Berlin/New York. 120 Frauen und Männer, darunter auch damals Minderjährige, werfen „Diddy“ Vergewaltigung vor. Ihr Anwalt schildert, was passiert sein soll.

Die Vorwürfe gegen Rap-Mogul Sean Combs alias „Diddy“ wiegen immer schwerer. Über Jahrzehnte soll der Sänger Frauen und Männer, darunter auch Minderjährige und eine Schwangere, missbraucht und vergewaltigt haben. Eine Anwaltskanzlei in Houston erklärte vor wenigen Tagen, sie vertrete mittlerweile 120 Menschen – 60 Frauen und 60 Männer – mit schweren Vorwürfen gegen den Rapper. Insgesamt 25 der Ankläger seien zum Zeitpunkt den vorgeworfenen Sexualstraftaten minderjährig gewesen, heißt es.

Sean „Diddy“ Combs, der mit Hits wie „I‘ll Be Missing You“ oder „Bad Boy For Life“ in den vergangenen Jahrzehnten zu den erfolgreichsten Rappern der Welt gehörte, sitzt seit dem 16. September in einem Gefängnis in New York in Untersuchungshaft und wartet auf seinen Prozess. Die Bundestaatsanwaltschaft wirft dem 54-Jährigen neben zahlreichen Fällen von Vergewaltigung auch Menschenhandel, Erpressung und Entführung vor. Dem Rapper drohen nun 15 Jahren Haft, wenn nicht gar lebenslang. Er selbst plädiert auf nicht schuldig.

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Sein Fall nimmt unterdessen monströse Ausmaße an. Die Liste der möglichen Opfer wächst seit seiner Festnahme im September enorm. Die Kanzlei hatte potenzielle Opfer aufgefordert, sich zu melden. In kürzester Zeit erhielten die Anwälte nach eigener Aussage mehr als 3.000 Antworten. Die aktuell 120 Fälle erschienen am glaubwürdigsten. Die Taten, die dem Rapper vorgeworfen werden, haben laut der Staatsanwaltschaft, seit 1991 stattgefunden, der jüngste Fall 2023.

„Eines der größten Geheimnisse der Entertainment-Industrie, das eigentlich schon gar kein Geheimnis mehr war, ist jetzt ans Licht gekommen“, sagte der Chef der Anwaltskanzlei aus Houston, Tony Buzbee, bei einer Pressekonferenz am Dienstag (1. Oktober). „Ich erwarte, dass wir in den kommenden 30 Tagen damit beginnen werden, die Klagen einzureichen.“

Sean „Diddy“ Combs (rechts) bei einem Auftritt mit Pharrell Williams beim „Something In The Water“-Musikfestival in Virginia Beach (USA) im April 2019
Sean „Diddy“ Combs (rechts) bei einem Auftritt mit Pharrell Williams beim „Something In The Water“-Musikfestival in Virginia Beach (USA) im April 2019. © picture alliance / ZUMAPRESS.com | picture allance

Minderjährigen zum Oralsex gezwungen?

Was Combs Opfer zu erzählen haben, ist erschütternd. Wie der Anwalt Tony Buzbee berichtet, soll eine der vergewaltigten Frauen schwanger gewesen sein. Die Frau sei bei einem Abendessen mit dem Rapper in Miami gewesen, als sie das Bewusstsein verlor, nachdem sie angeblich ein Getränk bekommen hatte, das mit Pferdeberuhigungsmittel Ketamin versetzt worden war. Später sei die Frau blutend und verletzt im Bett von „Diddy“ aufgewacht.

Weiter offenbart der Anwalt den Fall eines – zum Zeitpunkt der Tat – 15-jährigen Mädchens, das angibt, bei einer Party von „Diddy“ unter Drogen gesetzt worden sein. Anschließend soll der Musiker den benommenen Teenager in einem privaten Raum vergewaltigt haben, weitere Partygänger sollen sich danach an ihr vergangen haben.

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Unter den Anklägern sei auch ein junger Mann, der angibt, als Neunjähriger von „Diddy“ sexuell missbraucht worden zu sein, berichtet Anwalt Buzbee. Der Junge sei damals mit dem Versprechen eines Plattenvertrags zu einem Casting gelockt worden. Im „Bad Boy Records Studio“ in New York hätte der Rapper den Jungen sexuell missbraucht. Einen weiteren Minderjährigen soll Combs zum Oralsex gezwungen haben. Ein Video der Pressekonferenz ist im Netz nachzusehen.

Tausend Flaschen Babyöl bei Hausdurchsuchung gefunden

Sicher ist, dass Sean „Diddy“ Combs auch seine langjährige Partnerin, die Sängerin Cassandra „Cassie“ Ventura, misshandelt hat. Bereits im Mai veröffentlichte der amerikanische Sender CNN Aufnahmen einer Überwachungskamera aus einem Hotel in Los Angeles, die zeigen, wie der Rapper seine Partnerin schlägt und nach ihr tritt, als die Frau schon am Boden liegt. Der Musiker gab das „Fehlverhalten“ öffentlich zu und entschuldigte sich in einem Video dazu. Die Sängerin verklagte Combs 2023 wegen Vergewaltigung und schwerer Körperverletzung. Die beiden einigten sich außergerichtlich.

