Jerusalem. Die Menschen in Gaza haben kein sauberes Wasser und kein Essen. Die USA wollen sie jetzt mit Hilfslieferungen aus der Luft versorgen.
Die Situation im Gazastreifen wird immer dramatischer. Jetzt wollen die USA die Zivilbevölkerung mit Hilfslieferungen aus der Luft versorgen, wie US-Präsident Joe Biden ankündigte.
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Zuletzt hatte eine Massenpanik ein Schlaglicht auf die angespannte Lage im Gazastreifen geworfen. Dass sich Tausende Menschen mitten in der Nacht anstellen, um für ihre Familie einen Sack Mehl oder Reis zu ergattern, zeigt, wie verzweifelt die Zivilisten in dem seit fast fünf Monaten von Krieg und Blockade gezeichneten Gazastreifen sind.
Israelische Soldaten sollen in eine Menschenmenge hungernder Zivilisten geschossen haben, als sie auf einen Hilfskonvoi warteten. Israels Armee bestreitet das: Die Tausenden Menschen, die um 4 Uhr morgens auf Nahrungsmittel warteten, seien in eine Massenpanik geraten. Dabei seien Dutzende Menschen ums Leben gekommen. Palästinenser sprechen von einem „Massaker“.
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Israel: Armee befürchtet, dass Terrorgruppen die Hilfsgüter nutzen könnten
Schon in Friedenszeiten sind mehr als 70 Prozent der Menschen im Gazastreifen von humanitärer Hilfe abhängig, sie beziehen Grundnahrungsmittel von Hilfsprogrammen der Vereinten Nationen. Im Krieg stieg dieser Anteil rasant an: Geschäfte sind nun überwiegend geschlossen, weil kaum Güter eingeführt werden dürfen. Bauern wurden von ihren Feldern vertrieben, Unternehmer harren in den Massenfluchtzentren im Süden aus und haben kein Einkommen.
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Alle warten daher verzweifelt auf die Lastwagen mit Hilfslieferungen, die über zwei Punkte im Süden in den Gazastreifen kommen. Bis die Hilfskonvois einreisen können, durchlaufen sie lange und akribische Kontrollen durch die israelische Armee. Viele dringend benötigte Güter bewilligt die israelische Armee nicht, weil befürchtet wird, dass Terrorgruppen sie militärisch nutzen könnten.
Gazastreifen: Immer wieder werden Hilfskonvois aus der Luft beschossen
Dazu gehören aber auch Chemikalien und Ersatzteile für die Entsalzungsanlagen, die dafür sorgen, dass die Menschen Trinkwasser bekommen. Da diese Anlagen laut UN-Angaben zu 85 Prozent stillgelegt sind, trinken die Menschen verunreinigtes Nutzwasser oder Meerwasser. Zugleich kann Abwasser nicht abgepumpt werden, weil Treibstoff für die Stromgeneratoren fehlt. Die Folge: Seuchen breiten sich rasant aus. Die Weltgesundheitsorganisation spricht von einer rasanten Zunahme an Hepatitis-A-Infektionen.
Das Essen reicht schon seit Monaten bei Weitem nicht aus, kritisieren Hilfsorganisationen. Das liegt nicht nur an der Blockade durch Israel. Zu Recht weist Israel darauf hin, dass mehr Hilfsladungen nach Gaza kommen könnten, sie bleiben aber oft an der Grenze hängen. Anders als von Israel behauptet, liegt das aber nicht an der Untätigkeit der UN-Hilfsagenturen, sondern daran, dass die Auslieferung der Nahrungsmittel und Medikamente wegen der Kämpfe oft nicht möglich ist.
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Immer wieder kam es vor, dass Hilfskonvois aus der Luft beschossen wurden, sagt Jamie McGoldrick, humanitärer Einsatzleiter für die Vereinten Nationen. Polizisten weigerten sich danach, die Konvois zu begleiten. Das wiederum rief kriminelle Banden auf den Plan, die die Hilfskonvois überfielen, Lebensmittel raubten und auf dem Schwarzmarkt teuer verkauften.
Im Norden des Gazastreifens ist die Lage besonders kritisch. Die Bewohner dort berichten der Menschenrechtsorganisation Gisha, dass sie ihren Kindern seit Wochen Tierfutter verabreichen, weil es an Nahrungsmitteln fehlt. Rund 300.000 Menschen harren in diesen Gebieten laut UN-Angaben aus. Da die Straßennetze durch die Bombardierungen nicht intakt sind, ist es den Hilfsorganisationen oft nicht möglich, die Bedürftigen zu erreichen.
Gazastreifen: Frauen sind von der Lage doppelt betroffen
Junge, kräftige Männer könnten kilometerweit laufen, um einen Sack Mehl abzuholen, sagt McGoldrick. Für ältere, kranke oder schwächere Menschen sei es wichtig, dass die Hilfe vor Ort verteilt wird. Das sei wegen der zunehmenden Bandenkriminalität aber immer schwieriger. „Wir sind schon froh, wenn wir unsere Waren von Rafah aus in die Lagerhallen bringen können.“ Oft werden die Lastwagen schon 100 Meter nach der Grenze überfallen.
UN-Agenturen verhandeln daher seit Wochen mit Israel, dass ein weiterer Grenzübergang im Norden geöffnet wird, um den kriminellen Banden im Süden das Handwerk zu legen. Bisher jedoch ohne Erfolg. „Wenn wir nicht den ganzen Weg vom Süden in den Norden bewältigen müssten, würde das die Lage sehr entspannen“, sagt McGoldrick.
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Frauen sind von der Lage doppelt betroffen. Sie leiden nicht nur wie alle anderen an Hunger und Durst, fehlender medizinischer Versorgung und Seuchen. Es gibt auch de facto keinen Zugang zur Monatshygiene. Menstruierende Frauen greifen laut Gisha oft zu Stofflappen, die sie aber nicht waschen können. Die Folge sind Infektionskrankheiten mit Fieber, die wiederum nicht behandelt werden, weil Krankenhäuser und Kliniken aus allen Nähten platzen. Schwangere und stillende Frauen sind dehydriert, das gefährdet das Leben ihrer Babys. Zudem fehlt es an Windeln, Hygienematerial und sauberer Kleidung für Säuglinge.
Laut der Weltgesundheitsorganisation gibt es derzeit rund 50.000 Schwangere in Gaza und jeden Tag mehr als 180 Geburten. Niemand weiß, welche Langzeitschäden die Neugeborenen aufgrund der humanitären Katastrophe davontragen.
UN-Beauftragter McGoldrick schlägt vor, „den Gazastreifen mit den benötigten Gütern zu schwemmen“. Das würde nicht nur die humanitäre Lage entspannen. Es würde auch den kriminellen Banden einen Strich durch die Rechnung machen: Wenn sie am Schwarzmarkt nicht mehr Unsummen für Güter des täglichen Bedarfs wie Reis oder Öl verlangen könnten, dann fehle ihnen der Anreiz für ihr zynisches Geschäft. Dies käme vor allem den Ärmsten zugute.