Washington. Losgelöst von seinen Strafverfahren hat Trump sein Anrecht auf eine erneute Kandidatur bereits verwirkt – sagt die US-Verfassung.
Auf seine Präsidentschaftskandidatur verzichten, um den inneren Frieden Amerikas zu wahren, das wird Donald Trump nach menschlichem Ermessen nicht tun. Und ob eines der vier großen Strafverfahren gegen ihn bis November nächsten Jahres, wenn Amerika zur Wahlurne schreitet, mit einer rechtskräftigen Gefängnisstrafe endet, ist offen bis wenig wahrscheinlich. Auch ein „Deal”, der Trump Straffreiheit zusichert, wenn er seine politischen Ambitionen ein für alle Mal begräbt, ist konkret noch nirgends nicht in Sicht.
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Gibt es also gar kein Mittel, den, wie ausgerechnet seine republikanische Konkurrentin Nikki Haley sagt, „unbeliebtesten Politiker in den Vereinigten Staaten” 2024 zu verhindern? Doch, gibt es. Das sagen zumindest prominente Rechtsgelehrte und verweisen auf die säkulare Bibel der Vereinigten Staaten – die Verfassung.
Dort heißt es im 14. Verfassungszusatz Abschnitt III, dass niemand mehr ein öffentliches Amt bekleiden darf, der er als Vertreter einer der drei Staatsgewalten – Regierung, Parlament, Justiz – an einem Aufstand oder Aufruhr („insurrection or rebellion“) gegen sie teilgenommen oder ihre Feinde unterstützt hat. Der Passus wurde nach dem Bürgerkrieg Mitte des 19. Jahrhunderts genutzt, um Anhängern der unterlegenen Südstaaten Mandate im Kongress in Washington zu verwehren.
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USA: Verstoß gegen die Verfassung – Unterstützung einer Rebellion
Bei einem ehemaligen Präsidenten fand er noch nie Anwendung. Das soll sich ändern. Bereits der parlamentarische Untersuchungsausschuss im Kongress, der die Geschehnisse vor und nach dem Sturm aufs Kapitol 18 Monate lang akribisch untersucht hatte, konstatierte in seinem 800-seitigen Abschlussbericht: Trump hat sein Anrecht verwirkt, noch ein Mal für das höchste Staatsamt anzutreten.
„Unser Land hat es zu weit gebracht, um einem besiegten Präsidenten zu erlauben, sich in einen erfolgreichen Tyrannen zu verwandeln”, schrieb damals der demokratische Ausschussvorsitzende Bennie Thompson. Donald Trump habe die Institutionen der amerikanischen Demokratie entmachten wollen, Gewalt geschürt und denjenigen Tür und Tor geöffnet, „deren Hass und Bigotterie die Gleichheit und Gerechtigkeit für alle Amerikaner bedroht”.
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Die renommierten konservativen Verfassungsrechtler William Baude und Michael Stokes Paulson haben sich ein Jahr lang den Kopf zerbrochen, ob „der 14.” im Fall Trump wirklich ziehen kann. Ihr Ergebnis wird erst Anfang des kommenden Jahres auf Papier vorliegen. Die digitale Version der Expertise elektrisiert aber bereits seit Tagen den politisch-juristischen Komplex in Washington.
US-Wahlbeamte könnten Trump schon von Wahlzetteln streichen
Baude und sein Kollege kommen zu dem Schluss, dass Trump sich durch seine intensive Beteiligung im Vorfeld des Sturms aufs Kapitol am 6. Januar 2021 für eine weitere Präsidentschaftskandidatur eindeutig „disqualifiziert” habe. Unter Verweis auf den 14. Verfassungszusatz könnten die obersten Wahlbeamten der 50 Bundesstaaten – die „secretaries of state” – bereits heute den Namen Trump von den Wahlzetteln für den 5. November 2024 streichen, sagen Baude und Paulson. Und zwar ohne zusätzliche Gesetze oder gerichtliche Sondergenehmigungen.
Dem stimmt auch Steven Calabrisi, Jura-Professor an der Northwestern Universität in Chicago, zu. Der Gründer der erzkonservativen „Federalist Society” schreibt, dass Trump seine Anhänger damals aufgerufen hat, „wie verrückt zu kämpfen”, um die an jenem Tag anstehende Zertifizierung des Wahlsieges von Joe Biden zu verhindern. Als die gewaltsame Erstürmung der Herzkammer der US-Demokratie im Gange war, habe Trump nichts unternommen, sie zu unterbinden. Das allein erfülle den Tatbestand, eine „Rebellion zu unterstützen” – unabhängig von einer möglichen Verurteilung dafür, selbige entfacht zu haben.
Andere Justiz-Promis wie der konservative ehemalige Bundesrichter Michael Luttig, der zu den prononciertesten Trump-Gegnern zählt, ergänzen einen weiteren Aspekt. „Keine Person, die versucht hat, die Verfassung außer Kraft zu setzen beziehungsweise aufzulösen und seine unmittelbarer Rückkehr ins Weiße Haus verlangt hat“, könne jemals mehr in gutem Glauben den präsidialen Eid auf die Verfassung schwören.
Gouverneur Gavin: Trump per Sondergesetz verhindern
Auf der argumentativen Gegenseite bewegt sich Michael McConnell, Rechts-Professor in Stanford. Er betont, er habe „wenig übrig“ für Trump. Aber von Wahlbeamten in den Bundesstaaten zu verlangen, ihn von den Wahlzetteln zu streichen, wäre nicht nur „höchst undemokratisch”, sondern auch ein bedenklicher Präzedenzfall. Künftig könnten sich beide großen Parteien, Demokraten wie Republikaner, ermutigt sehen, nach der Aussortierung von Kandidaten zu rufen, die sich den Zielen eines politischen Aufstands verschreiben.
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McConnells Kollege Noah Feldman (Harvard) hielte es für erforderlich, dass der Kongress ein entsprechendes Einzelfallgesetz verabschiedet, wollte man Trump in der Tat vor der Wahl 2024 aus den Wahlunterlagen streichen. Käme es aber so, wäre der Vorstoß wahrscheinlich tot, sagen Analysten. „Die Mehrheitsverhältnisse im Senat wie im Repräsentantenhaus stünden dem im Weg.”
Unterdessen wird immer mehr Aktivität erkennbar bei Graswurzel-Bewegungen wie „Free Speech” und „Citizens for Responsibility and Ethics”. Sie haben offiziell in bisher zehn Bundesstaaten beantragt, Trump vom Wahlzettel zu entfernen. In der großen Politik hat bisher nur der kalifornische Gouverneur Gavin Newsom einen Stein ins Wasser geworfen. Er forderte das Parlament in Sacramento auf, Trump per Sondergesetz zu verhindern. Am Ende, so die vorherrschende Meinung, wird einmal mehr das Oberste Gericht in Washington entscheiden.
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