Berlin. Geldsorgen und Dauerstress – Ramona (26) kommt trotz BAföG kaum über die Runden. Wo bleibt da die Chancengleichheit, fragt sie sich.
Ramona T. ist Studentin und müsste von 34,42 Euro in der Woche leben, hätte sie keinen Nebenjob. „Ich muss jeden Cent zweimal umdrehen“, sagt die 26-Jährige. Dabei bekommt sie BAföG, also die staatliche Sozialleistung aus dem Bundesausbildungsfördergesetz.
Eigentlich soll es diese Förderung jedem jungen Menschen in Deutschland ermöglichen zu studieren, auch wenn die Eltern diese Ausbildung nicht finanzieren können. Ein Teil dieses Darlehens muss nach dem Studium zurückgezahlt werden. Für Ramona T. sind die 675 Euro, die sie monatlich vom Staat bekommt, aber zu wenig, um davon zu leben. Würde sie nicht einem Nebenjob nachgehen, könnte sie sich ihr Studium nicht leisten.
Arme Studenten: BAföG reicht nicht zum Leben
Damit steht Ramona T. stellvertretend für viele Studierende, die sich ihr Studium wegen steigender Mietpreise und Inflation kaum noch leisten können. Die Chancengleichheit, die das BAföG eigentlich sichern soll, kann es kaum noch gewährleisten. Von der BAföG-Reform, die die Ampel-Koalition versprochen hat, ist nichts mehr viel zu hören.
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„Mein Förderungsbetrag liegt bei 675 Euro. Mit dem Blick auf das Einkommen meiner Eltern soll ich laut BAföG-Bescheid von meinem Vater 86,33 Euro erhalten, von meiner Mutter 172,19 Euro. Also insgesamt 933,51 Euro pro Monat“, sagt Ramona T. Dass sie von ihren Eltern regelmäßig Geld bekomme, sei aber keine Selbstverständlichkeit.
Studentin zum BAföG: „Mit der Inflation ist das zu wenig Geld“
Rund 934 Euro im Monat – was nach gar nicht so wenig Geld klingt, rechnet sich in Ramonas Fall ziemlich schnell runter. Für ihr WG-Zimmer in einer Stadt in Nordrhein-Westfalen zahlt sie 600 Euro im Monat. Sehr viel Geld für 18 Quadratmeter – aber längst keine Seltenheit. Dazu kommen Versicherungen, ein Handyvertrag und eine Mitgliedschaft im Fitnessstudio. „Ich fühle mich schlecht, weil ich einen Spotify-Account für 2,50 Euro im Monat habe“, sagt die Studentin.
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Übrig bleiben ihr 137,69 Euro. Davon muss die Studentin der sozialen Arbeit Lebensmittel und ihre Freizeit finanzieren. „Gerade mit der Inflation ist das zu wenig“, sagt sie. Regelmäßig muss sie Freundinnen und Freunden absagen. Unternehmungen, die Geld kosten, sind mit ihrem Budget selten möglich. Im Supermarkt muss die Studentin genau darauf achten, dass sie sich von den günstigsten Lebensmitteln ernährt. In den Urlaub fahren? Kann sie sich kaum leisten.
„Zum Leben reicht die staatliche Studienfinanzierung vielfach nicht mehr aus“, sagt auch Matthias Anbuhl, Vorstandsvorsitzender des Deutschen Studierendenwerkes. Er beklagt, dass der Grundbedarfssatz für Essen, Trinken und Hygiene mit 452 Euro unter dem vom Bürgergeld mit 502 Euro liegt. „Das BAföG muss endlich wie Renten, Wohngeld oder das Bürgergeld automatisch an steigende Preise und Einkommen angepasst werden“, fordert Anbuhl.
Koalitionsvertrag sieht grundlegende BAföG-Reform vor
Nach so einer Veränderung sieht es derzeit nicht aus. Dabei ist im Koalitionsvertrag von einem „grundlegend reformierten BAföG“ die Rede. Statt gleicher Chancen für alle sehen sich Studierende ohne Unterstützung durch ihre Eltern oder Nebeneinkommen aber derzeit eher vor der Wahl: Studium oder Essen auf dem Tisch?
Zusätzlich sieht der Bundeshaushalt für 2024 Kürzungen im Budget des Bundesbildungsministeriums vor. Die Einsparungen treffen auch die Mittel für das BAföG: von 2,7 Milliarden Euro auf rund zwei Milliarden Euro.
