Berlin. Die formale Abwicklung der Regierung ist kompliziert. Was Vertrauensfrage und Misstrauensvotum bedeuten und wie es zu Neuwahlen kommt.
Der Untergang der Ampel-Regierung ist in ihrer knapp zweieinhalbjährigen Geschichte schon häufiger prophezeit worden. Doch letzten Endes überlebte die Koalition aus SPD, Grüne und FDP sogar den erbitterten Streit um das Heizungsgesetz. Jetzt aber weht eine Art Götterdämmerung durch das politische Berlin. Denn für viele Projekte, auf die sich die Parteien im Koalitionsvertrag verständigen konnten, fehlt das Geld.
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Sollte die Ampel also an dem inhaltlichen Streit um Einsparungen, Schuldenbremse, Sondervermögen und Steuererhöhung zerbrechen, wäre sie damit jedoch formal noch nicht aufgelöst. „Aus den Erfahrungen der gescheiterten Weimarer Republik ist die Verfassung darauf angelegt, dass das Land niemals regierungsunfähig bleibt“, sagt der Jurist und Politikwissenschaftler Albrecht von Lucke von den „Blättern für deutsche und internationale Politik“ dieser Redaktion. Einige historische Beispiele zeigen, wie es dennoch klappen könnte.
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Bundesregierung: Neuwahlen nach einer unechten Vertrauensfrage möglich
Die im Grundgesetz angelegte Vertrauensfrage wurde in der Geschichte der Bundesrepublik bereits einige Male angewendet. Ein prominentes Beispiel dafür war Gerhard Schröder, der mit den Hartz-Reformen seine Macht schwinden sah: Nach der verlorenen Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen stellte er 2005 die Vertrauensfrage, die der Bundestag negativ entschied. Wie im Grundgesetz vorgesehen, empfahl der damalige Kanzler daraufhin dem Bundespräsidenten die Auflösung des Parlaments.
„Dieses Manöver war eindeutig politisch motiviert, da Schröder glaubte, die eigene Fraktion stehe nicht mehr hinter ihm“, so von Lucke. Eigentlich ist die Vertrauensfrage nur in Krisensituationen mit dem Ziel anzuwenden, das Vertrauen bestätigt zu bekommen. Unechte Vertrauensfragen jedoch zielen auf die künstliche Herstellung von Neuwahlen ab. Das Bundesverfassungsgericht aber gestand bereits 1983 einen weiten Spielraum zu und bestätigte die Entscheidung im Schröder-Fall. Ob Kanzler Scholz angesichts aktueller Umfrageergebnisse jedoch die Vertrauensfrage stellt, ist mehr als fraglich. „Den Weg der Vertrauensfrage mit dem Ziel der Abwahl wird keine der Ampel-Parteien beschreiten wollen, Scholz zuallerletzt“, so von Lucke, „denn bei einer Neuwahl würden alle drei verlieren.“
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Konstruktives Misstrauensvotum war in Deutschland erst einmal erfolgreich
Auch das Parlament kann mit einem konstruktiven Misstrauensvotum die Regierung anzweifeln. „Der Bundestag kann dem Bundeskanzler das Misstrauen nur dadurch aussprechen, dass er mit der Mehrheit seiner Mitglieder einen Nachfolger wählt“, heißt es im Grundgesetz. Eine ausschließliche Abwahl ist damit nicht möglich.
In der Geschichte der Bundesrepublik hatte das konstruktive Misstrauensvotum erst einmal Erfolg, als sich 1982 Helmut Kohl gegen den amtierenden Kanzler Helmut Schmidt durchsetzte. „Das ist der Fall von 1982, bei dem die FDP zum anderen Lager übergelaufen ist“, so von Lucke, der dieses Szenario heute für ausgeschlossen hält.
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Eine Partei könnte die Regierung verlassen
„Die einzige Konstellation, die jetzt im Raume steht – und die ist nicht völlig abwegig – ist die von 1966“, so der Politikwissenschaftler. Damals hatte die FDP die Regierung unter Ludwig Erhardt (CDU) verlassen, nachdem beide Parteien mögliche Steuererhöhungen beschlossen hatten. Infolgedessen regierte der Kanzler zunächst mit einer Minderheitsregierung weiter, bis er zurücktrat.
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„Man kann eine Partei nicht zum Regieren zwingen“, so von Lucke über die Möglichkeit, dass Grüne oder FDP die Regierung verlassen. Infolgedessen käme nur eine Minderheitsregierung oder aber das Überlaufen einer Oppositionspartei infrage. „Die Union könnte sich dann veranlasst sehen – Söder hat das ja bereits angedeutet – als kleiner Koalitionspartner in die Regierung einzutreten.“ Ein allerdings sehr unwahrscheinliches Szenario, so von Lucke, da sich die Union mit der gleichen komplexen Gemengelage um den Haushalt konfrontiert sähe wie die Ampel. „Wenn es also tatsächlich zum Ampel-GAU käme und die drei Parteien machen nicht weiter, dann gäbe es daher eigentlich keine andere Konstellation außer Neuwahlen.“