Berlin. Nach der Devise „schnell und schmutzig“ tüfteln drei Nerds an einer Drohne. Lesen Sie, wer bei ihnen seine Visitenkarten hinterlegte.
Ian Laffey schaute in seinen Mail-Account. Da waren sie schon: die Nachrichten aus der Ukraine. Nennen wir sie Visitenkarten – von einigen „Drei-Buchstaben-Agenturen“, wie der Softwareentwickler spöttisch verrät.
Dies ist eine Geschichte über – ja, über wen eigentlich? Drei Nerds, drei Studenten, drei Tüftler, drei Jungunternehmer, die nicht nur die Ukraine auf sich aufmerksam gemacht haben, sondern auch die US-Luftfahrtindustrie, die Fachszene um die „Aviation Week“, Militärs wie Geheimdienste.
Drei Nerds gründen eine Firma
Schauen Sie sich den Tweet auf X an, der viral ging: Sacha Levy, Carl Schoeller und – ganz rechts auf dem Foto: der Mann im T-Shirt mit der Aufschrift „Stressed Out“ – Ian Laffey, alle drei erst Anfang 20. Schoeller hält etwas in den Händen, das wie ein Flugzeugmodell aussieht, aber doch nichts für die Vitrine ist.
Es ist eine Drohne. Sie soll weniger als 500 Dollar kosten, ohne GPS-Signal fliegen, in fünf Stunden vom 3D-Drucker geformt und – inklusive Elektronik von der Stange – binnen zwei Stunden zusammengebaut worden sein. „Schnell und schmutzig.“ Und billig.
Eine Drohne gegen Putin?
Man versteht gleich, warum sich die Ukrainer gemeldet haben. Denn erstens spielen Drohnen im Ukraine-Krieg eine entscheidende Rolle. Der Ausgang der „militärischen Spezialoperation“ von Kremlchef Wladimir Putin hängt zweitens gerade davon ab, wie intelligent die eigentlich unterlegene Ukraine Waffen einsetzt wird: wie effizient, wie einfach, wie günstig.
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Je billiger eine Drohne ist, desto mehr dieser Flugobjekte kann man einsetzen und auch desto risikoreicher. Denn der Verlust hält sich in Grenzen.
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Noch fesselnder ist für Fachleute das Navigationssystem: Die Kamera auf der Drohne vergleicht die an ihre vorbeirauschende Landschaft mit gespeicherten Satellitenaufnahmen, etwa einer Offline-Karte von Google Maps.
Das Team behauptet, dass die kleine Drohne Kurs und Standort ohne eine riesige Datenbank – dank Künstlicher Intelligenz? – überprüfen kann. Im Simulator hat die Erfindung funktioniert. Der Erstflug ist freilich etwas anderes und steht erst in wenigen Wochen an.
In 24 Stunden entwickelt?
Plausibel ist das Konzept, weil es schon Raketen gibt, die nach diesem Prinzip geleitet werden. Nur haben die Tüftler gezeigt, dass sie es für eine Drohne anpassen können – und das für ein Taschengeld.
Für die Entwicklung war weder ein großes Team noch viel Zeit nötig. Sie haben die Drohne Mitte Februar beim 24-stündigen „Defense Tech Hackathon“ im kalifornischen El Segundo entwickelt. Hackathon ist ein Wortspiel aus „Hack“ und „Marathon“ und ein Event an der Santa Monica Bay, auf dem sich Nerds ausprobieren, in kürzester Zeit Soft- und Hardware im Bereich der Militärtechnik zu entwickeln.
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Levy ist Doktorand in Informatik an der Yale University. Schoeller studiert Maschinenbau an der Stanford University. Nach dem „Hackathon“ haben sie und Ian Laffey schnell ein Unternehmen gegründet, um die Technologie weiter zu testen und zu kommerzialisieren.
Die Firma heißt Theseus, und vielleicht wird man schon bald über das Trio eine sehr kalifornische Geschichte schreiben: vom Nerd zum Millionär. Laut Fortune Business Insights wird der Markt für militärische Drohnen von 13,3 Milliarden Euro auf 33,4 Milliarden Euro im Jahr 2030 wachsen. Potenzial hat die Geschäftsidee.
Auch Russen tüfteln an der GPS-freien Drohne
Gut möglich, dass die Ukraine die Tüftelei auf dem Schlachtfeld testen wird. Die Abhängigkeit von Signalen zur Positionsbestimmung, Navigation und Zielerfassung ist ein Problem – auch weil die Navigation anfällig für Störungen durch einen sogenannten GPS-Jammer ist. Die Nerds bieten eine Lösung an.
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Auch die Russen tüfteln wohl an einer GPS-freien Drohne. Die Ukrainer wollen zuletzt ein russisches Fluggerät abgefangen haben, an der ein kilometerlanges, extrem dünnes Glasfaserkabel angeschlossen war. Manche schütteln darüber ungläubig den Kopf. Aber dieses Prinzip ist für die Rüstungsindustrie nicht neu. So funktioniert auch die amerikanische Panzerabwehrwaffe BGM-71 TOW.
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Bei der Drohne überwiegen die Nachteile. Schließlich kann ihr Kabel an Bäumen hängen bleiben. Den Nachteil hätte die Drohne der drei kalifornischen Boys nicht, sie ist aber gleichermaßen autark von GPS-Signalen und nicht anfällig für Störsender. Es ist unbekannt, ob das Trio von den Testversuchen der Russen wusste.
Dafür ahnt man derweil, warum die Tüftler ihrer Firma den Namen Theseus gegeben haben könnten. Das war der König von Athen, der in der griechischen Mythologie den Minotaurus besiegt hat. Er wagte sich in ein Labyrinth, tötete den Minotaurus – ein Wesen mit menschlichem Körper und Stierkopf – und fand wieder heraus, weil eine Prinzessin ihm einen Faden mitgegeben hatte, den er am Eingang befestigt hatte. Auch ein Navigationssystem.
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