San Francisco/Berlin. Steht ein Mitarbeiter der AfD-Bundestagsfraktion im Austausch mit dem FSB? Das legen Medienberichte nahe. Es geht um Waffenlieferungen.

Ein Mitarbeiter des AfD-Bundestagsabgeordneten Eugen Schmidt soll laut Medienberichten Kontakte zum russischen Geheimdienst FSB unterhalten. Wie der „Spiegel“ und die Investigativplattform „The Insider“ berichten, handelt es sich dabei um den prorussischen Aktivisten Wladimir Sergijenko. Er soll den Recherchen zufolge in Kontakt gestanden haben mit einem Oberst des FSB, Ilja Wetschtomow.

Wie „The Insider“ schreibt, sei Wetschtomow anhand von Telefonverbindungsdaten identifiziert worden. Diese zeigten gleichzeitig, dass der Oberst in regem Austausch mit Dutzenden anderen FSB-Agenten stehe, darunter der Abteilungsleiter der neunten Division des „Fünften Dienstes“ beim russischen FSB. Der „Fünfte Dienst“ ist der Auslandsgeheimdienst des FSB, betraut mit der politischen Destabilisierung ausländischer Staaten; die neunte Division sammelt Geheimdienstinformationen über die Ukraine.

AfD-Mitarbeiter Sergijenko soll versucht haben, Panzerlieferungen zu behindern

Den Berichten zufolge soll sich Sergijenko bereits im Frühjahr 2023 mit einer russischen Kontaktperson über die Möglichkeit ausgetauscht haben, deutsche Panzerlieferungen an die Ukraine zu verzögern oder ganz zu stoppen. Das geht aus Chatnachrichten hervor, die dem „Spiegel“ und „The Insider“ zugespielt worden waren. Sergijenko hatte sich nach der Veröffentlichung der Nachrichten in den beiden Medien öffentlich darüber beschwert, seine Chats seien gehackt worden.

Demnach soll Sergijenko vorgehabt haben, zusammen mit Abgeordneten der AfD eine Klage gegen die Lieferungen vorzubereiten, und dafür auch um finanzielle Unterstützung gefragt haben. Ziel der Klage: „Die Arbeit der Bundesregierung wird erschwert.“ Bei der Kontaktperson soll es sich um Oberst Wetschtomow handeln, darauf ließen Erkenntnisse europäischer Sicherheitsbehörden schließen.

AfD klagt in Karlsruhe

Tatsächlich hat die AfD am 4. Juli 2023 eine Organklage beim Bundesverfassungsgericht eingereicht. Darin klagt die Partei, die Bundesregierung habe ohne Beteiligung des Bundestages kein Kriegsgerät an die Ukraine liefern dürfen. Die AfD bestreitet einen Zusammenhang zwischen ihrer Klage und dem Vorhaben Wladimir Sergijenkos. Die Kosten für die Klage habe die Fraktion getragen.

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Sein Arbeitgeber, der Abgeordnete Schmidt, erklärte damals, er wisse nichts über Sergijenkos Russland-Kontakte. Das Verfahren ist noch nicht abgeschlossen, die Klage hätte die Waffenlieferungen auch nicht verzögern können, teilte der Prozessbevollmächtigte der AfD mit. Es gehe darum festzustellen, ob die Rechte des Parlaments verletzt worden seien. Alles nur Zufall also? Oder steht Sergijenko – und damit die AfD – unter dem Einfluss des FSB?

Sergijenko: „Anschuldigungen frei erfunden“

Sergijenko weist solche Vorwürfe zurück. „Die Anschuldigungen, ich sei ein Einflussagent Moskaus, sind haltlos und entsprechen in keiner Weise der Realität.“ Die genannten Verbindungen nach Russland seien frei erfunden, „und die behauptete Kontaktperson Ilja Wetschtomow existiert für mich nicht“.

Der AfD-Bundestagsabgeordnete Schmidt, der Deutschland in russischen Medien schon als Land dargestellt hat, das Andersdenkende verfolge, teilte mit, es handle sich um „substanzlose Unterstellungen“ gegen seinen Mitarbeiter, auf die er nicht eingehen werde. Oberst Wetschtomow hat Anfragen des „Spiegels“ und von „The Insider“ bislang nicht beantwortet.

So oder so: Dass ein Mitarbeiter der AfD-Fraktion mutmaßlich Kontakt zu russischen Diensten unterhält, ist bedenklich. Über seinen Hausausweis hatte Sergijenko Zutritt zum Bundestag und damit die Möglichkeit, an sensible, sicherheitsrelevante Informationen zu gelangen.

Westliche Geheimdienste vermuten zudem, Sergijenko könnte Einfluss auf die Partei nehmen, sie oder ihr Umfeld vielleicht auch mit Geld versorgen. Nach Informationen des „Spiegels“ hat der Zoll im April und im Juni nach zwei von vielen Russlandreisen jeweils 9000 Euro Bargeld bei Sergijenko entdeckt – zusammen mit einem russischen Pass.

AfD-Mitarbeiter darf Bundestag nicht mehr betreten

Der AfD-Mitarbeiter steht in Deutschland mittlerweile unter besonderer Beobachtung. Er soll bei seiner Einbürgerung im Jahr 2022 falsche Angaben gemacht haben. Namentlich soll er einen russischen Pass unterschlagen und behauptet haben, er besitze lediglich die ukrainische Staatsbürgerschaft. Der Berliner Innensenat versucht deshalb, ihm die deutsche Staatsbürgerschaft zu entziehen, Sergijenko klagt eigenen Angaben zufolge dagegen.

Seinen Hausausweis für den Bundestag ist Sergijenko bereits los. Die Bundestagsverwaltung hat bereits im Jahr 2023 eine Zuverlässigkeitsprüfung eingeleitet. Derzeit sei „ein unkontrollierter Zugang durch Herrn Sergijenko zu den Bundestagsliegenschaften ausgeschlossen“, teilte die Verwaltung mit. (pcl)

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