Berlin. In einer 1300 Jahre alten Grabkammer in China haben Archäologen ein mysteriöses Gemälde entdeckt. Wer ist der Mann, der dort verewigt wurde?

Der Venezianer Marco Polo gilt als der erste „Westler“, der es bis nach China schaffte. Die Beschreibung seiner Reise in das fernöstliche Riesenreich im 13. Jahrhundert wurde im Mittelalter als zuverlässige Dokumentation der chinesischen Kultur betrachtet. Doch schon lange vor Marco Polo verschlug es Menschen aus dem Westen in das Reich der Mitte. Archäologen haben dazu eine spannende Entdeckung in einer uralten chinesischen Gruft gemacht.

Die Forscher entdeckten in der nordchinesischen Provinz Shanxi eine mit reichen Wandgemälden geschmückte Grabkammer aus der Tang-Dynastie. Diese herrschte von 618 bis 907 über weite Teile des zentralen und östlichen Chinas; die Grabkammer selbst stammt wahrscheinlich aus dem Jahr 736. Die Wandgemälde zeigen niemals zuvor gesehene Darstellungen des Alltags im Kaiserreich und – besonders ungewöhnlich – einen Mann mit blondem Haar und Bart.

Archäologie: Gruft in China zeigt blonden Mann aus dem Westen

Dabei scheint es sich um einen „Westler“ zu handeln, der wahrscheinlich aus Zentralasien stammt, interpretierte Victor Xiong, Professor für Geschichte an der Western Michigan University, die Abbildung gegenüber „Live Science“. „Wegen der Gesichtsmerkmale und der westlichen Kleidung können wir ihn als Westler identifizieren“, sagte Xiong. Doch wer ist er?

CHINA-SHANXI-ARCHAEOLOGY-TOMB-MURALS (CN)
Die Wandgemälde zeigen alltägliche Aktivitäten wie Wäschewaschen, Kochen und die Ernte. © picture alliance / Xinhua News Agency | Wang Xuetao

Laut Experten könnte der blonde Mann ein Sogde sein. Sogdien ist ein Kulturraum, der im heutigen Tadschikistan und Usbekistan liegt. Die Sogdier waren vor allem Handelsleute, die entlang der Seidenstraße zwischen Asien und Europa Geschäfte trieben. Die genaue Identität des blonden Mannes bleibt jedoch unbekannt.

Lesen Sie auch: Forscher schaffen Durchbruch bei Wiederbelebung der Mammuts

Wandgemälde beleuchten nie zuvor gesehene Alltagsszenen

Die Grabkammer mit den Wandgemälden wurde bereits 2018 von Archäologen am Rande der Provinzhauptstadt von Shanxi, Taiyuan, entdeckt. Die Ergebnisse der Ausgrabungen wurden allerdings erst jetzt vorgestellt. Das Grab besteht aus einer Kammer aus Backstein, deren Tür, Wände, Korridor und Sargbett alle bemalt sind. An der Decke prangt die Darstellung eines Drachen oder eines Phoenix. Der Grabinschrift zufolge starb der dort Beigesetzte im 24. Jahr von Kaiyuan (736) im Alter von 63 Jahren in einem Privathaus. Im selben Jahr wurde er mit seiner Frau Guo beigesetzt.

Neben der Tür waren mehrere Figuren gemalt, die sogenannte „Türhüter“ – Wächter der Gruft – seien. Auf den Wandverzierungen tragen sie gelbe Roben und Schwerter an ihrer Hüfte, heißt es in dem Bericht von Xinhua. Andere Wandgemälde zeigen natürliche Landschaften, Weizen dreschende Männer, Mehl mahlende Frauen sowie Männer, die Nudeln kochten. Die Figuren wurden im sogenannten „Figur unter einem Baum“-Stil abgebildet. Wie der Name bereits andeutet, werden dabei Personen bei ihren Aktivitäten unter einem Baum dargestellt. Die Archäologen vermuten, dass es sich bei den Männern und Frauen der Wandgemälde um das in der Kammer begrabene Ehepaar handelt.

  • Aktuelle Nachrichten aufs Handy? Hier geht es zur neuen WAZ-News-App – für Android und iOS.
  • Die WAZ auch bei Social Media – ob WhatsApp, Instagram oder Facebook.
  • Sie mögen den Tag kompakt zusammengefasst? Dann sind Sie beim täglichen WAZ-Newsletter richtig – hier entlang.