Berlin. Zur Kriegslist gehört täuschen. Eine tschechische Firma hat ihre Nische gefunden: aufblasbare Attrappen. Mit heißer Luft gegen Putin?
Die Auftragsbücher sind voll, Umsatz und Gewinne steigen. Das Portfolio von "Inflatech": Panzer, Radargeräte, Raketenwerfer, Flugzeuge. Und trotzdem ist es kein Rüstungsunternehmen.
Denn die vermeintlichen Waffen sind aufblasbar. Das tschechische Unternehmen produziert Attrappen aus Kunstseide. Der Slogan der Firma verrät die Philosophie: "Die Kunst des Krieges ist Täuschung."
Mit solchen Ködern führt die Ukraine die Materialschlacht mit den Russen ad absurdum. Die Köder sind die Antwort auf Russlands Massenproduktion von Kamikaze-Drohnen. Drohnen wie Attrappe kosten schätzungsweise jeweils rund 20.000 Euro.
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Attrappen: Warum heiße Luft Leben rettet
Der Ukraine-Krieg wird auch ökonomisch ausgetragen. Ein Leopard-Panzer kostet mehrere Millionen Euro, eine Attrappe ein Bruchteil davon. Eine Rakete schlägt mit 100.000 Euro oder mehr zu Buche. Trifft sie eine Attrappe und keinen Panzer, ist es für den Angreifer ein schlechtes Geschäft. Eine Rakete, die einen falschen Panzer trifft, kann keinen echten unschädlich machen. Heiße Luft rettet – Leben.
Auch die Ukraine produziert unter Hochdruck Attrappen aus Plastik, Holz und Metall. Der britische "Guardian" hat eine solche (geheime) Fabrik in der Ukraine besucht. Wenn also sich die Russen damit brüsten, einen Leopard-Panzer und High-Tech aus dem Westen vernichtet zu haben, haben sie mitunter nur einen Köder erlegt, wie folgender Tweet auf X, ehemals Twitter, belegt:
Auf der Homepage von "Inflatech" kann man den Katalog der Tschechen durchblättern. Schon das Angebot lässt ahnen, wen sie als Kunden im Auge haben und warum sie ihren Umsatz seit Beginn des Ukraine-Kriegs von 23,5 Millionen tschechischen Kronen auf 57,5 Millionen mehr als verdoppelt haben.
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Auffällig ist jedenfalls, dass sie Nachbildungen von Leo-Panzern, aber auch von US-Waffensystemen wie den Raketenwerfer Himars oder den amerikanischen Abrams-Kampfpanzer anbieten. Es sind die Waffen, mit denen der Westen die Ukraine beliefert.
Für Wärmebildkameras und Radar schwer auszumachen
Eine einfache Attrappe lässt sich von einer Person im Rucksack tragen. Innerhalb zehn Minuten hat man die zusammengefaltete "Waffe" ausgebreitet und mit einem Kompressor aufgeblasen. Eine Metallstange gibt ihr die nötige Stabilität – schon steht die Waffe.
Die Attrappen heizen sich so auf, dass sie für die Wärmebildkameras des Gegners nicht von einem hochwertigen Ziel zu unterscheiden sind, wie Inflatech-Geschäftsführer Vojtech Fresser gegenüber einer Nachrichtenagentur erläuterte. Der Trick ist, dass sie thermische Signaturen haben und mittels Radarsignaturen selbst moderne Überwachungssysteme täuschen können.
Attrappen aus Kunstseide zusammengenäht
Aus der Nähe wirken sie lächerlich unecht, aber aus der Vogelperspektive einer Drohne sieht das schon anders aus. Und die Tschechen haben noch mehr drauf.
Die Premium-Attrappe eines Panzers fährt selbständig, gesteuert per Fernbedienung. Sie kann wie ein echter Panzer entlang eines Weges fahren und sich hinter einer Böschung verstecken; ganz so, wie ein echter Panzer vorgehen würden. Wenn die Russen den Abschuss eines Leo-Panzers melden, kann es sein, dass die vermeintliche Waffe von einigen Näherinnen in Decin aus olivgrünen Stoffbahnen zusammengefügt worden sind.
Angefangen haben sie bei Inflatech 2014 mit der Produktion von Hüpfburgen für Kinder. Dann entdeckte man eine Marktlücke bei militärischen Täuschkörpern. Wobei die meisten von ihnen ursprünglich zu Übungszwecken verwendet wurden. Die Tschechen haben sie verfeinert, zum Täuschen und Tarnen konzipiert.
Dass auch Wladimir Putins Armee Attrappen ins Feld führen, davon kann man ausgehen. Waffenattrappen haben eine lange Tradition. Im Ukraine-Krieg sind sie womöglich entscheidend, weil es letztlich darauf ankommt, wer die größeren Reserven hat. Oder auch nicht. Sondern nur heiße Luft.
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