Washington. Der US-Präsident ordnet Attacken in Irak, Syrien und gegen die Huthis an. Warum er aber die direkte Konfrontation mit Teheran scheut.
Am Tag seines ersten Vorwahlsieges auf dem Weg zur Präsidentschaftskandidatur war South Carolina für Joe Biden schon nach wenigen Stunden nur noch ein Randgedanke.
Obwohl der 81-Jährige bei geringer Wahlbeteiligung mit über 95 Prozent der Stimmen ein Resultat im Honecker-Maßstab hinlegte und mit Zuversicht auf die Vorwahlen in Nevada am Dienstag blicken kann, beanspruchte ein weit entfernt liegender Schauplatz die ganze Aufmerksamkeit des US-Präsidenten: der Nahe Osten. Speziell: der Iran. Ganz speziell die Frage, wie die Mullah-Regierung in Teheran auf die jüngsten Eskalationen reagieren wird. Davon kann der Ausgang der Wahl am 5. November abhängen –und damit Bidens Zukunft.
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Nach dem tödlichen Drohnen-Angriff von Milizen, die vom Iran unterstützt werden, auf die US-Basis Tower 22 in Jordanien vor einer Woche, als drei US-Soldaten starben, hatte Biden Vergeltungsanschläge angeordnet. Bei Angriffen im Irak und in Syrien wurden nun 85 Ziele beschossen, darunter auch Einrichtungen der Al-Kuds-Brigaden der iranischen Revolutionsgarden. Nach Angaben aus der Region starben dabei rund 40 Menschen. Biden widersetzte sich bei der laut Pentagon „fein kalibrierten Aktion“, die Stärke und Wehrhaftigkeit dokumentieren sollte, dem Ruf der Republikaner, massiv und direkt gegen den Iran vorzugehen.
US-Präsident Biden sorgt sich vor einer Kettenreaktion
Seine Sorge: eine direkte kriegerische Konfrontation mit Teheran, die fatale Kettenreaktionen im Nahen Osten auslösen könnte. Um die Risiken zu verringern, gab das US-Verteidigungsministerium dem Iran mehrere Tage Zeit, um vor den Angriffen wichtiges Personal abzuziehen. Auch wurden Top-Kommandeure und Waffenlager der Revolutionsgarden bei der Bombardierung durch zwei vom texanischen Luftwaffen-Stützpunkt Dyess gestartete B-1B-Kampfbomber ausgespart.
In einem zweiten Schritt ließ der US-Präsident in der Nacht zum Sonntag im Jemen an 13 Orten 36 Ziele der ebenfalls vom Iran alimentierten Huthi-Milizen angreifen, die seit Wochen ihre Gegnerschaft zu Israels Krieg in Gaza mit Attacken auf global wichtige Seeschifffahrts-Wege im Roten Meer dokumentieren.
An der Aktion, bei der unter anderem laut Pentagon sechs startbereite Anti-Schiffsraketen zerstört wurden, war auch die britische Luftwaffe beteiligt. Ob der Einsatz mittelfristig Wirkung zeigt und Ruhe auf den internationalen Handelswegen im Meer einzieht, bleibt abzuwarten. Die Huthi-Rebellen kündigten weitere Angriffe an, solange der Krieg in Gaza nicht gestoppt wird.
Iran reagiert zurückhaltend – im Gegensatz zu vor vier Jahen
In beiden Fällen reagiert der Iran bisher zurückhaltend. Außenminister Hossein Amir-Abdollahian bescheinigte den USA zwar „abenteuerliche Fehler“. Eine Eskalation wurde jedoch nicht angedroht. Anders als nach der im Januar 2020 unter dem damaligen Präsidenten Donald Trump angeordneten Tötung von General Ghassem Soleimani, dem früheren Kommandeur der Auslandseinheiten der Revolutionswächter.
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In Washington erklärt man sich das mit Distanzierungsversuchen. „Teheran trennt scharf zwischen sich und seinen Proxies”, erklärte ein Nahost-Experte im Außenministerium. Damit sind die vielen radikal-islamistischen Gruppierungen gemeint, die im Auftrag der Mullahs weltweit durch Terror-Aktionen Unruhe stiften.
Nach dem tödlichen Drohnen-Angriff auf „Tower 22“, die US-Basis in Jordanien, reisten iranische Funktionäre eigens zu den verantwortlichen Milizionären der „Kataib Hisbollah“ in den Irak. Laut US-Geheimdiensten haben sie dort Zurückhaltung angeordnet. Ob diese auch im Fall der entschieden besser (durch Teheran) hochgerüsteten Hisbollah im Libanon funktionieren würde, ist nicht ausgemacht. Sollte die Terror-Gruppe Israel massiv angreifen, sagten Experten in Washingtons Denkfabriken, „könnte ein Flächenbrand entstehen“. Dies würde eine Antwort der USA erfordern und die Dynamik im US-Wahljahr radikal verändern.
Biden will ein Ende der Kampfhandlungen herbeiführen
Aus diesem Grund arbeiten Biden und sein engster Beraterstab an der Lösung des aktuell größten Brandherds im Nahost-Konflikt: der Krieg Israels in Gaza. Biden will ein Ende der Kampfhandlungen herbeiführen. Weite Teile seiner Partei und der amerikanischen Öffentlichkeit fordern das. Dies gehe nur, sagen Regierungsmitarbeiter, wenn rund 140 israelischen Geiseln, die sich seit 7. Oktober in der Gewalt der Hamas befinden, zeitnah freigelassen werden.
Daran arbeitet federführend CIA-Chef William Burns. Ein mit Ägypten und Katar und den Spitzen der israelischen Geheimdienste konzipiertes Modell sieht vor, dass in einem ersten Schritt 40 Geiseln der Hamas freikommen. Umgekehrt sollen bis zu 300 in Israel inhaftierte Palästinenser entlassen werden. Dafür sind 35 Tage vorgesehen, in denen sich beide Seite zu einem Waffenstillstand verpflichten. Kann man darauf aufbauen, soll die Waffenruhe verstetigt werden. Am Ende steht das Ziel, den Palästinensern in Gaza eine neue Zweit-Staaten-Perspektive zu bieten. Israel soll dazu gewonnen werden, indem die Großmacht Saudi-Arabien in eine Normalisierung der gegenseitigen Beziehungen einwilligt.
Ob es dazu kommt, erscheint heute fraglich. Die Hamas erklärte am Sonntag, sie benötige mehr Zeit, um das Geisel-Abkommen abschließend zu bewerten und forderte erneut als Voraussetzung für die Realisierung eine Waffenrufe. Unterdessen setzt Israel seinen Bodeneinsatz gegen die Hamas fort. Nächstes Ziel: Rafah. In der Stadt halten über 1,3 Millionen palästinensische Flüchtlinge auf. Hilfsorganisationen befürchten erhebliche Konsequenzen für die Zivilbevölkerung.
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