Negev-Wüste. 260 Tote und 100 Geiselnahmen forderte der Angriff der Hamas auf das Supernova-Festival. Ein Überlebender berichtet, wie er entkam.
Elay Karvani wurde Augenzeuge des Massakers auf dem Supernova-Festival in Israel. 260 Menschen kamen ums Leben als die radikal-islamistischen Terroristen der Hamas das Gelände stürmten. Hier berichtet er, wie er den Angriff erlebte – und überlebte. Ein Protokoll.
Alles begann am Samstagmorgen. Es war 1 Uhr als wir am Festivalgelände ankamen. Wir waren etwa 30 Leute aus der gleichen Gegend in Israel und hatten richtig viel Spaß. Doch plötzlich, um 6.30 Uhr, hörte die Musik auf. Jemand nahm das Mikrofon und sagte „rote Farbe“, was bedeutet, dass Raketen auf dem Weg zu uns sind.
Wir wollten weglaufen, also fingen mein Freund und ich an, zum Auto zu laufen, aber wir warteten auf zwei andere Freunde, die mit uns kommen wollten. Als sie nach zehn Minuten endlich bei uns waren, sahen wir, dass es eine riesige Schlange von Autos gab, die ebenfalls versuchten zu entkommen. Also beschlossen wir, dass es besser und sicherer ist, nicht im Auto, sondern zwischen den Dünen zu warten bis es vorbei ist. Viele Menschen, die im Süden Israels leben, haben uns währenddessen gesagt, dass sie an solche Alarme gewöhnt sind und dass der „Iron Dome“ das Gebiet schützen würde.
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20 Minuten später hören wir Schüsse einer AK47 und entschlossen uns zu fliehen. Wir rannten zurück zum Auto und fuhren an der Seite um die wartenden Fahrzeuge herum. Gleichzeitig warnten wir die Leute in unserer Nähe davor, dass Terroristen in der Gegend sind. Am Ende der Schlange standen auf jeder Seite zwei Polizeiautos, die die Straße blockierten. Ich fragte den Polizisten, was los sei und warum wir nicht weiterfahren durften und er sagte: „Ich weiß es nicht, aber ich habe den Befehl euch nicht durchzulassen, es ist zu gefährlich.“
Überlebender des Festivals in der Negev-Wüste: „Wir hörten überall Schüsse“
Ein paar Minuten später sahen wir einen Mann, der eine blutende und bewusstlose Frau festhielt. Ihre Freundin weinte und sagte, dass sie in einem Schutzraum in der Nähe waren, Terroristen gekommen seien und Granaten zu ihnen hineingeworfen hätten. Zwei ihrer Freunde sind dabei ermordet worden.
Nach ein paar Sekunden forderte die Polizei alle durch einen Lautsprecher auf, nach Osten zu laufen. Das Problem war, dass die Ostseite lediglich aus einem völlig offenen Feld bestand. Wir begannen trotzdem in die Richtung zu rennen und hörten immer wieder Schüsse hinter uns, aber wir schauten nicht zurück.
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Unser Plan war in die nächstgelegene Stadt zu gelangen, weil wir hofften, dort in Sicherheit zu sein. Wir vier rannten alle zusammen mit einer Gruppe von drei unbewaffneten Soldaten und einem weiteren Jungen und einem Mädchen, die ebenfalls auf dem Festival waren. Nach ungefähr drei Kilometern kamen wir an einen Punkt, an dem wir überall Schüsse hörten und beschlossen, dass es die beste Idee ist, sich irgendwo zu verstecken.
Wir kamen zu einem Feld voller Avocadobäume, teilten uns in Paare auf und versteckten uns unter den Bäumen. In diesem Moment hörten wir so viele Schüsse, dass ich meiner Familie eine Nachricht schickte, in der ich ihnen sagte, dass ich sie liebe, egal was passiert. Wir dachten, unser Ende ist gekommen.
„Neun Stunden harrten wir in einem Feld mit Avocadobäumen aus“
Nach 30 Minuten hörten wir Schritte in unsere Nähe und Menschen, die Arabisch sprachen. Wir sahen etwa vier oder fünf Terroristen nur fünf Meter von uns entfernt, also standen wir auf und rannten so schnell wir konnten auf die andere Seite des Feldes. Danach habe ich zwei meiner Freunde aus den Augen verloren. Ein Freund, der Junge, das Mädchen und die drei Soldaten waren noch bei uns. Wir blieben in demselben Feld und hielten uns weiterhin versteckt.
Einer der Soldaten rief immer wieder seinen Kommandeur an und bat um Verstärkung. Nach etwa zwei Stunden hörten wir die Verstärkung ankommen. Sobald sie näher kam, hörten wir riesige Explosionen und sofort begann eine Schlacht auszubrechen. Nach ein paar Minuten hörten wir nur noch Arabisch und die AK47. In diesem Moment dachte ich wieder, dass das jetzt das Ende ist.
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Dann bekam mein Freund eine WhatsApp Nachricht von einem Hubschrauberpiloten, der über uns kreiste. Er sagte, dass viele Terroristen in unserer Gegend unterwegs seien, er uns aber nicht entdecken konnte. Also forderte er uns auf, herauszukommen und ihm zuzuwinken, damit er Truppen zu uns schicken könne. Wir beschlossen, dass das zu gefährlich ist und blieben unter den Bäumen sitzen. Nach einer Weile ging dem Piloten der Treibstoff aus.
Neun Stunden harrten wir in dem Feld aus. Dann kam eine Gruppe von fünf Soldaten und schrie unsere Namen. Erst dann kamen wir aus unserem Versteck heraus. Es dauerte noch weitere 40 Minuten Fahrt, bis wir endlich an einem sicheren Ort angekommen sind. Der ganze Weg war voller Leichen von Zivilisten, die in ihren Autos ermordet wurden, Krankenwagen, Polizisten, Soldaten und Bürgern, die versuchten sich in den umliegenden Häusern zu verstecken. Erst um 20 Uhr war ich endlich wieder zu Hause.