Berlin. Die Bundesregierung will Energiepreise weiter deckeln. Verbraucher sollten sich allerdings nicht darauf verlassen. Was ein Experte rät.
Die Bundesregierung hat am Mittwoch grünes Licht für die Verlängerung der Energiepreisbremsen für Gas und Strom gegeben, muss aber noch auf eine Entscheidung der Europäischen Union in Brüssel warten. Ohnehin würden Verbraucher kaum von dem staatlichen Eingriff profitieren. Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Was ist die Energiepreisbremse und wie funktioniert sie?
Als Reaktion auf die gestiegenen Energiepreise nach dem Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die hatte die Bundesregierung die Preisbremsen für Strom, Fernwärme und Gas im März dieses Jahres eingeführt. Sie galten rückwirkend ab Januar. Für private Haushalte sowie kleine und mittlere Unternehmen sind die Preise seitdem für Gas auf 12 Cent brutto pro Kilowattstunde, für Fernwärme auf 9,5 Cent brutto pro Kilowattstunde und für Strom auf 40 Cent je Kilowattstunde begrenzt. Die Regelung gilt für 80 Prozent des Jahresverbrauchs und soll Verbraucher und Wirtschaft vor sehr hohen Energiepreisen schützen. Die Rabatte werden automatisch über die jeweiligen Anbieter an die Verbraucher weitergegeben.
Warum wurde jetzt eine Verlängerung der Energiepreisbremsen nötig?
Die bestehenden Regelungen laufen zum Jahresende aus. Zwar sind die Preise mittlerweile wieder gefallen, dennoch befinde sich Europa der Bundesregierung zufolge weiter in einer „Risikophase“, heißt es in der Kabinettsvorlage, die unserer Redaktion vorliegt. Die Energiepreisbremsen zu verlängern, habe daher eine „preisdämpfende und stabilisierende Wirkung“. Grundsätzlich gab das Bundeskabinett für die Verlängerung der Preisbremsen bis zum 30. April nächsten Jahres am Mittwoch grünes Licht. Doch sicher ist die Ausweitung der bestehenden Regelung damit nicht.
Was könnte die Verlängerung scheitern lassen?
Die Europäische Kommission in Brüssel könnte dem deutschen Vorhaben einen Strich durch die Rechnung machen. Denn Grundlage für die derzeit noch geltenden Preisbremsen ist der Krisen- und Transformations-Beihilferahmen (TCTF). Seit Beginn der Corona-Krise können die Mitgliedstaaten demnach deutlich einfacher staatliche Unterstützung an Unternehmen und Haushalte auszahlen. Die Regelung wurde mit der Energiekrise verlängert.
Auch die deutschen Energiepreisbremsen fallen unter diesen befristeten Rahmen zur Krisenbewältigung. Die Bundesregierung ringt bereits seit einigen Monaten darum, die Regelungen beizubehalten. Doch innerhalb der EU gibt es Kritik daran: Vor allem kleinere EU-Staaten kritisieren die Hilfen als Wettbewerbsverzerrung. Momentan ist nicht abzusehen, wann und wie Brüssel sich positioniert.
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Warum hat das Kabinett jetzt die Verlängerung beschlossen?
Um vorbereitet zu sein. Falls grünes Licht aus Brüssel komme, habe man die entsprechende Verordnung bereits beschlossen und müsse nicht erst dann mit der Arbeit beginnen, so eine Sprecherin des Bundeswirtschaftsministeriums.
Was könnten die verlängerten Energiehilfen für die Verbraucher bedeuten?
Ein Experte äußert sich dazu ernüchternd. „Die Haushalte in Deutschland profitieren im Durchschnitt kaum von einer Verlängerung der Energiepreisbremsen, weil gleichzeitig zum Jahreswechsel wieder der volle Mehrwertsteuersatz auf Gas fällig wird“, sagte Energieexperte Thorsten Storck vom Vergleichsportal Verivox. Unter dem Strich verteuere sich Erdgas dadurch trotz einer möglichen Preisbremsenverlängerung geringfügig um 0,1 Prozent. Und auch die durchschnittlichen Stromkosten würden durch eine Verlängerung der Preisbremse nur leicht um 0,5 Prozent sinken, so Storck.
Wer würde von einer Verlängerung profitieren?
Grundsätzlich würden die ausgeweiteten Energiehilfen nur bei denjenigen Verbraucherinnen und Verbrauchern ankommen, die derzeit noch in teuren Tarifen steckten. Wer dann aber wechsele, könne deutlich sparen. Verbraucher sollten daher jetzt ihre Preise prüfen, rät Experte Storck. „Wer aktuell mehr als 12 Cent pro Kilowattstunde für Gas und mehr als 40 Cent pro Kilowattstunde für Strom bezahlt, sollte unbedingt den Tarif wechseln.“ Neukundenpreise seien bereits seit einigen Monaten wieder weit unterhalb der Preisbremsen und lägen aktuell bei durchschnittlich 9 Cent je Kilowattstunde Gas und 30 Cent je Kilowattstunde Strom.
Warum äußern Energielieferanten Bedenken?
Der Verband kommunaler Unternehmen (VKU), der unter anderem für die deutschen Stadtwerke spricht, hält die Pläne für eine Verlängerung der Preisbremsen für „unrealistisch“ und „zu kurzfristig“. Unter anderem erfordere das Programmieren der Abrechnungssysteme Zeit, warnte VKU-Hauptgeschäftsführer Ingbert Liebing. „Uns droht, dass eine zugesagte Entlastung nicht flächendeckend umgesetzt werden kann. Das führt zu unzufriedenen Kunden“, so Liebing. Der VKU forderte stattdessen erneut, die von 19 auf 7 Prozent abgesenkte Mehrwertsteuer auf Gas und Wärme auch über das Jahresende hinaus beizubehalten. Die Stromsteuer sollte zudem auf das europäische Minimum reduziert werden.
Was sagt die Wirtschaft?
Die Unternehmen sind nicht vollends zufrieden. Zwar sei die mögliche Verlängerung der Preisbremsen für die breite Wirtschaft eine Versicherung, um die Risiken hoher Energiepreise über den Winter abzufedern, sagte der stellvertretende Hauptgeschäftsführer der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), Achim Dercks. „Allerdings haben viele Betriebe im Rahmen der geltenden Regelungen ihre Höchstgrenzen möglicher Entlastungen bereits erreicht. Das gilt insbesondere für viele mittelständische Industriebetriebe, die unter den hohen Energiepreisen leiden“, erklärte er. Ohne eine europäische Anpassung des Beihilferahmens hätten diese Unternehmen von einer Verlängerung der Preisbremsen gar nichts.
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