Berlin. „L‘amour toujours“ wird mittlerweile von Rechten missbraucht. Sylt ist nur ein Beispiel. Was sagt der Erfinder des Lieds dazu?
Diese Art von Popularität hat Gigi D‘Agostino gerade noch gefehlt. Er will sie nicht, noch deutlicher: Sie ekelt ihn an. Die nach dem Skandal-Video von Sylt entfachte Debatte um seinen 25 Jahre alten Megahit „L‘amour toujours“ hat den italienischen Techno-Star kalt erwischt. Auch Medien in seiner Heimat wie die Tageszeitung „La Repubblica“ berichten von den „cori anti-stranieri“ (ausländerfeindlichen Gesängen) und „saluti nazisti“ (Nazigrüßen) von feiernden jungen Menschen an Pfingsten im Sylter Nobelclub „Pony“.
Auf einmal erreichen Gigi D‘Agostino deswegen jede Menge Anfragen von Medien aus Deutschland. Der 56-Jährige soll erklären, wie es sein kann, dass sein unschuldiger Partysong von Rechtsextremen missbraucht wird. D‘Agostino antwortet, auf den Vorfall in der „Pony“-Bar geht er aber nicht ein. „In meinem Lied „L‘amour toujours“ geht es um ein wunderbares, großes und intensives Gefühl, das die Menschen verbindet. Es ist die Kraft der Liebe, die mich hochleben lässt“, teilt D‘Agostino schriftlich mit.
Gigi D‘Agosntino: Diese Musikrichtung hat der DJ geprägt
All die Liebe, um die es in seinem Song gehe, lasse sich nicht in ein paar Augenblicken oder in einem Tag, einem Monat, einem Jahr zusammenfassen. Aus diesem Grund habe er seinem Lied den Titel „L‘amour toujours“ gegeben – zu Deutsch: „Liebe immer“. „Das ist die einzige Bedeutung, die mein Lied hat“, so D‘Agostino.
Seit Jahrzehnten gehört D‘Agostino zu den profiliertesten Gestalten der italienischen Dance-Szene. Sein zweites Studioalbum, das ebenfalls den Titel „L‘amour toujours“ trägt, veröffentlichte der gebürtige Turiner 1999. Es gilt als stilbildend. „Lento violento“, also in etwa „langsam, aber heftig“, nennt sich das Genre, das D‘Agostino schon in seiner Zeit als DJ in Turiner Großraumdiskotheken entscheidend mitgeprägt hat.
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Gigi D‘Agostino mit Rollator: Foto auf Instagram schockt Fans
Zur für Techno typischen harten Bassdrum spielt D‘Agostino Songs viel langsamer ab als beim Hardstyle eigentlich üblich. Hinzu kommen hochgepitchte Vocal Samples und griffige Hooklines, gern mit Synthesizer-Sound. Der Song „L‘amour toujours“, im Oktober 2001 als Single aus dem Album ausgekoppelt, kann als typisches Beispiel gelten. Das Lied wurde weltweit zu einem riesigen Erfolg, sogar in den USA. D‘Agostino überarbeitete die ursprüngliche Version noch einmal, um sie noch radiotauglicher zu machen. Auf Spotify zählt der Track mittlerweile über 100 Millionen Streams.
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An den Erfolg seines zweiten Albums konnte der Italiener in der Folge nicht mehr ganz anknüpfen. 2004 erschien sein drittes und bisher letztes Studioalbum mit dem etwas einfallslosen Titel „L‘amour toujours II“. D‘Agostino verlegte sich immer mehr auf die Zusammenarbeit mit anderen DJs und Künstlern, produzierte Remixe seiner erfolgreichsten Songs und teilte seine Musik in mehrere Projekte auf, von denen jedes einem leicht abgewandelten Stil folgt. Der Musiker, der bei öffentlichen Auftritten gerne einen Kapitänshut trägt und von seinen Landsleuten deshalb auch „Il Capitano“ genannt wird, ist in seiner Heimat Italien bis heute immens populär.
Im Dezember 2021 schockte Gigi D‘Agostino seine Fans mit einem Instagram-Foto, das ihn stark abgemagert und mit einem Rollator zeigt. Der Musiker wandte sich an die Öffentlichkeit und bekannte, unter „ständigen Schmerzen“ zu leiden, die ihm keine Ruhe ließen. Zur genauen Art seiner Erkrankung wollte sich D‘Agostino nicht äußern. Erst Anfang 2024 trat der Künstler wieder auf, nutzte dafür das in Italien legendäre Musikfestival von Sanremo. Mittlerweile scheint es D‘Agostino wieder so gutzugehen, dass er weitere Konzerte bestreiten kann. Das nächste ist am 21. Juni auf dem Mailänder Messegelände geplant. Im Oktober und Dezember soll es zwei weitere Auftritte in Österreich geben, am 4.10. in Graz und am 14.12. in Klagenfurt.
tok