Berlin. Der Bruch zwischen der Linken und Sahra Wagenknecht rückt näher. Ihre Unterstützer sind einflussreich – und könnten ihr treu bleiben.
Noch hat Sahra Wagenknecht nicht öffentlich erklärt, ob sie eine neue Partei gründen wird. Doch der Bruch zwischen der 54-Jährigen und ihren Unterstützern mit der Linkspartei wird immer deutlicher. Umfragen zeigen, dass viele Menschen mit einer von Wagenknecht gegründeten Partei sympathisieren. Ein Überblick über die Verbündeten der prominenten Politikerin – und über ihre Gegner.
Oskar Lafontaine
Der Ehemann von Sahra Wagenknecht ist seiner Gattin einen Schritt voraus: Oskar Lafontaine ist bereits im vergangenen Jahr aus der Linken ausgetreten. Er dürfte Wagenknecht bei ihren nächsten Schritten eng beraten – Lafontaine hat Erfahrung mit Parteineugründungen.
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Der bald 80-Jährige war in seinem früheren Leben als SPD-Politiker Ministerpräsident des Saarlandes, Kanzlerkandidat, Parteivorsitzender und kurzzeitig Bundesfinanzminister. Als Kritiker der Hartz-Reformen geriet der Saarländer in Konflikt mit seiner Partei, 2005 brach er endgültig mit der SPD und schloss sich der neugegründeten WASG an, die mit der ostdeutschen PDS zur Partei die Linke fusionierte.
Lafontaine wurde Fraktionschef im Bundestag und Parteivorsitzender, bevor er sich im Saarland für die Partei engagierte, dort allerdings im Streit die Linke verließ. 2018 hatten Lafontaine und Wagenknecht bereits versucht, mit der linken Sammlungsbewegung „Aufstehen“ eine neue politische Kraft ins Leben zu rufen. Nach einem anfänglichen Hype schlief das Projekt ein.
Amira Mohamed Ali
Mit ihrem angekündigten Rückzug hat die 43-jährige Fraktionschefin den Riss in Partei und Fraktion vertieft. Kommt es zur Parteigründung, gilt Mohamed Ali als mögliche Mitstreiterin Wagenknechts. Bisher lässt Mohamed Ali offen, ob sie Partei und Fraktion verlassen wird. Die Frage ist heikel: Denn die Linke stellt aktuell 39 Bundestagsabgeordnete, verringert sich die Zahl durch einen Abgang der Wagenknecht-Unterstützer auf unter 36, verliert die Linke den Status als Fraktion.
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Das würde bedeuten, dass sie Rechte, Zuschüsse und Einfluss im Parlament einbüßt. Als Vertreterin des linken Wagenknechts-Lagers führt Mohamed Ali die Fraktion seit 2019 gemeinsam mit dem ostdeutschen Pragmatiker Dietmar Bartsch. Ihren Rückzug begründete die gebürtige Hamburgerin damit, es sei ihr „unmöglich“ geworden, den Kurs der Partei zu vertreten.
Sie kritisierte die scharfe Abgrenzung der Linken-Führung von Wagenknecht. In Übereinstimmung mit Wagenknechts Positionen bemängelte Mohamed Ali zudem die Haltung der Partei in der Sozial-, Klima- und Friedenspolitik. Wagenknecht ist sozialpolitisch auf stramm linkem Kurs und setzt sich für Friedensverhandlungen mit Russland ein. In der Klimapolitik wirft Wagenknecht der Parteiführung vor, sich vor allem an junge Aktivisten zu richten.
Sevim Dagdelen
Die gebürtige Duisburgerin Sevim Dagdelen zählt zum Linken-Lager der Partei, die Außenpolitikerin vertrat mehrfach als pro-russisch kritisierte Positionen. Im aktuellen Konflikt steht Dagdelen entschieden an Wagenknechts Seite.
Als der Parteivorstand im Juni den Beschluss fasste: „Die Zukunft der Linken ist eine Zukunft ohne Sahra Wagenknecht“, und Wagenknecht zur Rückgabe ihres Mandats aufforderte, warf Dagdelen der Linken-Spitze vor, mit einer „Logik der Säuberung“ eine Spaltung voranzutreiben. Die 47-Jährige zählt zu dem Kreis der Abgeordneten, die Wagenknecht in eine neue Partei folgen könnten.
Dagdelen kritisiert die Linken-Spitze scharf: „Die Parteiführung setzt auf Ausgrenzung all derjenigen, die sich für eine Politik für die Mehrheit der Bevölkerung statt für eine schrumpfende Gruppe von Sektenanhängern einsetzen“, sagte sie dieser Redaktion. „Dabei braucht es angesichts der ruinösen Außen- und Wirtschaftspolitik der Ampel, die das Leben der Menschen immer weiter verteuert und Deutschland zunehmend in den Krieg mit Russland treibt, umso dringender eine politische Kraft für die Interessen der Mehrheit.“ Dagdelen zeigt sich überzeugt: „Ein solches politisches Angebot hätte auch das Potenzial, die AfD zu dezimieren.“
Klaus Ernst
Zu diesem Kreis gehört auch der Bayer Klaus Ernst. „Wenn mit Sahra Wagenknecht eine neue linke Partei entsteht, werden sich ihr sicher viele Mitglieder und Mandatsträger anschließen“, sagte Ernst kürzlich. „Auch ich kann mir gut vorstellen, einer solchen Partei beizutreten.“
Der 68-Jährige hält eine Wagenknecht-Partei „weit über das Linken-Spektrum hinaus für viele Wähler interessant“. Der Job einer solchen Neugründung wäre aus seiner Sicht, sich um „gute Arbeit, faire Löhne und ausreichende Renten“ zu kümmern. Ernst blickt auf Erfahrung bei einer Parteigründung zurück: Der Gewerkschafter gehörte zu den Urhebern der WASG, später war er zeitweise Vorsitzender der Linkspartei.
Dietmar Bartsch
Der 65-Jährige fürchtet um die Linksfraktion: „Die Sorge, dass die Existenz der Bundestagsfraktion durch Austritte beendet wird, gibt es“, sagte Dietmar Bartsch. Er warnte Wagenknecht und ihr Lager, es sei „verantwortungslos“, das Bestehen der Fraktion durch einen Abgang zu beenden.
Bartsch hatte die Bundestagsfraktion einst mit Wagenknecht gemeinsam geführt. Nun bemüht er sich, ein Auseinanderbrechen der Partei zu verhindern. Eine „Abspaltung“ des Wagenknecht-Lagers sei „verheerend“ für die Linkspartei, warnte Bartsch kürzlich.
Janine Wissler und Martin Schirdewan
Zwischen den beiden Linken-Vorsitzenden und Wagenknecht ist das Tischtuch spätestens seit dem Vorstandsbeschluss vom Juni komplett zerschnitten. Wagenknecht wirft Janine Wissler und Martin Schirdewan vor, die Linke mit ihrem Kurs zu „weiteren Wahlniederlagen“ zu führen und „perspektivisch zu einer bedeutungslosen Splitterpartei“ zu machen.
Aus der Partei kommen angesichts der drohenden Spaltung mit all ihren verheerenden Folgen aber auch Rufe zur Versöhnung zwischen beiden zerstrittenen Lagern. Wissler zeigte sich am Dienstag offen für den Vorschlag, kurzfristig einen Parteikonvent anzusetzen, um die Spaltung der Partei abzuwenden. Wagenknecht will noch in diesem Jahr über eine Parteigründung entscheiden.
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