Berlin. Nach der Flutwelle stehen Häuser und Getreidelager unter Wasser, Minen wurden weggespült – und die Wiederaufbau-Kosten explodieren.
Die Ukraine rechnet nach der Sprengung des Kachowka-Staudamms mit Milliardenschäden für Menschen, Umwelt und Landwirtschaft. „Die Verluste für die Fischerei durch den Verlust aller biologischen Ressourcen werden gravierend sein. In der Region Cherson wurde bereits ein Fischsterben registriert“, sagte der ukrainische Botschafter in Berlin, Oleksii Makeiev, unserer Redaktion. „Die Gesamtschäden werden erst sichtbar, wenn das Wasser abgelaufen ist.“
Die Kosten für den raschen Wiederaufbau der Ukraine allein in diesem Jahr beliefen sich auf 14,1 Milliarden Dollar, betonte Makeiev. Davon würden 3,3 Milliarden Dollar bereits im Haushalt der Ukraine bereitgestellt. „Städte, Infrastruktur, ganze Industrien müssen wiederaufgebaut werden.“ Der ukrainischen Landwirtschaft – vor allem der Getreide-Industrie – drohten durch die Überflutung gewaltige Schäden.
- Kriegsmaterial: Gehen Russland im Ukraine-Krieg die Panzer aus?
- Teure Produkte: Russen kaufen westliche Waren, die in Kiew niemand will
- Rüstungsmesse: Panzer, Drohnen – und die Rakete, die uns vor Putin rettet
- Militärexperte: Masala: „Auf der Krim hat die Ukraine jetzt die Initiative“
Getreidelager nach Staudamm-Katastrophe unter Wasser: „Nur wenige Schiffe können beladen werden“
„Mehr als 20.000 Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche, auf der sich der ukrainische Gemüseanbau konzentrierte, wurden für viele Jahre außer Betrieb genommen“, erklärte der ukrainische Botschafter. „Die Getreidelager stehen unter Wasser. Nur wenige Schiffe in den Schwarzmeer-Häfen, die die ganze Welt mit Getreide beliefern, können beladen werden.“
Die ukrainische Regierung hatte nach der Damm-Sprengung beim deutschen Außenministerium eine Anfrage für Soforthilfe gestellt. Auf der Liste, die unserer Redaktion vorliegt, sind 26 Punkte aufgeführt. Beispiele: zehn Tanklaster zur Trinkwasserversorgung, 30 mobile Wasseraufbereitungsanlagen, 120 motorbetriebene Schlauchboote, 500 Rettungsbojen, 200 Motorpumpen für Schmutzwasser, 10.500 Feuerwehrschläuche und 1000 Schwimmwesten.
Ukraine: Gefahr durch Anti-Personen-Minen am Ufer des Dnipro
Darüber hinaus befürchtet der ukrainische Diplomat Schäden durch explodierende Minen. „Russland hat am Ufer des Dnipro viele der international geächteten Anti-Personen-Minen verlegt. Durch die Überflutung wurden auch diese Minen erfasst, die jederzeit explodieren können“, so der Diplomat. „Das ist eine große potenzielle Gefahr für die Menschen.“
Auf die Frage, ob Russland nach der Damm-Sprengung auch eine Beschädigung des Atomkraftwerks Saporischschja erwägen könnte, antwortete Makeiev: „Es ist alles möglich. Den Russen kann man grundsätzlich alles zutrauen. Russland ist ein Terrorstaat und sehr unberechenbar. Ich konnte mir bis vor Kurzem nicht vorstellen, dass es zur Sprengung eines Staudamms kommt.“
Lesen Sie auch: Staudamm gesprengt: Was jetzt am AKW Saproischschja droht
Mehrere Tausend Menschen seien von den Überflutungen betroffen, unterstrich Makeiev. „Wir reden dann von Tausenden Binnenflüchtlinge, die in der ganzen Ukraine verteilt und untergebracht werden müssen. Wir brauchen dafür Geld und Wohnungen.“
Unter den Top-Prioritäten für den Wiederaufbau 2023 nennt Kiew die Energieinfrastruktur (bis zu 4,6 Milliarden Dollar), Verkehr (3,5 Milliarden Dollar) und Wohnungsbau (1,9 Milliarden Dollar). In einem Zeitraum von zehn Jahren beziffert die Regierung die Kosten für den Wiederaufbau des Landes auf 411 Milliarden Dollar. Sie bezieht sich dabei auf eigene Angaben sowie Daten von Weltbank, EU und UN. Deutschland habe seit Beginn des Krieges die Ukraine mit 16,8 Milliarden Euro unterstützt.
Ukraine-Krieg – Hintergründe und Erklärungen zum Konflikt
- Historie: Liegt der Grund für den Ukraine-Krieg in der Geschichte?
- Putins Ziele: Warum Russland die Ukraine angegriffen hat
- Präsident: Wolodymyr Selenskyj ist Putins Feind Nr. 1
- Verteidigungsbündnis: Die Nato einfach erklärt – Warum sie für Putin ein Ärgernis ist