Berlin. Die AfD erhält Millionen vom Staat. Nach dem Richterspruch aus Karlsruhe wollen die anderen Parteien prüfen, ob das so bleiben kann.
In der Auseinandersetzung mit der AfD suchen die anderen politischen Kräfte nach Mitteln, die in Teilen als rechtsextrem eingestufte Partei zu bekämpfen. In einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Parteienfinanzierung sehen Politiker von CSU bis Grüne nun einen neuen Ansatz. SPD-Chefin Saskia Esken nannte den Richterspruch „hilfreich“, Bayerns Ministerpräsident Markus Söder sprach von einer Vorlage für das Vorgehen gegen die AfD.
Worum geht’s überhaupt?
Die rechtsextreme frühere NPD ist mit dem Urteil aus Karlsruhe für sechs Jahre von der staatlichen Parteienfinanzierung ausgeschlossen worden. Begründet wurde der Richterspruch damit, dass die heute „Die Heimat“ genannte Partei verfassungsfeindlich sei. Die Partei missachte „die freiheitliche demokratische Grundordnung und ist nach ihren Zielen und dem Verhalten ihrer Mitglieder und Anhänger auf deren Beseitigung ausgerichtet“, erklärte das Gericht. Die gesetzliche Möglichkeit für diesen Schritt war 2017 geschaffen worden, nachdem ein Verbotsverfahren gegen die NPD gescheitert war.
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Was heißt das Urteil für die Partei?
Parteien können staatliche Gelder etwa zur Finanzierung von Wahlkämpfen bekommen, wenn sie bei Wahlen bestimmte Mindestanteile erreichen. Aufgrund ihres Bedeutungsverlusts ist das allerdings bei der NPD-Nachfolgepartei seit 2021 nicht mehr der Fall gewesen. Im Jahr zuvor bekam die Partei noch rund 370.600 Euro. Mit dem Karlsruher Urteil fallen jedoch auch Steuervorteile weg.
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Ist ein Finanzstopp einfacher als ein Verbot?
Nach Ansicht von Experten nicht grundlegend. Einen Unterschied gibt es jedoch: Ein Ausschluss von der Parteienfinanzierung setzt, im Gegensatz zu einem Parteiverbot, nicht voraus, dass die Partei ihre verfassungswidrigen Ziele auch erreichen könnte. Das NPD-Verbot war 2017 nicht gescheitert, weil das Bundesverfassungsgericht die Partei nicht für verfassungswidrig hielt, sondern weil die Richter sie für zu unbedeutend einstuften. Für das aktuelle Finanzurteil aus Karlsruhe spielte es also keine Rolle, dass es sich bei „Die Heimat“ nur um eine Kleinpartei handelt.
Warum richtet sich jetzt der Blick zur AfD?
Zuletzt war immer wieder über das Für und Wider eines AfD-Verbots diskutiert worden. Es gilt aber als juristisch unsicher, ob ein Antrag Erfolg hätte. Zudem wird darüber diskutiert, ob es politisch klug ist, eine Partei zu verbieten, die mancherorts mit ihren radikalen Positionen hohe Unterstützung erfährt. Deswegen wird über andere Wege nachgedacht, der AfD beizukommen. Das aktuelle NPD-Urteil befeuert diese Debatte. Schließlich bekam die AfD im Jahr 2022 über die staatliche Parteienfinanzierung 10,5 Millionen Euro.
Welche Reaktionen löste das Urteil aus?
Die AfD werde „immer radikaler und extremer“, erklärte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder. Das Vorgehen gegen die NPD könne „auch eine Blaupause für die AfD“ sein. SPD-Chefin Saskia Esken sieht in dem Urteil ein „Signal“ für die Auseinandersetzung mit der AfD. „Dieses richtungsweisende Urteil wird uns in der Auseinandersetzung mit der rechtsextremistischen Gefahr von heute hilfreich sein“, sagte Esken dieser Redaktion. „Das Urteil macht deutlich, dass und unter welchen klar definierten Voraussetzungen unsere Demokratie sich derer erwehren darf, die ihre Mittel missbrauchen wollen, um sie zu zerstören.“
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) erklärte: „Auch wenn die verfassungsrechtlichen Hürden für künftige Verfahren hoch bleiben, haben wir jetzt ein weiteres Instrument zum Schutz unserer Demokratie.“ Die derzeitige Bundesratspräsidentin Manuela Schwesig (SPD) forderte: „Nun muss geprüft werden, welche Konsequenzen für die AfD gezogen werden können, die bereits in Teilen als rechtsextrem eingestuft ist.“ Es könne nicht sein, dass der Rechtsstaat seine eigenen Feinde finanziere, sagte Grünen-Fraktionsvizechef Konstantin von Notz dieser Redaktion. Die Folgen des Urteils müssten jetzt „zügig und sorgsam“ geprüft werden.
„Für den Umgang mit der AfD bringt das Urteil nichts Neues“, analysierte allerdings Gertrude Lübbe-Wolff, ehemalige Richterin des Bundesverfassungsgerichts, für diese Redaktion das Urteil. Schließlich gebe es Zweifel, ob die Partei als Ganze verfassungsfeindlich sei. Diesen Punkt stellten auch die Richter noch einmal klar: Das Gesetz erlaube lediglich den Ausschluss verfassungsfeindlicher Parteien. Und da es eine solche Einstufung im Fall der AfD bislang nicht gibt, dürfte auch ein Finanzierungsausschluss schwierig sein.
Welche Folgen haben die Debatten für die AfD?
Eine aktuelle Umfrage zeigt, dass die Diskussionen über die Gefährlichkeit der AfD für die Demokratie sowie die Demonstrationen mit bundesweit Hunderttausenden Teilnehmern nicht spurlos an der Partei vorübergehen könnten: In einer bundesweiten Erhebung des Meinungsforschungsinstituts Insa verliert die AfD 1,5 Prozentpunkte, das ist der stärkste Verlust für die Partei seit fast zwei Jahren. Allerdings kommt die AfD immer noch auf 21,5 Prozent und ist hinter der Union (30,5 Prozent) zweitstärkste Kraft. Auf dem dritten Platz liegt die SPD mit 13,5 Prozent, es folgen die Grünen mit 12,5 Prozent und die FDP mit fünf Prozent.
Grünen-Fraktionsvize von Notz rief dazu auf, sich nicht allein auf eine juristische Auseinandersetzung mit der AfD zu verlassen. Es bleibe die gemeinsame Aufgabe aller überzeugten Demokraten, „Verfassungsfeinde vor allem inhaltlich zu stellen, ihnen zuallererst so den Nährboden zu entziehen sowie extremistischem Hass und Hetze entschieden entgegenzutreten“, sagte der Innenexperte. Auch SPD-Chefin Esken forderte: „Es gilt die AfD inhaltlich zu stellen und ihre Lügen zu entlarven und gleichzeitig ihre antidemokratischen Umtriebe aufzudecken und mit allen Mitteln des Rechtsstaates zu bekämpfen.“
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