Berlin. Mit ihrer Parteigründung geht Sahra Wagenknecht ein großes Risiko ein – nicht mal ihr Mann Oskar Lafontaine ist vollauf begeistert.
- Sahra Wagenknecht will die politische Landschaft in Deutschland verändern
- Dafür gründet sie eine neue Partei
- Was denkt ihr Ehemann und Linken-Urgestein Oskar Lafontaine zu den Plänen?
Sahra Wagenknecht stehen unruhige Zeiten bevor. Dieses Schicksal ist selbstgewählt, die 54-Jährige weckt mit der Gründung ihres Parteiprojekts hohe Erwartungen – nicht nur bei ihren Anhängern. Der Druck ist hoch, mit dem „Bündnis Sahra Wagenknecht“ erfolgreich zu sein. Allein schon deshalb, weil ihr letztes politisches Projekt, die „Aufstehen“-Bewegung, nach Wagenknechts Rückzug 2019 einen langsamen Tod starb. Ein zweites Mal soll ihr das nicht passieren. Dafür nimmt die Politikerin auch privat ein großes Opfer in Kauf: Ihr Ehemann Oskar Lafontaine ist nicht wirklich begeistert.
Ihr Mann sehe die politische Notwendigkeit für dieses Projekt, sagt Wagenknecht im Gespräch mit dieser Redaktion, „aber auch die negativen Folgen für unser Privatleben“. Lange Arbeitstage, Reisen durchs ganze Land, Veranstaltungen, Lesungen, Showauftritte – da bleibt nicht mehr viel Zeit für Gemeinsames. Hinzu kommt die Arbeit als Bundestagsabgeordnete mit ständigem Reisen nach Berlin. „Ich hätte diese Wahlperiode auch auslaufen lassen und dann als Publizistin arbeiten können“, sagt Wagenknecht. „Das hätte uns persönlich viele Freiräume eröffnet.“
Wagenknechts Partei-Pläne: Lafontaine ist zwiegespalten
Auch Lafontaine selbst sprich davon, dass er mit Blick auf die Pläne seiner Frau zwiegespalten sei. „Politisch unterstützte ich die Entscheidung meiner Frau natürlich“, sagte er der „Frankfurter Allgemeinen am Sonntag“. „Als Ehemann bin ich aber nicht begeistert davon.“ Politische Arbeit sei „unglaublich anstrengend und zeitraubend“ – der Aufbau einer Partei umso mehr.
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Dass sich die frühere Linken-Fraktionsvorsitzende am Ende für die Parteigründung entschieden hat, habe Lafontaine aber „schon auch verstanden“, so Wagenknecht. Immerhin will sie den Parteivorsitz nicht selbst anstreben. Innerhalb weniger Monate muss „BSW“ in 16 Bundesländern Landesverbände und Geschäftsstellen aufbauen, in Thüringen, Sachsen und Brandenburg müssen Wahlkämpfe organisiert werden – und es braucht ein detailliertes Parteiprogramm bis zur nächsten Bundestagswahl. Das allein ist ein dickes Brett.
Wagenknecht hat Grenzen der Belastbarkeit erfahren
Fast noch wichtiger ist die Außenwerbung, in der Wagenknecht ganz offenkundig ihre größte Stärke sieht. Die 54-Jährige ist es, die das „Bündnis“, das ihren Namen trägt, den Wählerinnen und Wählern verkaufen muss. Das Parteiprojekt ist komplett auf ihre Person zugeschnitten. Ausfallen darf sie nicht – nicht noch einmal, wie bei „Aufstehen“, als sie sich wegen eines Burnouts aus der vordersten Reihe zurückzog. „Was mich damals zermürbt hat, waren diese ewigen Reibereien und Intrigen in den eigenen Reihen“, erinnert sich Wagenknecht. „Irgendwann war ich einfach ausgelaugt und kaputt.“
Zwei Monate nahm sie sich damals eine Auszeit. Doch eine Wiederkehr in die „Aufstehen“-Bewegung gab es auch danach nicht. Heute ist die Organisation politisch de facto bedeutungslos. Bei „BSW“ soll das anders sein, Wagenknecht plant für die Langstrecke. Für die nächsten Jahre, vielleicht auch für Jahrzehnte. Umso wichtiger ist ihr jetzt, ihre gesamte Energie in das Parteiprojekt zu stecken – mit allen Konsequenzen. „Ich habe jetzt eine ziemlich anstrengende und stressige Zeit“, gibt sie im Gespräch zu. Einer ihrer wichtigsten Berater ist ihr Ehemann, doch der ist oft weit weg.
Lafontaine „genießt es, dass er nicht mehr Politik macht“
Lafontaine ist 80 Jahre alt, gemeinsam mit Wagenknecht lebt er im Merzig – eine 30.000-Einwohner-Stadt im Saarland. Aus der Politik hat er sich weitgehend zurückgezogen. So soll es auch bleiben. Dabei könnte er als einer der Gründer der Linkspartei reichlich persönliche Erfahrung in den Parteigründungsprozess des „BSW“ einbringen. Doch über Ratschläge am Frühstückstisch soll es nicht hinausgehen, sagte er dem Journalisten Markus Feldenkirchen in der ARD-Doku „Konfrontation“.
Wagenknecht hat Verständnis dafür. „Er hat sein Leben lang Politik gemacht mit all dem Druck und Stress, der damit verbunden ist. Jetzt genießt er es, dass er das nicht mehr muss.“ Lafontaine war bereits 2022 aus der Linkspartei ausgetreten und hatte seine Entscheidung damit begründet, dass die Linke ihren Anspruch aufgegeben habe, eine „linke Alternative zur Politik sozialer Unsicherheit und Ungleichheit“ zu sein.
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