Berlin. Nach „L‘Amour toujour“ wird das nächste Lied von rechter Seite instrumentalisiert. Dieses Mal steckt dahinter eine besondere Strategie.

Zwei junge Frauen lächeln in die Kamera. Große Ohrringe, lange Fingernägel, aufreizend gekleidet. Ihre Münder bewegen sich zu einem Lied, mit dem das Video unterlegt ist. Im Takt der Musik zeigt eine der Frauen mit dem Daumen auf sich, während sie „Nur die AfD“ sagt. Der Song ist kein unbekannter: „Bla Bla Bla“ von Gigi D‘Agostino, der zugunsten der in Teilen rechtsextremen AfD umgedichtet wurde – nach „L‘Amour toujour“ ist das der zweite Hit des italienischen DJs, der in Deutschland von rechter Seite gekapert wird. Eine neue Social Media-Kampagne der Rechtsextremen, die damit eine ganz bestimmte Strategie verfolgen.

Bei TikTok und anderen Plattformen verbreiten sich derzeit Videos von jungen Frauen, die zu dem D‘Agostino-Cover tanzen. „Tausende machen bereits mit und es werden stündlich mehr“, heißt es in der Telegram-Gruppe von Martin Sellner, rechtsextremer Aktivist und ehemaliger Sprecher der rechtsextremen Identitären Bewegung. „Vor unseren Augen spielt sich das ‚Coming Out‘ der Patrioten ab. AfD, Remigration und Heimatliebe normalisieren sich.“

Rechtsextreme Strategie: Junge, attraktive Frauen in die erste Reihe

Demonstration der Identitären Bewegung in Berlin. Auffällig ist der hohe Männerüberschuss in den Reihen der Demonstranten. (Archivbild)
Demonstration der Identitären Bewegung in Berlin. Auffällig ist der hohe Männerüberschuss in den Reihen der Demonstranten. (Archivbild) © imago/Christian Mang | IMAGO stock

Die Idee hinter diesem TikTok-Trend: Die jungen, weiblichen Gesichter sollen den Rechtsextremen ein neues Image geben. Die Videos signalisierten „Attraktivität, Normalität und Erfolg“. AfD und rechtsextreme Organisationen, wie die IB, haben das Problem des Männer-Überschusses – im Bundestag hat die AfD-Fraktion den geringsten Frauenanteil. Mitstreiterinnen werden daher bei Demonstrationen in die erste Reihe gestellt, bewusst in Social Media-Kampagnen eingebunden.

Dass die Videos auch von Frauen erstellt und geteilt werden, die nicht in das Schönheitsideal der Rechtsextremen passt, wird in Kauf genommen. Unter das Video einer Frau mit Nasenring, die zu dem „Nur die AfD“-Song tanzt, schreibt Sellner auf X: „Natürlich bin ich kein Freund von Nasenringen, aber gerade dieser untypische Habitus lässt die geistige Firewall der Normies runterfahren & bewirkt einen Normalisierungsschub.“ (Sic!) Die herabwürdigenden und sexistischen Äußerungen in der Kommentarspalte zeigen, dass nicht jeder Sellners Meinung teilt.

In seinem Telegram-Kanal zeigt man sich hochgradig optimistisch, dass die neue Kampagne den Durchbruch bringt. „Vorher veränderte sich die Meinung quälend langsam Ab jetzt könnte es atemberaubend schnell werden“ (sic!)

Bereits der zweite Gigi D‘Agostino-Hit, der gekapert wurde

Erst vor wenigen Monaten geriet der Gigi D‘Agostino-Song „L‘Amour foujour“ in den öffentlichen Fokus, als Personen auf Sylt ein Video veröffentlichten, in dem sie zur Melodie des Lieds „Ausländer raus, Deutschland den Deutschen“ sangen. Schon zuvor wurde der Partyhit auf dem Jahr 2001 zur rechten Chiffre.

Das Video von Nazi-Parolen auf Sylt löste einen Debatte über Rechtsextremismus in der Mitte der Geselslchaft aus.
Das Video von Nazi-Parolen auf Sylt löste einen Debatte über Rechtsextremismus in der Mitte der Geselslchaft aus. © x | x

Auf rechten Demonstrationen und Veranstaltungen – zuletzt bei der Wahlparty der AfD-Thüringen – ist die markante Melodie immer wieder zu hören. Das Abspielen des Songs ist grundsätzlich nicht strafbar, wie eine Schriftliche Anfrage der AfD im Berliner Abgeordnetenhaus ergeben hat. Die Innensenatsverwaltung erklärt, das es vielmehr auf die Rahmenbedingungen ankomme. „Eine Strafbarkeit käme in Betracht, sofern weitere situationsbedingte Begleitumstände hinzutreten, wie z.B. Heben des Arms zum sogenannten Hitlergruß, Mitführen einer Reichskriegsflagge oder das gezielte Rufen der Parole in Richtung von Personen mit Migrationsgeschichte (Aufzählung ist nicht abschließend).“ Sollte darüber hinaus die Wiedergabe des Lieds eine konkrete Gefahr für die öffentliche Ordnung sein, könne ein entsprechendes Verfahren eingeleitet und die Ordnungswidrigkeit mit einer Geldbuße geahndet werden.

Kürzlich sorgte ein DJ beim Hoffest der Senatskanzlei für einen Eklat, als er zu später Stunde „L‘Amour toujour“ spielte. Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) distanzierte sich in der B. Z.: „Solche Musik gehört nicht ins Rote Rathaus – weder dieses noch nächstes Jahr.“ Der gleiche DJ müsse „nicht zwingend jedes Jahr“ auftreten.

Die politische Dimension, die die rechte Vereinnahmung des Partysongs eingenommen hat, rief letztlich den Schöpfer von „L‘Amour toujour“ auf den Plan. In einer schriftlichen Mitteilung erklärte der italienische Star-DJ, dass es in seinem Lied „um ein wunderbares, großes und intensives Gefühl [geht], das die Menscneh verbindet“, so D‘Agostino. „Es ist die Kraft der Liebe, die mich hochleben lässt.“