Berlin. Anfang Oktober stiegen die Zinsen für den KfW-Studienkredit erneut. Wie eine Studentin einen fünfstelligen Schuldenberg anhäufte.

Kellnern, Kindergeld und Erspartes: Zu Beginn ihres Studiums 2017 finanzierte sich Franziska Beck, die eigentlich anders heißt, mit wenigen Mitteln selbst. Jeder Monat wurde zur finanziellen Punktlandung: Um Miete und Lebensunterhalt zahlen zu können, kaufte sie zwei Semester lang nur das Nötigste, verzichtete auf Urlaub, neue Kleidung und teures Essen. Während andere Studierende ihre Freiheit genossen, plagten Beck allumfassende Geldsorgen. Irgendwann merkte sie: So geht es nicht weiter – eine Entlastung musste her.

Beck entschied sich im dritten Semester für einen Bafög-Antrag – der abgelehnt wurde. Ihre Eltern würden zu viel verdienen, hieß es. Sie sind Normalverdiener, die sich damals gerade scheiden ließen. Die elterlichen Lebensumstände und familiären Konflikte hielten die heute 26-Jährige davon ab, um Geld zu bitten.

40.000 Euro Schulden: „Das ist schon eine Hausnummer“

Stattdessen nahm sie einen KfW-Studierendenkredit auf. Rund 550 Euro monatlich bekam die Studentin der Biologie und Geschichte auf Lehramt seitdem von der staatlichen Kreditanstalt für Wiederaufbau. Fünf Jahre später – Beck befindet sich mittlerweile im Master – belaufen sich ihre Schulden auf etwa 30.000 Euro. Am Ende ihres Studiums werden es über 40.000 Euro sein. „Das ist schon eine Hausnummer“, sagt sie.

Beck arbeitet trotz des Kredits weiter neben dem Studium. Die Regelstudienzeit hat sie deshalb schon überschritten. Ohne den KfW-Kredit hätte es aber noch länger gedauert, sagt sie. „Wenn ich unter der Woche mehr hätte arbeiten müssen, hätte ich weniger Kurse belegen können.“ Bei den extrem gestiegenen Zinsen würde ihr schwindelig. Ob sie den Kredit heute noch einmal abschließen würde? „Ich denke, dass mich die hohen Zinsen zu sehr abschrecken würden.“

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Studienkredite sind fast so teuer wie der Dispo

Becks finanzielle Sorgen dürften in Deutschland viele Studierende gut nachvollziehen können. Denn die Zinslast durch einen Studienkredit steigt seit Jahren an. Und so dürften am 1. Oktober viele von ihnen einen bangen Blick auf die Website der KfW geworfen haben. Denn zweimal jährlich passt die Förderbank den Zinssatz für Studienkredite an. Am vergangenen Sonntag war es wieder so weit. Die Bank erhöhte den Zins abermals: 9,01 Prozent beträgt der Effektive Jahreszins nun. Damit kosten Studienkredite inzwischen fast so viel wie die Überziehung des Girokontos.

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Von einer Förderung der Studierenden kann damit nicht mehr die Rede sein. Das war eigentlich das Ziel. Bis zu 650 Euro monatlich gewährt die Bank für die Finanzierung der Ausbildung auf Pump. Sicherheiten müssen die Studierenden nicht vorweisen. Der Kredit wird unabhängig vom Einkommen vergeben. Genau das ist der Grund für die aktuellen Probleme. Denn die KfW vergibt die Kredite zu marktgerechten Konditionen. Da das Ausfallrisiko bei den jungen Kunden vergleichsweise hoch ist, wird dieses Risiko in den Zinssatz eingepreist, das Darlehen wird also teurer.

Lag die Zahl der Neuzusagen für einen Studienkredit 2020 noch bei 40.721, entschlossen sich 2022 nur noch 15.377 Menschen dafür
Lag die Zahl der Neuzusagen für einen Studienkredit 2020 noch bei 40.721, entschlossen sich 2022 nur noch 15.377 Menschen dafür © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Für viele Studierende wird der Kredit zur Schuldenfalle. Da die Konditionen halbjährlich angepasst werden, wissen sie nicht, wie viel sie das Darlehen am Ende kosten wird. „Dieser hohe Zinssatz ist für viele Studierende eine hohe Last“, kritisiert Matthias Anbuhl, Chef des Deutschen Studierendenwerks (DSW). Er rät zur Vorsicht. Das Darlehen sollte nur das letzte Mittel sein, wenn weder die Elternfinanzierung noch Bafög, Nebenjob oder Stipendien für den Lebensunterhalt ausreichen.

