Berlin. Das Sinaloa-Kartell gilt als eine der größten Drogenbanden der Welt. Als Emma Coronel Aispuro deren Chef heiratete, wurde sie Teil davon.

Dass man nicht mit allem so ganz einverstanden ist, was der Partner oder die Partnerin so treibt, ist wohl ganz normal. Über die ein oder andere Macke schaut man liebevoll hinweg. Wenn der Ehemann allerdings das Oberhaupt eines Drogenkartells ist und eigenen Aussagen zufolge 2000 Auftragsmorde befehligt haben soll – kann man das noch ignorieren?

Emma Coronel Aispuro scheint mit den Machenschaften ihres Ehemanns keine Probleme zu haben. Seit 2007 ist sie mit Joaquín Archivaldo Guzmán Loera verheiratet, der wohl besser als „El Chapo“ bekannt ist, einer der gefährlichsten und skrupellosesten Drogenbosse aller Zeiten. Doch welche Rolle spielte die ehemalige Schönheitskönigin in „El Chapos“ düsteren Plänen?

Schönheitskönigin in Mexiko: Und dann kam „El Chapo“

Emma Coronel Aispuro wurde 1989 in Kalifornien geboren. Ihre Kindheit und Jugend verbrachte sie jedoch im Norden Mexikos, der als Zentrum für den Drogenhandel in die USA bekannt ist. Im zarten Alter von gerade mal 17 Jahren nahm Coronel Aispuro an einem Schönheitswettbewerb in der Stadt Canelas teil, den sie schließlich auch gewann.

Emma Coronel Aispuro ist seit 2007 mit Drogenboss „El Chapo“ verheiratet.
Emma Coronel Aispuro ist seit 2007 mit Drogenboss „El Chapo“ verheiratet. © AFP | DON EMMERT

Zu dieser Zeit traf sie das erste Mal ihren zukünftigen Ehemann „El Chapo“, den sie schließlich wenig später im Alter von 18 Jahren kirchlich heiratete. Ob diese Heirat bei den mexikanischen Behörden offiziell gemeldet wurde, ist bis heute nicht bestätigt. Wie viel Coronel Aispuro zu diesem Zeitpunkt über die Machenschaften ihres Mannes wusste – ebenso unklar.

Sinaloa-Kartell: Eine der berüchtigsten Drogenbanden der Erde

Dabei hat das sogenannten Sinaloa-Kartell, dem „El Chapo“ vorsteht, gelinde gesagt einiges auf dem Kerbholz. Schätzungen der ermittelnden US-Behörden zufolge hat das Sinaloa-Cartel allein über 1000 Tonnen Kokain, Marihuana, Methamphetamin und Heroin in die USA hineingeschmuggelt. Die Schäden, die diese Drogen in der Bevölkerung ausgelöst haben, lassen sich nur schwer abschätzen, dürften aber ohne weiteres in die Milliarden gehen.

Während als dieser Machenschaften erfreute sich Emma Coronel Aispuro in aller Ruhe ihrer Schwangerschaft. Im Jahr 2011 reiste sie – ihrer doppelten Staatsbürgerschaft sei dank – problemlos nach Kalifornien ein, wo sie Zwillingsmädchen zur Welt brachte. Diese Reise hatte einen einfachen Hintergrund: Die beiden Mädchen erhielten somit automatisch die US-Amerikanische Staatsbürgerschaft.

„El Chapo“ im Gefängnis: Half Coronel Aispuro beim Ausbruch?

Ein entspannter Start in ein gemeinsames Familienleben? Ganz so einfach gestaltete sich die Zukunft dann nicht. 2014 wurde „El Chapo“ nach 13 Jahren Fahndung festgenommen und ins Hochsicherheitsgefängnis Altiplano in Mexiko gebracht.

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Dort sollte er jedoch nicht lange die Gefängnisbank drücken: Bereits nach 17 Monaten gelang dem Drogenboss die Flucht. Durch ein ausgefeiltes Tunnelsystem, das sogar mit Lüftungsschächten versehen war, konnte er aus seiner Zelle in ein nahegelegenes Lagerhaus entkommen. Über ein ins Gefängnis geschmuggeltes GPS-Gerät wussten die Tunnelbauer genau, wohin sie graben mussten. Seiner Frau wurde vorgeworfen, die Wächter mit hohen Geldsummen bestochen zu haben, um beim Tunnelbau wegzusehen – offiziell belegt wurde das jedoch nie.