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BAföG-Anpassungen im vergangenen Jahr sollten Inflation abfedern
Das Ministerium begründet diese damit, dass laut Fraunhofer-Institut für angewandte Informationstechnik der Bedarf für BAföG 2024 geringer werden soll. „Die BAföG-Leistungen werden nicht gekürzt“, sagt eine Sprecherin, eine Reform des BAföG habe es bereits gegeben.
Damit meint sie die Änderungen, die die Bundesregierung zum Wintersemester 2022/2023 am BAföG vorgenommen hatte. So war der Freibetrag – also das Vermögen, welches Bafög-Empfänger besitzen dürfen – von 8200 auf 15.000 Euro gestiegen. Auch die Obergrenze des monatlichen Einkommens der Eltern, mit dem ihre Kinder noch BAföG beziehen können, wurde angehoben. Einem Drittel der Studierenden kam zudem eine Erhöhung der Wohnkostenpauschale zugute, von 325 auf 360 Euro.
Gleichzeitig wurden die Bedarfssätze angepasst. Der Förderungshöchstbetrag stieg von 861 Euro auf 943 Euro, der Grundbedarf von 427 Euro auf 452 Euro. Hinzu kommen zwei Heizkostenzuschüsse und eine Einmalzahlung von 200 Euro. Gerade die Anpassungen bei Mietzuschüssen und Grundbeträgen sollten laut Website des Ministeriums die Inflation abfedern.
Ramona T.: „Studierende dürfen in diesem Land nicht existieren“
Das sei zu wenig, beklagen die Interessenvertretungen. Die jüngsten Erhöhungen würden von der Inflation gleich wieder aufgefressen, heißt es aus dem Studierendenwerk. Zusätzlich gebe der bisher geplante Bundeshaushalt weder Erhöhungen noch eine Strukturreform her. „Die BAföG-Versprechen der Koalition drohen zu implodieren“, sagt Anbuhl.
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Sie muss sich jeden Monat mit Minijobs über Wasser halten. Im Drogeriemarkt, in einer Bäckerei und in der Kleinteil-Montage hat sie neben ihrem Studium gearbeitet. Mittel zum Zweck, damit sie am Ende des Monats bei Plus-Minus-Null herauskomme. Fehlende Freizeit, kaum Zeit für sich selbst und Dauerstress – all das bringt ihr notwendiger Nebenverdienst mit sich. „Ich kann mich nicht nur auf das Studium konzentrieren“, sagt sie, „das hat meiner Meinung nach wenig mit Chancengleichheit oder Gerechtigkeit zu tun.“
Jeder dritte Studierende ist armutsgefährdet
Jeder dritte Studierende gilt als armutsgefährdet, sagt Kai Gehring, Vorsitzender des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung. Dabei brauche es finanzielle Sicherheit, um sich auf das Studium zu konzentrieren, betont er. Die Schritte, die bereits umgesetzt worden sind, sieht der Grünen-Politiker zwar, will die staatliche Förderung aber weiter verbessern.
„Trotz angespannter Haushaltslage muss das Bildungsministerium nun einen Fahrplan für die geplante BAföG-Strukturreform vorlegen, um den Koalitionsvertrag umzusetzen“, sagt Gehring. Er unterstützt die Forderung der Studierendenvertretung, die BAföG-Sätze in Zukunft regelmäßig anzupassen. „Um die finanzielle Verlässlichkeit und Planungssicherheit während des Studiums zu erhöhen“, so der Politiker. Gleichzeitig will Gehring den Kreis der BAföG-Empfängerinnen und -Empfänger ausbauen.
Aus dem Ministerium heißt es, man habe die Reform des BAföG im Blick. In welchem Rahmen diese sich bewegen wird, hänge von den haushälterischen Bedingungen ab. Ob der Haushalt wie geplant durchgeht, entscheidet sich Ende November. Dann beschließt der Bundestag, mit welchen Geldern das Bildungsministerium im kommenden Jahr rechnen kann.
Bis dahin wird Ramona T. weiterhin mit ihren finanziellen Problemen kämpfen. Ein Faktor, der die Studentin permanent belastet. „Ich bin sehr froh, wenn ich mit meinem Studium durch bin und keine Geldsorgen mehr habe“, sagt sie.