Berlin. Was droht Europa, wenn Donald Trump an die Macht zurückkehrt? Die Befürchtungen sind groß. Ein Experte zieht ein düsteres Fazit.
In einem Jahr tritt im Weißen Haus ein US-Präsident eine neue Amtszeit an. Kanzler Olaf Scholz (SPD) hofft inständig darauf, dass der von ihm bewunderte US-Demokrat Joe Biden trotz seines hohen Alters nach den Präsidentschaftswahlen weiter regieren kann. Es gibt in Europa allerdings die Befürchtung, dass es anders kommt. Der deutliche Sieg von Donald Trump bei den ersten Vorwahlen der US-Republikaner im Bundesstaat Iowa zwingt der deutschen Politik die Frage auf: Sind wir dieses Mal besser auf einen US-Präsidenten Trump vorbereitet?
In seiner ersten Amtszeit von 2017 bis 2021 zerrüttete Trump das transatlantische Verhältnis, suchte den Konflikt mit Europa und erhob hohe Zölle auf Einfuhren aus der EU. Er legte sich mit der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) an, Deutschland und seine starke Auto- und Exportindustrie waren Trump ein Dorn im Auge. Er verlangte von Merkel höhere Verteidigungsausgaben und stellte die Nato und somit den von den USA gewährten Schutz Europas infrage.
Russlands Krieg: Eine Wiederwahl Trumps wäre besonders gefährlich
„Donald Trumps Amtszeit hat Europa vor Augen geführt, dass es strategisch unabhängiger werden muss“, blickt die SPD-Spitzenkandidatin für die Europawahl, Katarina Barley, zurück. „Er hat die EU als Ansprechpartner gemieden und hat versucht, einzelne Mitgliedstaaten aus unserem Verbund herauszubrechen“, sagt Barley dieser Redaktion. In Zeiten des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine erscheint eine Rückkehr Donald Trumps als besonders gefährlich für Europa.
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Zumindest für einen erneuten Handelskonflikt mit Strafzöllen sieht sich die Bundesregierung gewappnet. „Wir sind besser vorbereitet auf eine Trump-Präsidentschaft als beim letzten Mal“, ist Franziska Brantner überzeugt. Die Staatssekretärin im Bundeswirtschaftsministerium betont, dass die Bundesregierung daran arbeite, die Sicherheit der Wirtschaft zu stärken und Deutschland weniger abhängig von einzelnen Handelspartnern zu machen. Nachholbedarf sieht Brantner im Bereich der Digitalwirtschaft, in dem Europa stark von den großen Konzernen und Plattformen aus den USA abhängig ist. Allerdings, sagt die Grünen-Politikerin dieser Redaktion: „Die schwierigste Aufgabe ist die Sicherheits- und Verteidigungspolitik.“
Trump ist von Politikern wie Putin fasziniert
Als größere Gefahr gilt, dass der von Politikertypen wie dem russischen Präsidenten Wladimir Putin faszinierte Trump die US-Sicherheitspolitik gegenüber Europa radikal ändert. In Trump nahestehenden US-Denkfabriken werde die Idee „von der Lastenteilung zur Lastenverschiebung“ diskutiert, berichtet der Sicherheitspolitikexperte Markus Kaim von der Stiftung Wissenschaft und Politik dieser Redaktion. Unter Lastenteilung sei die auch von Joe Biden erhobene Forderung zu verstehen, dass Europa einen größeren Beitrag zur transatlantischen Sicherheit tragen müsse. „Lastenverschiebung heißt: Was sich in Europa abspielt, ist Aufgabe der Europäer“, analysiert Kaim Trumps Ziele. „Das schließt die Frage ein: Wer schützt uns vor Russland?“
Dahinter steht die Befürchtung, dass Trump seine ablehnende Haltung gegenüber der Nato beibehält. „Außenpolitisch wird Trump noch isolationistischer auftreten und den Rückzug aus der Nato weiter vorantreiben“, vermutet der CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter. Das müsse nicht zwingend bedeuten, dass die USA aus dem Verteidigungsbündnis austreten, aber die Glaubwürdigkeit der Nato-Beistandsgarantie im Falle eines Angriffs „würde mittelfristig erodieren“, sagt Kiesewetter dieser Redaktion.
