Berlin. Die Linke-Fraktion im Bundestag ist Geschichte. Der Liquidator verrät, was für Mitarbeiter auf dem Spiel steht – und wie es weitergeht.
Am Mittwoch um null Uhr hat das letzte Stündlein der Linken-Fraktion geschlagen. 18 Jahre saßen Politiker der ehemaligen PDS und WASG in Fraktionsstärke auf der linken Seite des Bundestages. Doch nach dem Wahldebakel 2021 konnte die Partei nur dank dreier Direktmandate ihren Fraktionsstatus halten. Zur Halbzeit der Legislatur folgte dann der Paukenschlag: Sahra Wagenknecht trat mit neun Anhängern aus der Partei aus. Die Mindestgröße für eine Fraktion war damit unterschritten.
Die Hoffnung der verbliebenen 28 Linken-Abgeordneten ist nun die Bildung einer Gruppe. Doch bis der Bundestag dem zustimmt, sind die Parlamentarier auf sich allein gestellt. Rechte, Mittel und Personal einer Fraktion sind mit der Auflösung passé. Und während dem Großteil der über hundert Mitarbeiter eine ungewisse Zukunft bevorsteht, schlägt die Stunde des Liquidators.
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„Es klingt natürlich etwas martialisch“, sagt Thomas Westphal, ehemaliger Leiter des Vorstandsbüros der Bundestagsfraktion, über seine Jobbezeichnung. „Aber fachlich ist es völlig richtig: Es wird liquidiert.“ Alles gehe auf null – ohne Hoffnung auf Weiterbetrieb. Für den Tag X hatte sein Team bereits am Freitag die Bilder und Dekoration aus dem Saal der Linken-Fraktion genommen. „Ab Mittwoch soll klar sein: Es gibt keinen Fraktionssaal mehr, weil es keine Fraktion mehr gibt.“
Linke: Wer die Freistellung erhält, darf nicht mehr ins Büro kommen
Während für Westphal und sein Team am Mittwoch die eigentliche Arbeit erst losgeht, dürften bei den verbliebenen Mitarbeitern in den kommenden Wochen die Kündigungen eintrudeln. Je nach Dauer der Betriebszugehörigkeit ergebe sich eine Kündigungsfrist bis Juli. „Wir müssen darauf achten, dass diejenigen zuerst gekündigt werden, die die längsten Fristen haben“, so Westphal. Ausgenommen sind die direkten Mitarbeiter der verbliebenen 28 Parlamentarier, denen der Arbeitsplatz weiter erhalten bleibt.
Die mitunter langen Kündigungsfristen garantieren den 108 Mitarbeitern zwar eine Lohnfortzahlung für einige Monate. Doch abgesehen von Angestellten der IT, der Finanzbuchhaltung und des Liquidationsteams gebe es dennoch keine Beschäftigung. „Freistellung bedeutet für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, dass ihr Arbeitgeber keinen Zugriff mehr auf sie hat“, so der Liquidator. Wer diese erhalte, könne auch nicht mehr ins Büro kommen.
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Einziger Hoffnungsschimmer dürfte für die Mitarbeiter die Konstituierung der Linken als Gruppe im Bundestag sein. Damit stünden auch wieder finanzielle Mittel für Mitarbeiter bereit. Allerdings „gab es keine Zusagen“ über die Übernahmechancen, so Westphal. An ihm ist es jetzt, den seit 18 Jahren aufgebauten Bestand der Fraktion aufzulösen. Dazu gehört etwa die Veräußerung von Inventar und IT-Geräten. Was an finanziellen Mitteln am Ende übrig bleibe, gehe an die Bundestagsverwaltung zurück.
Darüber hinaus archiviert er die politische Arbeit seiner Ex-Fraktion: „Das ist recht mühsam: Alles sichten, katalogisieren und dann in das Archiv der Rosa-Luxemburg-Stiftung überstellen.“ Im Zehnjahresrhythmus erlebte die Bundesrepublik dann die Liquidation einer Bundestagsfraktion: 2002 die PDS, 2013 die FDP und jetzt die Linke. Dafür dürften alsbald zwei Gruppen im Bundestag vertreten sein. Denn auch das Bündnis Sahra Wagenknecht will in der kommenden Woche den Gruppenstatus beantragen.
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