Berlin. Der Bundeskanzler will den Taurus – Stand jetzt – nicht an die Ukraine liefern. Ein Schritt im Hintergrund schafft aber neue Optionen.
Nein heißt nein, sagt der Bundeskanzler. Aber bleibt es auch dabei? Bisher ist Olaf Scholz (SPD) in der Debatte um eine Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine keinen Zentimeter von seiner bisherigen Linie abgerückt. Einen Funken Hoffnung gibt es aber nun dennoch für die Ukraine.
Wie die Zeitung „Die Welt“ berichtet, sollen nun alle Taurus im Bestand der Bundeswehr auf Geheiß von Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) zumindest einsatzbereit gemacht werden. Darüber sei der Verteidigungsausschuss des Bundestags am Dienstag in einer Sondersitzung unterrichtet worden.
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Sollten die deutschen Taurus flottgemacht werden, würde das perspektivisch den politischen Handlungsspielraum erweitern. Deals wie ein Ringtausch mit Großbritannien wären einfacher zu stemmen.
Taurus-Marschflugkörper sollen einsatzbereit sein – das schafft Optionen
Denn: Deutschland ist mit dem Taurus zwar im Besitz einer einzigartigen Waffe, doch nur rund die Hälfte der geschätzt 600 Marschflugkörper soll nach jetzigem Stand im Ernstfall einsatzbereit sein, berichtet die Zeitung weiter. Bei der anderen Hälfte fehle die Zertifizierung. Bestätigen lässt sich die Zahl nicht. Offiziell macht das Verteidigungsministerium dazu keine Angaben. Andere Schätzungen gehen sogar von gerade einmal 150 aktuell funktionstüchtigen Taurus-Systemen aus.
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Einen Hinweis auf die Größenordnung liefert auch der Abhörskandal um Luftwaffen-Chef Ingo Gerhartz und weitere Bundeswehr-Offiziere. Das Gespräch hatte ans Licht gebracht, dass die hochrangigen Militärs – rein theoretisch – eine Lieferung von maximal 100 Taurus-Marschflugkörpern für möglich hielten. Dann sei „Ende Gelände“.
Auftrag zur Instandsetzung soll demnächst ausgeschrieben werden
Wie es dazu kommen konnte? Für Systeme wie die Taurus gelten bestimmte Wartungszyklen. Die Marschflugkörper müssen demnach regelmäßig überprüft oder sogar generalüberholt werden. Bevor Russlands Präsident Wladimir Putin den Angriffskrieg auf die Ukraine befahl, war es offensichtlich nicht als dringend erforderlich erachtet worden, alle Bestände einsatzbereit zu halten.
Das soll sich jetzt ändern – aber es wird Zeit brauchen. Der Auftrag zur Instandsetzung solle demnächst vom zuständigen Bundesamt ausgeschrieben werden, berichtet die „Welt“ weiter. Der Hersteller der Taurus müsste dann ein Angebot abgeben und der Bundestag die Finanzierung absegnen.
Putin spottet über „mangelhaften Zustand“ von Bundeswehr-Ausrüstung
Auch Russland wird genau beobachten, wie Deutschland mit seinen Taurus-Systemen umgeht. Das räumte Putin in einem Interview selbst ein. „Wir werden sehen, worauf sie sich einigen werden, wir verfolgen das sehr genau“, sagte der Kreml-Chef in einem am Mittwoch im Staatsfernsehen ausgestrahlten Interview mit Blick auf die deutsche Debatte. Und schob Spott hinterher. Sowohl ausländische als auch deutsche Fernsehkanäle zeigten bei der Bundeswehr immer wieder, „wie viel von deren Ausrüstungen in einem mangelhaften Zustand ist, wie viel verbessert, modernisiert werden muss und so weiter“.
Insgesamt würden die an Kiew gelieferten ausländischen Raketen „nichts an der Situation auf dem Schlachtfeld“ ändern, sagte Putin weiter. „Ja, sie schaden uns, natürlich. Das ist klar. Aber im Grunde genommen ändert es nichts am Verlauf der Kampfhandlungen und an den Folgen, die sich für die Gegenseite zwangsläufig ergeben.“
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