Berlin. Die Umwidmung von Corona-Krediten war verfassungswidrig. Jetzt muss die Koalition erklären, wie sie das Klima dennoch schützen will.
Es ist eine Niederlage auf ganzer Linie. Eine schallende Ohrfeige, ein Tritt vors Schienbein – oder auch eine „Klatsche mit Wumms“, wie es Unions-Fraktionsvize Alexander Dobrindt (CSU) in Anspielung auf eine Formulierung des Kanzlers ausdrückte.
Das Bundesverfassungsgericht hat am Mittwoch ein zentrales Element des Ampel-Koalitionsvertrags und der rot-grün-gelben Finanzpolitik für nichtig erklärt: Die Regierung und die drei sie tragenden Fraktionen durften nach dem Machtwechsel 2021 nicht 60 Milliarden Euro unverbrauchter Corona-Kredite zugunsten des Klimaschutzes zweckentfremden. Die Karlsruher Richter gaben damit einer Klage der Unionsfraktion statt.
Damit ist vollkommen unklar, wie die Ampel ihre ambitionierte Klimapolitik bis zum Ende der Legislaturperiode und darüber hinaus finanzieren will. Im Klima- und Transformationsfonds (KTF), einem Sondervermögen des Bundes, fehlen jetzt auf einen Schlag jene 60 Milliarden Euro – bei geplanten Ausgaben von 212 Milliarden Euro bis 2027. Mit Geld aus dem normalen Bundeshaushalt werden sich die Lücken kaum stopfen lassen.
Der Ampel-Trick hat sich als Luftnummer erwiesen
Es geht um sehr wichtige Dinge: um die bereits vollzogene Abschaffung der Ökostrom-Umlage beim Strompreis etwa, um Finanzspritzen für die marode Bahn, um die Förderung der Elektromobilität, um den Umstieg zu einer sauberen Industrieproduktion oder den Austausch von klimaschädlichen Heizungen, um nur einige Beispiele zu nennen.
Man muss sich vor Augen halten, dass der Klimaschutz zum Amtsantritt der Ampel Ende 2021 das zentrale Projekt der neu gebildeten Koalition war. Die Pandemie war ehedem noch nicht überwunden, hatte aber ihren größten Schrecken verloren. Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine wiederum hatte noch nicht begonnen, vom neuerlichen Krieg in Nahost ganz zu schweigen. Statt Krisenmanagement zu betreiben, wollte das Regierungsbündnis beherzt gestalten – gerade auch beim Klimaschutz. Das war damals der Geist, mit dem sich SPD, Grüne und FDP an die Arbeit machten.
Die Umwidmung nicht abgerufener Corona-Kredite war dabei nicht nur ein zentrales Instrument zur Finanzierung der Klimapolitik. Vielmehr waren die Absprachen dazu eine Voraussetzung dafür, dass diese Koalition überhaupt zustande kommen konnte. Denn durch das Verschieben der 60 Milliarden Euro schien auf einmal beides möglich: Eine Rückkehr zu den Regeln der Schuldenbremse ohne Steuererhöhungen, was der FDP wichtig war – und deutlich mehr Investitionen in den Klimaschutz, was die Grünen und die SPD im Wahlkampf versprochen hatten. Dieser Trick hat sich nun als Luftnummer erwiesen.
Koalition: Die Schuldzuweisungen bleiben vorerst aus
Bemerkenswert ist, dass zumindest am Mittwoch innerhalb der Koalition die eigentlich zu erwartenden Schuldzuweisungen ausgeblieben sind. Kanzler Olaf Scholz (SPD), sein Vize Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) traten gemeinsam vor die Kameras und übernahmen damit gemeinsam Verantwortung für die entstandene Lage. Vom angekündigten „Plan B“ allerdings – also davon, wie die nun entstandene 60-Milliarden-Lücke gestopft werden soll – war am Mittwoch noch nichts zu hören. Hier wird die Ampel schnell Klarheit schaffen müssen.
Denn das sollten alle, die sich jetzt womöglich an der Niederlage der Koalition erfreuen, nicht aus dem Blick verlieren: Das Urteil der Karlsruher Richter schafft zwar mehr Klarheit in Bezug auf die Regeln der Schuldenbremse. Es hat zugleich aber auch das Potenzial, Deutschland beim Klimaschutz und der Transformation der Wirtschaft um Jahre zurückzuwerfen. Und das kann niemand ernsthaft wollen. Weniger Klimaschutz ist keine Option: Es war das Verfassungsgericht, das der Politik 2021 vor der Bundestagswahl den Auftrag erteilt hat, bei diesem Thema endlich ernst zu machen.
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