Berlin. Die Forderungen der Ukraine nach Taurus-Marschflugkörpern sind berechtigt. Die Bedenken der Bundesregierung sind es aber auch. Was tun?

Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine sorgt seit mehr als 570 Tagen für Tod und Verderben. Die Kämpfe sind brutal. Die Ukraine befindet sich in einem Überlebenskampf gegen die russische Übermacht und fordert von den westlichen Verbündeten immer neue Waffen. Es kommt auf jeden Tag an. Ohne die militärische Unterstützung kann sich die Ukraine nicht behaupten.

Fast alles, was der ukrainische Präsident Selenskyj wollte, wurde am Ende auch geliefert: Raketen, Munition, Luftabwehr, Panzer. Doch vor allem die Bundesregierung nimmt sich Zeit für die Entscheidungen. Kanzler Olaf Scholz vermeidet Alleingänge, versucht, Waffenlieferungen mit den Bündnispartnern abzustimmen. Man kann es zögerlich nennen – oder auch besonnen.

Ukraine-Krieg: Taurus könnte bis nach Russland fliegen

Ja, die Ukraine braucht alles, was sie bekommen kann. Aber ein Bundeskanzler hat eine weitergehende Verantwortung. Bei der Lieferung schwerer Waffen steckt der Teufel oft im Detail. Und es ist richtig, diese Details auszumachen, bevor Versprechungen erfolgen.

LandUkraine
KontinentEuropa
HauptstadtKiew
Fläche603.700 Quadratkilometer (inklusive Ostukraine und Krim)
Einwohnerca. 41 Millionen
StaatsoberhauptPräsident Wolodymyr Selenskyj
RegierungschefMinisterpräsident Denys Schmyhal
Unabhängigkeit24. August 1991 (von der Sowjetunion)
SpracheUkrainisch
WährungHrywnja

Das gilt auch für die Lieferung der von Kiew herbeigesehnten Taurus-Marschflugkörper, selbst wenn das Zeit kostet. Der Taurus KEPD 350 ist einer der modernsten Flugkörper der Luftwaffe, er wird von Kampfflugzeugen gestartet und hat eine Reichweite von bis zu 500 Kilometern. Er könnte also weit nach Russland hineinfliegen und dort seine Zerstörungskraft entfalten.

Hier kommen die ersten Bedenken. SPD-Außenpolitiker Stegner warnte vor einer „Eskalation des Krieges“. Auch wenn sich die Regierung in Kiew bisher immer an ihr Versprechen gehalten hat, westliche Waffen nicht für Angriffe auf russisches Gebiet einzusetzen, müssen sie ausgeräumt werden.

Gudrun Büscher
Gudrun Büscher © FUNKE Foto Services | Reto Klar

Ukraine: Erst Ende des Jahres werden die ersten F-16-Jets ausgeliefert

Selenskyj kennt die Einwände. Er wird in New York versuchen, sie zu zerstreuen. Für die Ukraine ist Besonnenheit bei Waffenlieferungen eine Tugend, die Menschenleben kostet. Seit dem Beginn des russischen Überfalls im Februar vergangenen Jahres zieren sich die westlichen Alliierten immer wieder, die Ukraine mit militärisch notwendigen Rüstungsgütern auszustatten. Am Ende der oft zähen Diskussionen liefern sie doch.

Ukraine-Krieg – Hintergründe und Erklärungen zum Konflikt

Wer auf das Schlachtfeld schaut, kann erkennen, dass die Gegenoffensive auch deshalb so schleppend und unter so großen ukrainischen Verlusten verläuft, weil Russland genug Zeit hatte, Verteidigungsringe aufzubauen. Zudem haben die russischen Streitkräfte noch immer die Lufthoheit.

Die ukrainischen Soldaten müssen durch dichte Minenfelder vorrücken und werden von russischen Kampfhubschraubern attackiert. Die ersten F-16-Kampfjets, die mehr Schutz für die Infanteristen bieten können, werden nach langer Debatte nun Ende des Jahres ausgeliefert.

Einsatz von Bundeswehrsoldaten bleibt in der Ukraine bleibt tabu

Das wird bei den deutschen Taurus-Marschflugkörpern wohl ähnlich sein. Sie sind so begehrt, weil sie mehr noch als die britischen Storm-Shadow- oder die französischen Scalp-Marschflugkörper geeignet sind, russische Nachschublinien zu kappen. Mit ihnen könnte beispielsweise die Kertsch-Brücke, die das russische Festland und die besetzte Halbinsel Krim verbindet, nachhaltig beschädigt werden.

Es ist keine Frage, ob Deutschland liefert, sondern nur wann. Technisch lässt sich die Reichweite reduzieren. Auch die Frage, ob die komplizierten Taurus-Flugkörper vor Ort ohne die Hilfe von Soldaten der Bundeswehr in Betrieb genommen werden können, sollte besonnen, aber zeitnah beantwortet werden. Denn eins ist klar: Der Einsatz von Bundeswehrsoldaten in der Ukraine bleibt ausgeschlossen, ihr Einsatz erfolgt nur im Grenzgebiet.