Sean „Diddy“ Combs (links) und Ex-Freundin, Sängerin Cassandra „Cassie“ auf einer Gala im New Yorker Metropolitan Museum of Art im Jahr 2017
Sean „Diddy“ Combs (links) soll seine Ex-Freundin, Sängerin Cassandra „Cassie“ missbraucht haben. Nachdem die Klage eingereicht war, einigten sich beide außergerichtlich. Hier sind die beiden 2017 auf einer Gala im New Yorker Metropolitan Museum of Art zu sehen. © picture alliance / zz/XPX/STAR MAX/IPx | picture allance

Trotzdem durchsuchten US-Ermittler im März die Häuser des Rappers in Los Angeles und in Miami. Dabei fanden sie Waffen, Drogen und mehr als Tausend Flaschen Babyöl. Letztere soll er angeblich für seine illegalen Sexpartys verwendet haben, heißt es. Er nannte sie „Freak Offs“.

Weitere Promis sollen in den Klagen genannt werden

Der Fall „Diddy“ ist nicht nur aufgrund der potenziellen Opferzahl so erschütternd, sondern wirft gleichzeitig auch die Frage auf, wie viele Prominente den Rapper gedeckt oder im schlimmsten Fall bei den Verbrechen sogar mitgemacht haben. Sean Combs hat sich stets mit hochkarätigen Promis umgeben.

Zu seinen berüchtigten Partys in New York und Miami kamen regelmäßig Stars wie Leonardo DiCaprio, Jay-Z, Usher, Bruce Willis oder Owen Wilson. Selbst mit den britischen Prinzen William und Harry verkehrte der einst gefeierte Rap-Star. Doch wer wusste alles von seinen kriminellen Machenschaften? Auf seinen Partys, so die Anschuldigungen, soll „Diddy“ regelmäßig Frauen und Männer unter Drogen gesetzt und missbraucht haben.

Sean „Diddy“ Combs (vorne Mitte) und Leonardo DiCaprio (hinten Mitte) ganz in Weiß bei einer Party des Rappers in den Hamptons 1998.
Sean „Diddy“ Combs (vorne Mitte) und Leonardo DiCaprio (hinten Mitte) ganz in Weiß bei einer Party des Rappers in den Hamptons 1998. © picture alliance / Globe-ZUMA | picture allance

Der Kanzleichef Tony Buzbee kündigte bereits an, er werde „jeden verklagen, der beteiligt war oder davon wusste und sich weigerte, den Dingen ein Ende zu setzen.“ Die Klagen sollen zudem „Namen enthalten, die Sie schockieren werden“. Weitere Details nannte der Anwalt nicht.

Anwaltsteam von Sean „Diddy“ Combs: Anschuldigungen falsch

Der Rapper und sein großes Anwaltsteam bestreiten bislang jegliche Vorwürfe. Die Anschuldigungen seien „falsch“ und „verleumderisch“, sagte Erica Wolff aus dem Anwaltsteam von Combs auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur. Combs freue sich sogar darauf, vor Gericht seine Unschuld zu beweisen. 

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Während Combs Anwälte an einer Verteidigungsstrategie arbeiten, plant ein anderer Rap-Star, weitere Enthüllungen im wohl größten Missbrauchsskandal der Musikindustrie zu offenbaren. „50 Cent“, mit bürgerlichem Namen Curtis James Jackson III, bereitet aktuell eine Enthüllungsdoku über Sean „Diddy“ Combs vor. Der Streamingdienst Netflix ist an Bord. Die Dokumentation sei eine komplexe Geschichte, die Jahrzehnte umfassen würde, weit über die Schlagzeilen hinaus, hieß es in einer gemeinsamen Mitteilung von Regisseurin Alexandria Stapleton und 50 Cent.

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Auf der Plattform X distanzierte sich der Rapper von „Diddy“. Er sei nie zu dessen Partys gegangen, betonte 50 Cent. Niemand habe ihm bisher geglaubt, wenn er von dem „bizarren Mist“ erzählt habe – „aber ich wette, ihr glaubt es mir jetzt!“, schreibt er. Wann seine Doku bei Netflix erscheint, ist noch nicht bekannt.

Anmerkung der Redaktion

Von (häuslicher) Gewalt betroffene Frauen erhalten Unterstützung beim bundesweiten Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ der Bundesregierung unter der 116 016. Der Anruf ist kostenlos und auf Wunsch anonym. Über die Internetseite www.hilfetelefon.de können sich Betroffene zudem online per E-Mail oder Chat beraten lassen.

Alternativ können Sie sich auch an die Telefonseelsorge wenden. Sie erreichen sie telefonisch unter 0800/111-0-111 und 0800/111-0-222 oder im Internet auf www.telefonseelsorge.de. Die Beratung ist anonym und kostenfrei, Anrufe werden nicht auf der Telefonrechnung vermerkt.