Berlin. Den Untergang von Pompeji haben mehr Menschen überlebt, als bisher gedacht. Ein Archäologe hat ihr Schicksal nach dem Vulkanausbruch untersucht.
Am 24. August 79 n. Chr. brach der Vesuv aus und schleuderte knapp 13 Kubikkilometer Schutt über 30 Kilometer in die Luft. Bei dem Inferno wurden die antiken Städte Pompeji und Herculaneum samt ihren Einwohnern begraben. Soweit ist die Geschichte bekannt, beide Städte wurden ausgelöscht, ihre die Überreste in der Zeit eingefroren.
Doch viele Einwohner der beiden Städte konnten sich vorher in Sicherheit bringen. Deren Schicksal und Leben nach dem Vulkanausbruch hat der Archäologe Steven L. Tuck von der Miami University die letzten zehn Jahre seiner Forschungsarbeit gewidmet. In einem Gastbeitrag bei „livecince.com“ berichtet er über seine Forschungsergebnisse.
Die meisten Einwohner von Pompeji konnten fliehen
Demnach hätten damals knapp 30.000 Menschen in Pompeji und knapp 5000 in Herculaneum gelebt, die beide sehr wohlhabende Städte gewesen seien. Die menschlichen Überreste, die bei Ausgrabungen in beiden Städten gefunden wurden, würden laut Tuck nur einen Bruchteil ihrer damaligen Bevölkerung ausmachen. Auch viele Gegenstände, von denen man hätte erwarten können, dass sie in der Asche verblieben und konserviert worden seien, würden fehlen. Karren und Pferde seien aus den Ställen verschwunden, Schiffe fehlen in den Docks – und Geld- und Schmuckkassetten seien leer.
All das deute darauf hin, dass den meisten wohl die Flucht gelungen sei. Bisher seien die Archäologen immer davon ausgegangen, dass nur einige Menschen flüchten konnten. Tucker nahm sich Namen von Menschen vor, die in den beiden Städten gelebt haben und suchte in der näheren Umgebung nach deren Namen in der Zeit nach dem Vulkanausbruch.
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Überlebende blieben in der Umgebung
„Nachdem ich acht Jahre lang Datenbanken mit Zehntausenden römischer Inschriften auf Mauern und Grabsteinen durchforstet hatte, fand ich Hinweise auf über 200 Überlebende in 12 Städten. Diese Gemeinden liegen hauptsächlich in der Gegend von Pompeji. Sie lagen jedoch meist nördlich des Vesuvs, außerhalb der Zone der größten Zerstörung“, erklärt der Wissenschaftler.
Demnach blieben die meisten Überlebenden so nah wie möglich an Pompeji und zogen es vor, sich mit anderen Überlebenden niederzulassen, und verließen sich bei ihrer Umsiedlung auf soziale und wirtschaftliche Netzwerke aus ihren ursprünglichen Städten.
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Auch in der damaligen zweitgrößten Hafenstadt im römischen Italien Puteoli – heute Pozzuoli – stieß der Archäologe auf Überlebende aus Pompeji. Fabia Secundina aus Pompeji – offenbar nach ihrem Großvater, einem reichen Weinhändler, benannt, sei beispielsweise in Puteoli gelandet. Dort habe sie einen Gladiator geheiratet, Aquarius retiarius, der im Alter von 25 Jahren starb und sie in große finanzielle Schwierigkeiten brachte.
Kaiser ließen Infrastruktur wieder aufbauen
Tuck hat zahlreiche solcher Biographien der Pompeji-Überlebenden ans Licht gebracht. Neben den persönlichen Schicksalen, fand er auch heraus, dass auch die Regierung eine große Rolle spielte. Demnach hätten die Kaiser in Rom nach der Katastrophe massiv in die Region investiert und bauten durch den Ausbruch beschädigte Gebäude wieder auf und errichteten neue Infrastruktur für die vertriebene Bevölkerung, darunter Straßen, Wassersysteme, Amphitheater und Tempel.
Alle Anzeichen würden darauf hinweisen, dass die Gemeinden die Überlebenden willkommen hießen. Viele von ihnen hätten später ihre eigenen Geschäfte eröffnet und übernahmen Positionen in der Kommunalverwaltung. Und die Regierung habe reagiert, indem sie sicherstellte, dass die neue Bevölkerung und ihre Gemeinden über die Ressourcen und die Infrastruktur verfügten, um ihr Leben wieder aufzubauen.
„Dieses Modell für den Wiederaufbau nach einer Katastrophe kann uns heute eine Lehre sein. Die Kosten für die Finanzierung des Wiederaufbaus scheinen nie diskutiert worden zu sein. Die Überlebenden wurden weder in Lagern isoliert, noch waren sie gezwungen, auf unbestimmte Zeit in Zeltstädten zu leben. Es gibt keine Hinweise darauf, dass sie in ihren neuen Gemeinden diskriminiert wurden“, bilanziert der Forscher. (red)
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