Kiew. Das PC-Spiel „Death From Above“ simuliert den Kampf als Drohnenpilot. Die Verkaufserlöse werden gespendet. Trotzdem gibt es Kritik.
Als ukrainischer Drohnenpilot auf besetztem Gebiet operieren, hinter feindlichen Linien agieren und russische Panzer zerstören – das geht auch von einem bequemen Sessel in Deutschland aus: Das Computerspiel „Death From Above“, zu deutsch „Tod von oben“, gibt es zwar schon seit Mitte 2023 im exklusiven Early Access auf der Plattform Steam, doch die erste Vollversion wurde erst zum zweiten Jahrestag des Ukraine-Krieges zugänglich. Nicht nur in der Ukraine sorgt es für heftige Diskussionen. Darf man den Krieg „nachspielen“ angesichts des täglichen Horrors, der sich in der Ukraine abspielt?
Ursprünglich wollte das kleine finnische Kollektiv Rockodile nur ein kleines Spaßspiel über Frachtdrohnen entwickeln. Doch auf einer Gaming-Konferenz trafen sie auf ukrainische Kollegen – und so entstand die Idee, stattdessen ein Spiel über eine ukrainische Drohne zu produzieren, die russische Besatzer vernichtet. Das Ergebnis heißt „Death From Above“, und es hat gleich zwei Verbindungen nach Deutschland. Nicht nur lebt einer der Entwickler, Oleksandr Wolodarskyj, seit 20 Jahren im Land. Das Spiel wurde zudem von „Lesser Evil“, einem der Gaming-Labels des gebürtigen Münchners Hendrik Lesser herausgegeben.
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Lesser führt ein international tätiges Unternehmen für Unterhaltungssoftware namens Remote Control Productions mit mehr als 450 Mitarbeitern – und er ist Miglied der Nafo, der sogenannten North Atlantic Fella Organization, einer nach dem russischen Überfall entstandenen Online-Community, die sich die Bekämpfung der russischen Desinformation in sozialen Netzwerken verschrieben hat und Spenden für die ukrainische Armee sammelt.
Entwickler: Drohnenfliegen zu lernen, ermöglicht das Spiel nicht
Und so überrascht es wenig, dass 30 Prozent der Einnahmen aus dem Spielverkauf an die ukrainische Stiftung Come Back Alive gehen sowie an ähnliche Organisationen, die nicht in Waffenkäufe involviert sind. Auch bei den Drohnen, die für das gesammelte Geld eingekauft werden, handelt es sich ausschließlich um Aufklärungsdrohnen. Geplant ist, die Spenden auf bis zu 70 Prozent der Einnahmen zu erhöhen, wenn die Produktionskosten abgedeckt sind. Bereits während der Early-Access-Phase wurden jedoch mehr als 10.000 Euro an ukrainische Stiftungen überwiesen.
Obwohl das Spiel in der Ukraine mit großem Interesse wahrgenommen wurde, sitzt das Zielpublikum eher im Ausland. Dort soll „Death From Above“ nicht zuletzt die Spendenbereitschaft für die Ukraine erhöhen. Kritik, wonach das Spiel eine Anleitung zur Bedienung von Drohnen sei, weist Wolodarskyj zurück. Zwar hätten Fachleute der Organisation Aeroroswidka („Aeroaufklärung“), die auch die ukrainischen Drohnen produziert, die Spielentwickler beraten. Dennoch sei es unmöglich, das reale Drohnenfliegen durch das Spiel zu erlernen. Im Vergleich zur Realität sei die Bedienung stark vereinfacht.
Die Handlung in „Death From Above“ spielt im fiktiven Dorf Nenazk, das von der russsichen Armee besetzt ist. Laut Wolodarskyj hat sich das Team bewusst dazu entschieden, keine realen Ortsnamen zu nutzen, um schmerzhafte Assoziationen für ukrainische Gamer zu vermeiden. Spieler haben die Möglichkeit, unter vielen verschiedenen Designs für die Drohne zu wählen, zu denen sowohl das ukrainische Staatswappen als auch das Emblem der Nafo gehören, das als Maskottchen einen japanischen Shiba-Inu-Hund hat. Nach kurzem Training gilt es dann, die russischen Stellungen anzufliegen.
Spieler können in „Death From Above“ über die Moskwa fliegen
Die Drohne trägt zwei unterschiedliche Sprengstoffarten – einerseits für russische Infanterie, andererseits für Militärausrüstung. Ein zusätzlicher Gag in „Death From Above“: Die Spieler können nebenbei auch noch nach den von russischen Soldaten gestohlenen Waschmaschinen suchen – eine Anspielung auf Berichte aus dem Oktober 2022, wonach die Besatzer wegen der westlichen Sanktionen in der Ukraine Hunderte Waschmaschinen plünderten. Im Spiel können Gamer die „heiße Ware“ in die Häuser ihrer ursprünglichen Besitzer zurückbringen.
Ohnehin gibt es im Spiel eine Menge sogenannter Easter Eggs, die auf verschiedene Kriegsereignisse hinweisen. So ist es möglich, über das durch die Ukrainer versenkte Flagschiff der russischen Schwarzmeerflotte, den Kreuzer Moskwa, zu fliegen oder auf die angeblichen Doppelgänger von Wladimir Putin zu treffen, über die in den sozialen Medien regelmäßig gescherzt wird. Die bekannte ukrainische Rockband Antityla („Antikörper“) hat den passenden Song für „Death From Above“ aufgezeichnet. Es ist das wohl erste Computerspiel weltweit, das auch in krimtatarischer Sprache angeboten wird.
Trotzdem hat die Idee, virtuell Todesdrohnen auf russische Soldaten loszulassen, nicht nur Freunde. Denn natürlich ist das Spiel keine rein fiktive Kriegssimulation, sondern spiegelt einen realen Konflikt wider. In einem Interview mit dem „Spiegel“ verteidigte sich Lesser bereits zu Beginn der Early-Access-Phase. „Alle anderen Medien wie Filme, Bücher und Musik setzen sich mit zeitgenössischen Themen auseinander. Warum nicht auch wir Spielemacher?“, fragte er. Der Ukraine-Krieg passiere jetzt. Man müsse spenden, bevor der Krieg im schlimmsten Fall verloren sei.
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