Joaquin
„El Chapo“ bei seiner Festnahme im Jahr 2014. © picture alliance/AP Photo | Eduardo Verdugo

Vor Gericht: Coronel Aispuro lacht Opfer aus

Sechs Monate später konnten mexikanische Spezialeinheiten den Drogenboss jedoch in der Nähe von Los Mochis, einem Ort im Bundesstaat Sinaloa, erneut festnehmen. „El Chapo“ wurde an die USA ausgeliefert und in New York vor Gericht gestellt. Während des Prozesses saß Emma Coronel Aispuro fast täglich im Gerichtssaal. Dabei legte sie regelmäßig erinnerungswürdige Auftritte hin. Makellos gekleidet und perfekt frisiert spazierte sie in den Saal, lächelte und winkte ihrem Mann zu. Medienberichten zufolge lachte sie sogar, als eines der Opfer ihres Mannes ein tränenreiches Statement abgab.

Gegenüber der Tageszeitung „New York Times“ äußerte sie später deutlich nüchterner, dass sie ihren Ehemann in den grausamen Aussagen nicht wiedererkannt habe. Stattdessen nannte sie ihn einen „exzellenten Vater, Freund, Bruder, Sohn und Partner.“ Als „El Chapo“ im Februar 2019 letztlich zu lebenslanger Haft verurteilt wurde, streckten sich die beiden gegenseitig einen erhobenen Daumen entgegen. Eine Geste, die weder überrascht noch auf eine besondere emotionale Ebene hindeutet. Seit diesem Tag sitzt der Drogenboss eine lebenslängliche Gefängnisstrafe in Colorado ab.

Die Schönheitskönigin landet selbst vor Gericht

Coronel-Aispuro selbst wurde zunächst nicht angeklagt. Das änderte sich im Jahr 2021, als sie am Flughafen Dulles in der Nähe von Washington D.C. festgenommen wurde. Der Vorwurf: Sie soll ihrem Mann dabei geholfen haben, sein Drogenimperium zu führen. Die Ermittler warfen ihr vor, bei der Flucht ihres Mannes eine entscheidende Rolle gespielt zu haben.

Zudem wurde ihr zu Last gelegt, dass sie El Chapo während seiner Flucht und während seiner Zeit im Gefängnis Nachrichten übermittelt und andererseits Befehle an „El Chapos“ Kartell-Offiziere weitergegeben habe. Sie sei sich somit voll über die kriminellen Aktivitäten ihres Mannes bewusst gewesen und habe „das Ausmaß des Drogenhandels des Sinaloa-Kartells verstanden“. Sie selbst beteuerte dennoch stets ihre Unschuld und behauptete, nie etwas mit den Verbrechen ihres Mannes zu tun gehabt oder überhaupt davon gewusst zu haben.

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Überraschend plädierte Coronel Aispuro während des Prozesses trotzdem auf „schuldig“. Der Beginn eines tiefempfundenen Wandels? Vor der Urteilsverkündung bat den Richter um Nachsicht: „Ich bitte Sie, lassen Sie es nicht zu, dass meine Kinder ohne die Anwesenheit ihrer Mutter aufwachsen müssen.“ Dennoch wurde sie zu drei Jahren Gefängnis verurteilt. Die Strafe wurde jedoch Stück für Stück verkürzt, bis sie schließlich nach knapp zweieinhalb Jahren im September 2023 aus dem Gefängnis entlassen wurde. Danach wurde es ruhig um die zweifache Mutter. Bis jetzt.

Heute: Laufsteg statt Gefängniszelle

Nach ihrer Zeit im Gefängnis hatte Emma Coronel Aispuro scheinbar keine Probleme, einen neuen Job zu finden. Erst vergangenen September, rund ein Jahr nach ihrer Entlassung, tauchte die heute 35-Jährige bei der Fashion Week in Mailand auf – als Model. Im Palazzo Serbelloni präsentierte Coronel Aispuro eine vor Diamanten strahlende Robe von Luxusmode-Designerin Black Diamond.

Die Designerin begründete diese doch überraschende Besetzung wie folgt: „Als Designerin glaube ich, dass jeder eine zweite Chance verdient. Mode ist die perfekte Plattform, um Transformation, Stärke und Widerstandsfähigkeit hervorzuheben. Deshalb habe ich die mutige Entscheidung getroffen, eine außergewöhnliche Frau als mein Hauptmodell zu engagieren, eine Frau, die trotz einer von Kontroversen geprägten Vergangenheit beschlossen hat, ihre Zukunft neu zu gestalten.“

Worte, die sich Emma Coronel Aispuro zu Herzen genommen haben scheint. Zumindest beruflich könnte sie auf den Pfad der Tugend zurückgekehrt sein. Das zeigt auch ein Auftritt als Hauptdarstellerin im Musikvideo „La Señora“ der Sängerin Mariel Colón Miró.