „Wenn ihr nichts tut”, so Senator Durbin an die Richter, „dann regeln wir das.“
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