Berlin. Der Reformbedarf ist nicht nur bei der Rente groß, auch bei den Pensionen herrscht Handlungsdruck. Da lohnt ein Blick zum Nachbarn.
Gerade erst wurde die nächste Rentenerhöhung im Juli groß angekündigt, das Plus soll mit gut 4,5 Prozent üppig ausfallen. Zudem will die Bundesregierung das Rentenniveau auf 48 Prozent festschreiben. An den Kapitalmärkten angelegte Milliarden sollen das System langfristig absichern. Doch kein Wort verliert die Ampelkoalition über einen anderen wichtigen Teil der Alterssicherung: die Pensionen. Dabei ist der Reformbedarf hier genauso groß wie bei der gesetzlichen Rente.
Immer wieder wird im Unterschied zwischen den beiden Alterssicherungssystemen ein Gerechtigkeitsproblem angeprangert. Es lässt sich leicht in Zahlen kleiden: Im Durchschnitt erhielten die rund 21 Millionen Altersrentner im Jahr 2022 monatlich 1048 Euro ausgezahlt. Männer standen mit einem Zahlbetrag von 1292 Euro deutlich besser da als Frauen mit 855 Euro. Die durchschnittliche Pensionszahlung für Beamte ist weitaus höher. Die fast 1,4 Millionen Pensionärinnen und Pensionäre des öffentlichen Dienstes erhielten 2023 im Durchschnitt 3240 Euro brutto. Das hat das Statistische Bundesamt ermittelt.
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Allerdings verringert sich der Unterschied deutlich beim Blick auf die Abzüge bei den Pensionären. Sie müssen sich privat krankenversichern und ihre Bezüge werden voll besteuert. Bei Rentnern werden derzeit erst 82,5 Prozent besteuert. Auch gibt es für Beamte keine zusätzliche betriebliche Altersvorsorge. Und auch die Beschäftigungsstruktur sorgt für vergleichsweise hohe Ruhestandsgehälter. So gehen in die Statistik der Durchschnittsrente auch all jene Erwerbsbiografien ein, die nur kurze Zeit dauerten oder gering entlohnt wurden. Dagegen dauert die Beamtenlaufbahn in der Regel über das gesamte Erwerbsleben mit einem ob guter Qualifikationen relativ hohen Vergütungsniveau an.
Öffentlicher Dienst kämpft auch mit alternder Gesellschaft
Der öffentliche Dienst steht landesweit vor demselben demografischen Problem wie die Länder. Immer mehr ältere Bedienstete scheiden aus. Bund und Länder müssen ihre Versorgung finanzieren. Da haben sich gewaltige finanzielle Lasten angesammelt. „Die neuen Länder waren bisher disziplinierter und haben Rücklagen aufgebaut“, erläutert der Ökonom Martin Beznoska vom Institut der Deutschen Wirtschaft (IW). „In den alten Ländern gibt es aktuell schon hohe Lasten“.
Es sind gewaltige Summen, die Bund, Länder und Kommunen an Pensionszusagen geleistet haben. Im Jahr 2019 entfielen auf den Bund allein 809 Milliarden Euro und auf die Länder 1,2 Billionen Euro. Die Spitzenlasten haben Berlin und Hamburg angehäuft. Pro Einwohner sind es je 20.000 Euro. In den ostdeutschen Ländern waren es maximal 10.000 Euro. „Es ist aktuell ein Problem in den Länderhaushalten und es wird noch schlimmer werden“, sagt Beznoska.
Aktuellen Aufschluss darüber wird der nächste Versorgungsbericht des Bundes liefern, der im kommenden Frühjahr veröffentlicht wird. Ganz so pessimistisch ist Johannes Geyer vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) nicht. „Der größte Alterungsschub ist bei den Beamten bereits geschehen“, erläutert der Ökonom. Ab Mitte der 2030er-Jahre falle die Zahl der Versorgungsempfänger, die erst in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts wieder ansteige.
Renten-Experte: Reform „nicht sehr wahrscheinlich“
Im Nachbarland Österreich besteht die Kluft zwischen Beamten und Rentnern nicht mehr in gleichem Maße. Dort wurden die Beamten praktisch in das allgemeine Rentensystem integriert. Es gibt eine Art Bürgerversicherung, in die alle einzahlen müssen. Und die Höhe der Pensionen im Nachbarland richtet sich nach dem Verdienst über das gesamte Erwerbsleben. In Deutschland erhalten Beamte später bis zu 71,5 Prozent der Vergütung der letzten beiden Arbeitsjahre. Allein aus dieser Festlegung resultiert ein Teil der vergleichsweise hohen Ruhestandsgelder der Beamten in Deutschland.
Unter anderem dieser Umstand ermöglicht Österreich auch deutlich höhere Zahlungen an die gesetzlich versicherten Rentner. Im Durchschnitt erhalten sie im Alpenland rund 500 Euro mehr im Monat als Ruheständler hierzulande, zudem gibt es 14 Rentenzahlungen im Jahr. Das System ist allerdings viel teurer als hierzulande. So liegt der Beitragssatz zur Rentenversicherung bei 22,8 Prozent des Bruttolohnes im Vergleich zu 18,6 Prozent in Deutschland. Auch ist der Steuerzuschuss höher als hierzulande.
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Beznoska sieht Ansatzpunkte für eine Reform der Beamtenpensionen. Denn ohne Einschnitte werde die finanzielle Last der öffentlichen Hand in den kommenden Jahren deutlich ansteigen. „Es gibt dieselben Möglichkeiten wie bei der gesetzlichen Rente“, sagt Beznoska. So könnten die Parameter für die Berechnung des Ruhegehalts geändert, das Pensionsalter sowie die Abschläge für einen vorzeitigen Eintritt in den Ruhestand erhöht werden.
Doch alle Reformvorschläge zur Verringerung der Ausgaben haben einen Haken. „Bei den bestehenden Ansprüchen sehe ich wenig Spielraum“, sagt Geyer. Kurzfristig wären damit sogar höhere Ausgaben verbunden, wenn etwa die Länder wie in Österreich Sozialbeiträge für ihre Bediensteten entrichten müssten. „Deswegen ist so eine Reform nicht sehr wahrscheinlich.“