Bildungsministerium will Kosten nicht begrenzen

Nach dem Bachelor oder Master müssen die Betroffenen so mit einem hohen Schuldenberg fertig werden. „Das ist ein handfester sozialpolitischer Skandal“, sagt Anbuhl. Die Zinsen liefen aus dem Ruder. Nicht nur individuell ist die Entwicklung problematisch. Auch volkswirtschaftlich droht ein Schaden. Deutschland sei auf einen innovativen akademischen Nachwuchs angewiesen, warnt Michael Voigtländer vom Institut der Deutschen Wirtschaft (IW). Der Experte sieht die Studierenden stark von der allgemeinen Preissteigerung betroffen, insbesondere bei den Wohnkosten. Im Durchschnitt müssen sie allein in diesem Jahr für eine Wohnung oder ein WG-Zimmer 6,2 Prozent mehr aufbringen als im vergangenen Jahr. Auch deshalb fordert der Ökonom eine staatliche Unterstützung, die niedrigere Zinsen für Studienkredite ermöglichen könnte.

Davon will das Bundesbildungsministerium allerdings nichts wissen. „Angesichts der klaren Konzeption als Eigenmittelprogramm und der Haushaltslage war es schlussendlich auch keine Option, den KfW-Studienkredit mit Bundesmitteln zu unterstützen“, sagte eine Sprecherin des Bildungsministeriums dieser Redaktion. Da auch die KfW die Zinsen weder stabil halten noch absenken könne, wird es vorerst wohl bei der hohen Zinslast bleiben.

Studierendenwerke fordern Erhöhung der Elternfreibeträge

Entsprechend unbeliebt ist bei Studierenden diese Geldquelle mittlerweile. Lag die Zahl der Neuzusagen für einen Studienkredit 2020 noch bei 40.721, entschlossen sich im vergangenen Jahr nur noch 15.377 Menschen dafür. Das ist ein Rückgang um mehr als 60 Prozent innerhalb von zwei Jahren, wie aus Zahlen der KfW hervorgeht, die dieser Redaktion vorliegen. Im ersten Halbjahr dieses Jahres schlossen nur noch gut 4000 Studierende einen entsprechenden Kredit ab. Im gleichen Zeitraum stieg der Zinssatz für Neuverträge von 3,76 Prozent (Oktober 2021) auf 7,55 Prozent (April 2023), wie aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der CDU/CSU-Fraktion vom Juli hervorgeht.

Das DSW fordert daher ebenso wie Voigtländer eine Ausweitung des Bafögs als zentrales Element der Studienfinanzierung. Die Bundesregierung müsse die Elternfreibeträge kräftig erhöhen, fordert Matthias Anbuhl vom Deutschen Studierendenwerk. „So können endlich wieder mehr als die derzeit elf Prozent der Studierenden vom Bafög profitieren. Außerdem müsse die Höhe der Zahlung ausreichen, um Studienkredite nicht mehr nötig zu machen.

Eltern könnten mit einem Sparplan die Finanzierung sichern

Die Ausbildung an einer Hochschule ist kostspielig. Zwischen 36.000 Euro und 75.000 Euro veranschlagen die Sparkassen für ein Studium, angefangen von Semestergebühren, dem Lehrmaterial bis hin zu den Lebenshaltungskosten. Außer auf die Eltern und Einkünfte aus einem Nebenjob können wenige der rund 2,8 Millionen Studierenden auf ein Stipendium hoffen. Ansonsten bleibt nur das Bafög als Finanzierungsquelle.

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Auch für die Eltern kann die Finanzierung des Studiums der Kinder zum Problem werden, wenn das Geld nicht reicht. Dafür sollten sie frühzeitig vorsorgen, etwa mit einem Sparplan für die Ausbildung, den sie schon kurz nach der Geburt einrichten. Mit 100 Euro im Monat kommen auf diese Weise bei einer durchschnittlichen Verzinsung bis zur Volljährigkeit rund 38.000 Euro zusammen. Die Finanzierung eines Studiums ist damit weitgehend gesichert.