Essen. Proben aus dem Mittelalter deuten auf Handel zwischen Nordländern und amerikanischen Ureinwohnern in der Arktis hin.

Die Annahme, dass Kolumbus Amerika entdeckt hat, ist längst widerlegt worden. Vielmehr waren es Wikinger und Nordländer, die schon an den Küsten unterwegs waren. Eine neue Studie unterstützt die These, dass es schon im Mittelalter einen regen Handel gegeben haben muss. Als Beleg dient dafür Walross-Elfenbein, das als kostbare Ware angesehen wurde.

Emily Ruiz-Puerta, Bioarchäologin an der Universität Kopenhagen, kam im Rahmen einer Studie zu der Erkenntnis, dass bereits 200 Jahre vor Kolumbus ein Kontakt zwischen den Nordländern und den Thule-Inuit vorgelegen haben muss.

Die heutige Inuit-Kultur geht auf die Thule-Kultur zurück, eine bedeutende Epoche in der Geschichte der indigenen Völker der Arktis, die bis etwa 1800 andauerte. Beeindruckend ist, welche Leistungen die Menschen in dieser Zeit vollbrachten und wie hervorragend sie sich an die extremen Lebensbedingungen der Arktis anpassten.

Auf der Suche nach neuem Land und Handelsmöglichkeiten gelangten die Norweger nach Island und Grönland, deren frühe Besiedlung historisch belegt ist. Eine verbissene Suche nach Walross-Elfenbein könnte beide Kulturen in der Arktis zusammengeführt haben. „Walross-Elfenbein galt als das Gold der damaligen Zeit. Die Menschen benutzten Walross-Elfenbein, um Kirchensteuern zu bezahlen. Es wurde als ein sehr elitäres Geschenk angesehen.“

Archäologie: Proben des Elfenbeins bringen Forscher auf die Spur

Durch die Analyse von Proben des Elfenbeins aus dem Stoßzahn des Atlantischen Walrosses (Odobenus rosmarus rosmarus), das von nordischen Entdeckern in Grönland gesammelt und später für den Handel nach Europa exportiert wurde, haben die verantwortlichen Archäologen Orte ausfindig gemacht, an denen sich die Kulturen der Norweger und Inuit wahrscheinlich überschnitten.

Die Norweger dezimierten schließlich die Walrosspopulation in Island und mussten nach Grönland segeln, um den Elfenbeinfluss aufrechtzuerhalten. Bislang waren Archäologen davon ausgegangen, dass sich die Fangreviere auf den Süden Grönlands konzentrierten.

Die Forscher gehen in diesem Kontext nicht davon aus, dass die Thule-Inuit den Weg in Richtung Süden suchten, vielmehr waren es die Nordländer, die in die Hocharktis vordrangen. „Was uns wirklich überrascht hat, war, dass ein Großteil des nach Europa exportierten Walross-Elfenbeins aus sehr abgelegenen Jagdgebieten tief in der Hocharktis stammte“, so Peter Jordan, Professor für Archäologie an der Universität Lund in Schweden und leitender Autor der Studie, in einer Erklärung.

Forscher entschlüsseln gefährliche Reise der Norweger

Um diese Idee zu testen, baute Greer Jarrett, eine Archäologin an der Universität Lund, die Studie nach. Sie segelte in nordischen Booten, um mehr über die Durchführbarkeit der Reise und die möglichen Routen zu erfahren, die nordische Reisende zur Hocharktis genommen haben könnten.

Die Reisen von Jarrett und Kollegen halfen ihnen, die Fähigkeiten der Norweger zu verstehen. Die Forscher fanden heraus, dass es den nordischen Händlern möglich war, Hunderte von Meilen bis zum Polarkreis zu segeln, wo sie möglicherweise auf die Thule-Inuit trafen. Letztendlich blieb den Nordländern nur ein kurzes Zeitfenster, wenn das Eis sich in Richtung Norden zurückzog. Die Norweger hätten in diesem kurzen Zeitraum wahrscheinlich Hunderte von Walrossen gejagt und die gefährliche Reise nur alle paar Jahre unternommen, fügte Ruiz-Puerta hinzu.

Den Kontakt zur Thule-Kultur bewerten die Forscher als wichtigen Faktor. „Ich denke, das ist für die Geschichte der Menschheit wirklich wichtig“, sagte Ruiz-Puerta.

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