Rom. In Italiens „Dorf der Hundertjährigen“ werden die Menschen besonders alt. Eine von – selbst schon 102 – ihren verrät ihr Geheimnis.
Es ist kühler geworden auf Sardinien. Der Sommer mit seinen Touristenscharen ist vorbei, jetzt im Herbst kehrt auf der Insel Ruhe ein. Annunziata Stori genießt diese Jahreszeit. Gemeinsam mit ihrem Sohn pflegt sie den Garten der Familie. Das hat sie von klein auf gemacht – und denkt mit 102 Jahren noch nicht ans Aufhören.
„Den Gemüsegarten liebt meine Mutter ganz besonders“, erzählt Annunziatas Sohn Mario Lai. Die Familie lebt seit Generationen in Perdasdefogu. Die Gemeinde mit dem schwer aussprechbaren Namen ist als „Dorf der Hundertjährigen“ bekannt und schaffte es 2022 als Ort mit der höchsten Quote an Hundertjährigen sogar ins „Guinnessbuch der Rekorde“: Von insgesamt 1778 Einwohnern waren damals acht Menschen über 100 Jahr alt.
„Dorf der Hundertjährigen“ in Italien: Das ist ihr Geheimnis
Das Geheimnis der Langlebigkeit in Perdasdefogu beschäftigt Wissenschaftler auf der ganzen Welt. Während man lange der Meinung war, die gut gealterten Italiener hätten einfach „gute Gene“, sind sich Forscher heute sicher: Eine traditionelle mediterrane Ernährung, viel Bewegung und die Einbindung in die Familie sind der Schlüssel zu einem gesunden, erfüllten und langen Leben.
Davon ist auch Annunziatas Sohn Mario fest überzeugt: „Die Ernährung spielt eine wichtige Rolle. Meine Mutter ernährt sich hauptsächlich vom Gemüse aus ihrem Garten, außerdem isst sie nicht viel.“ Abends bevorzuge Annunziata nur eine ganz leichte Mahlzeit. Als Waisenkind erlebte sie harte Zeiten und musste Hunger leiden, so ihr Sohn. Mit 14 arbeitete sie bereits als Dienstmädchen bei einer wohlhabenden Familie. „Das war damals so üblich. Sie hat sich nie ausgeruht und kann einfach nicht still sitzen. Arbeit liegt ihr im Blut, das hat sie bis ins hohe Alter fit gehalten“, erzählt Mario Lai.
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Doch auch ihre Familie sei ein entscheidender Faktor: Annunziata hat neben Mario, bei dem sie lebt, noch einen Sohn. Mit vier Enkelkindern und einem Urenkel, dem erst vier Monate alten Mattia, ist die 102-Jährige nie allein. „Sie bekommt oft Besuch. Bei uns wird sie gut gepflegt“, berichtet Mario.
Pardasfogu zählt zu den Orten mit der ältesten Bevölkerung weltweit
Wegen der Zahl der Hundertjährigen gehört Perdasdefogu zu den fünf Blauen Zonen der Welt mit der ältesten Bevölkerung, zusammen mit den Inseln Okinawa in Japan und Ikaria in Griechenland, der Nicoya-Halbinsel in Costa Rica und der Gemeinde Loma Linda in Kalifornien.
Die in Perdasdefogu lebende Familie Melis wurde 2014 ins „Guinnessbuch der Rekorde“ aufgenommen, weil neun Geschwister zusammen 828 Jahre alt waren. Clanoberhaupt Consolata Melis starb 2015 im Alter von 107 Jahren mit neun Kindern, 24 Enkeln und 25 Urenkeln. Die Geschichte des Melis-Clans wurde von einem Enkel Consolatas 2020 sogar verfilmt. „Die Kinder der Rekorde“ heißt der Streifen über die Großfamilie.
Inzwischen ist die Zahl der Hundertjährigen in Perdasdefogu auf vier geschrumpft. Drei Einwohner werden aber in den nächsten Monaten ihren 100. Geburtstag feiern. Erst im Juli ist der 106-jährige Antonio Brundu, der Doyen der Methusalems der Gemeinde, verstorben. Einen Tag vor seinem Tod hatte er noch Gedichte auf einem Literaturfestival auf dem Dorfplatz deklamiert. Seine Schwester Maria wird am 28. Januar ihren 105. Geburtstag feiern. Aus der Gemeinde stammt auch der 104-jährige Vittorio Spanu, der derzeit bei einer Tochter auf Sizilien lebt und der 102-jährige Vittorio Lai, der wie Annunziata Stori Jahrgang 1922 ist.
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In dem Dorf auf 600 Meter Höhe im bergigen Hinterland Sardiniens erinnert die Piazza Longevità (dt. Platz des langen Lebens) daran, dass die Eigentümer die Gene der Langlebigkeit in sich tragen. Die Fassaden der Häuser an der Hauptstraße sind verziert mit Schwarz-weiß-Fotos der Hundertjährigen, deren Namen und Geburtsjahr. Die Rentner, die den Zweiten Weltkrieg und sämtliche italienischen Regierungen und Krisen miterlebten, sind das Aushängeschild des Orts.
Italiener werden immer älter
Doch nicht nur auf Sardinien, in ganz Italien – weltweit eines der Länder mit der langlebigsten Bevölkerung – gibt es immer mehr Hundertjährige. Ihre Zahl ist in den vergangenen zehn Jahren um mehr als 30 Prozent gestiegen. 22.552 Menschen über 100 leben in Italien, verglichen mit 17.252 im Jahr 2014, 81 Prozent sind Frauen, geht aus Angaben des Statistikamts Istat hervor.
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Laut Istat gab es in Italien zu Beginn dieses Jahres 677 Einwohner, die 105 Jahre oder älter waren, und 21 „Super-Hundertjährige“, die die Schwelle von 110 Jahren erreicht haben, darunter nur ein Mann. Die älteste Italienerin stammt aus der norditalienischen Region Emilia Romagna und wurde im Oktober 114 Jahre alt.