Trumps Haltung zur Nato ist eine Bedrohung für Europa
Trump müsse nur einmal sagen: „Wir werden Litauen, Lettland, Estland oder Polen nicht gegen einen russischen Angriff verteidigen“, beschreibt Kaim ein mögliches Szenario. „Dann wäre die Nato politisch tot.“ Der Politikwissenschaftler erinnert daran, dass Donald Trump in seiner ersten Amtszeit „sehr erratisch“ gehandelt habe und nicht vor außenpolitischen Entscheidungen von großer Tragweite zurückschrecke: „Er war es, der den Abzug der US-Truppen aus Afghanistan beschlossen hat, ohne sich mit den Europäern zu koordinieren.“
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Europas Sicherheit hängt derzeit von den USA ab. Das gilt besonders für den Schutz mit Atomwaffen. Deswegen wurde zuletzt darüber diskutiert, eine eigene atomare Abschreckung der EU aufzubauen. „Das lässt sich weder schnell erreichen, noch gibt es dazu den politischen Willen“, ist Kaim skeptisch. Barley fordert: „Sollte Trump Europa aufgeben, muss die EU handlungsfähig sein.“ Die Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments denkt dabei in erster Linie an eine abgestimmte Produktion der europäischen Rüstungsindustrie und die gemeinsame Beschaffung militärischer Militärgüter.
Putin hofft, dass Trump die Ukraine-Hilfe stoppt
Nutznießer einer solchen sicherheitspolitischen Unsicherheit in Europa wäre Russland. Putin hofft zudem darauf, dass ein Präsident Trump die Militärhilfe für die Ukraine stoppt. Die USA sind vor Deutschland mit Abstand der größte Unterstützer des Landes. Trump werde wohl versuchen, „mit Wladimir Putin einen Deal zu finden, was darin münden würde, dass die Welt in Interessenzonen aufgeteilt werden würde“, sagt Kiesewetter. „Dies würde eine dauerhafte Bedrohung für Europa durch Russland bedeuten und wir müssten unsere Verteidigungsausgaben um ein Zigfaches erhöhen, um eine halbwegs adäquate Abschreckungswirkung zu erzielen.“
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Wirtschaftsstaatssekretärin Brantner fordert daher: „Wir müssen für die weitere Unterstützung der , sollte Trump die US-Hilfe im Falle eines Wahlsiegs einstellen, entsprechend planen.“ Olaf Scholz verspricht, dass die Bundesregierung die Waffenlieferungen an die Ukraine aufrechterhalte. Kürzlich sagte der Kanzler auch, dass Deutschland möglicherweise noch mehr tun müsse, wenn „andere schwächeln“. Brantner bringt allerdings das Problem auf den Punkt, vor dem die mit Haushaltslöchern kämpfende Ampel-Regierung dann steht: „Wie viel Geld können, wollen und müssen wir ausgeben – und wie finanzieren wir das?“
Kehrt Trump zurück? Experte: Die Folgen sind unkalkulierbar
Dem Oppositionspolitiker Kiesewetter zufolge tut die Bundesregierung zu wenig angesichts der möglichen Rückkehr Trumps ins Weiße Haus. „Wenn wir in Deutschland unseren Anteil erbringen wollen, Donald Trump zu verhindern und den US-Isolationisten den Wind aus den Segeln zu nehmen, müssen wir kurzfristig die Ukraine deutlich stärker unterstützen“, fordert der CDU-Außenexperte. Mittel- und langfristig müsse Deutschland helfen, den USA in Europa insbesondere im Westbalkan sowie im Kaukasus und Nachbarregionen wie dem Mittelmeerraum den Rücken stärker freizuhalten. Dann könnten die USA sich stärker im Pazifik engagieren, wo mit China „die größte Herausforderung für die regelbasierte internationale Ordnung“ lauere.
Klar wird in den Gesprächen mit Experten sowie Politikerinnen und Politikern: Eine mögliche Rückkehr Trumps an die Macht wirft seine Schatten bereits bis nach Europa. „Allerdings sind die Folgen derart unkalkulierbar, dass es noch keine Antworten gibt“, zieht Beobachter Kaim eine düstere Bilanz. „Die Dramatik dieses Szenarios ist so groß, dass es den politischen Betrieb lähmt.“
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