Essen. Neue Analyse eines historischen Schiffsunglücks: Bleiben die wahren Gründe zum Untergang der „Estonia“ für immer verborgen?
Der 28. September 1994 ist als Datum für eine der größten Schiffskatastrophen der zivilen Schifffahrt in die Geschichte eingegangen. Beim Untergang der „Estonia“ haben 852 Menschen auf der stürmischen Ostsee ihre Leben verloren.
Die Aufarbeitung des Unglücks hält bis heute an. Zahlreiche Untersuchungen kamen zu einem eindeutigen Ergebnis, dennoch wollen regelmäßige Spekulationen um den Untergang nicht abreißen. Marcel Schütz von der Northern Business School in Hamburg hat sich als Experte für die Analyse technischer Katastrophen sich dem Fall „Estonia“ erneut angenommen.
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Experte über den historischen Untergang der Autofähre „Estonia“
Die Fakten rund um die Katastrophe sind bekannt. Um 19.15 Uhr verließ die Autofähre den Hafen von Tallinn, um die Ostsee bis nach Stockholm zu überqueren. Insgesamt 989 Menschen waren an Bord, Passagiere wie Crew. Die Überfahrt gestaltete sich schwierig, denn aus sehr starken Winden entwickelten sich Orkanböen auf der Ostsee.
Ab 0.55 Uhr nahm die Katastrophe ihren Lauf. Ein metallisches Krachen und starke Erschütterungen führten schon nach kurzer Zeit dazu, dass das Schiff Schlagseite erhielt. Der um 1.22 Uhr abgesetzte Notruf kam für viele Menschen zu spät, denn das Schiff versank innerhalb weniger Minuten und war um 1.30 Uhr bereits vom Radar verschwunden. Bei einer der größten Schiffsunglücke der Geschichte starben insgesamt 852 Menschen.
Untersuchungskommission: Abgerissene Bugklappe verantwortlich für den Untergang
Eine Untersuchungskommission kam 1997 zu dem Schluss, dass die abgerissene Bugklappe für die Katastrophe verantwortlich war. „Das Schiff sank, weil Bugvisier und Fahrzeugrampe in der stürmischen Ostsee unter starker Wellenlast abbrachen und das nun offene Fahrzeugdeck in kurzer Zeit geflutet wurde“, erklärte Marcel Schütz die offenbar identifizierte Ursache.
Dies bestätige zudem alle Szenarien, die sich der Beschreibung von Überlebenden zufolge auf der Fähre abgespielt haben könnten. Das Versagen der Sensoren an der Klappenverriegelung sowie das zu späte Regieren der Besatzung führten letztendlich wohl zur Katastrophe.
Die Ergebnisse der Untersuchungskommission wollen viele Menschen allerdings nicht wahrhaben. Der Untergang der „Estonia“ ist spekulationsbehaftet und immer wieder tauchen neue Mythen auf. Aufnahmen am Meeresgrund haben den Spekulationen immer wieder neue Nahrung verschafft, die von Sabotage über einen Terroranschlag bis zu einer Kollision oder einem Beschuss durch ein U-Boot reichen.
Aufnahmen eines Tauchroboters zeigten ein großes Loch und nährten den Verdacht einer Explosion, der durch den Transport von Waffen und Militärtechnik auf der „Estonia“ weiter verstärkt wurde.
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Die erste Untersuchungskommission und weitere Ermittlungen kamen dennoch immer wieder zu der Erkenntnis, dass eine unzureichende Konstruktion des Bugvisiers der Fähre letztendlich schuld am Untergang gewesen sein muss.
Die „Estonia“ war ursprünglich von der deutschen Meyer-Werft in Papenburg als Küstenfähre konstruiert und gemeldet worden. „Daher wurde auf die Installation eines zusätzlichen Sicherheitsschotten hinter Bugvisier und Rampe verzichtet. Dieses war nach internationalen Seeregeln bei Meeresüberfahrten erforderlich. Für den landnahen Betrieb galt aber eine Ausnahme davon“, erklärt Schulz das Fehlen.
Die Fahrt über das Meer war mit dieser Zulassung gewagt, zumal die Konstruktion nach jahrelangem Einsatz angegriffen und nicht gewartet wurde. Als weitere Ursachen für den Untergang nennt der Experte ein zu schnelles Fahren bei den Wetterverhältnissen und ein falsches Manöver. In der Summe waren es wohl Faktoren wie Schlampigkeit, Fehlentscheidungen und Ignoranz, die den Untergang der „Estonia“ besiegeln sollten.