Halle/Barcelona. Wissenschaftler können in einer bahnbrechenden Studie die Essgewohnheiten in der Steinzeit nachweisen. Milch spielte eine große Rolle.
Was stand bei den Menschen in der Steinzeit auf dem Speisezettel? Lange Zeit gab es darüber nur Mutmaßungen. Forscher hatten ihre Erkenntnisse bisher nur aus Knochenfunden gezogen, die vor allem auf den Verzehr von Fleisch hinwiesen. Nun hat ein internationales Team von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt und der Autonomen Universität Barcelona einen neuen Ansatz gewählt und in einer bahnbrechenden Studie die kulinarischen Traditionen in Mitteldeutschland zwischen der Jungsteinzeit und der späten Bronzezeit (6. bis 1. Jahrtausend v. Chr.) untersucht.
Die Forscherinnen und Forscher haben demnach 124 Keramikgefäße auf Lipidrückstände von Nahrungsmitteln untersucht. Die Proben stammten sowohl aus Gräbern als auch aus Siedlungen aus Mitteldeutschland. Eines der bemerkenswerten Ergebnisse dieser Studie sei ein deutlicher Anstieg der Nutzung von Milchprodukten im 4. Jahrtausend v. Chr. (Baalberger Kultur).
Intensiver Konsum von Milchprodukten
Untersuchte Tassen und kleine Amphoren aus den Gräbern dieser Zeit hätten fast immer Milchfette enthalten, was auf eine hoch spezialisierte Verwendung im Zusammenhang mit aus Milch gewonnenen Nahrungsmitteln hinweise.
Der intensive Konsum von Milchprodukten dürfte laut den Forschungsergebnissen bis fast an das Ende des 3. Jahrtausend v. Chr. angedauert haben. Keramikgefäße aus Bestattungen der sogenannten Glockenbecherkultur im Umfeld der Kreisgrabenanlage von Pömmelte schienen offenbar stark an Milchprodukte gebunden gewesen zu sein.
Während des 3. Jahrtausends v. Chr. gebe es laut den Forschern dann einen Umschwung bei den Essgewohnheiten, da die Gefäße auf eine zunehmende Bedeutung von tierischen Produkten hinweisen würden, die nicht von Wiederkäuern stammen. Hingegen wurde innerhalb der frühbronzezeitlichen Aunjetitzer Kultur (ungefähr 2200 bis 1550 v. Chr.) eine überraschend große Vielfalt tierischer und pflanzlicher Produkte nachgewiesen.
Erste Ackerbauern und Viehzüchter siedelten in Mitteldeutschland
Die ersten Ackerbauern und Viehzüchter siedelten sich vor etwa 7500 Jahren im Zuge der Ausbreitung der frühneolithischen Kultur (ältester Abschnitt der Jungsteinzeit) in Mitteleuropa an. Sie stellten in vielen Regionen auch die früheste Keramik her. Innerhalb der Vorgeschichte Mitteleuropas ist Mitteldeutschland eine der Regionen mit der ausgeprägtesten kulturellen Vielfalt. Dies liege unter anderem an den fruchtbaren Böden der Lösszone, die sich außerordentlich gut für die Landwirtschaft eignen, und anderen natürlichen Ressourcen wie Salz, die schon früh Menschen anzogen.
Der wohl bekannteste Beleg für diese frühe kulturelle Entwicklung in Mitteldeutschland ist wahrscheinlich die Himmelsscheibe von Nebra, die in einem Grab in Sachsen-Anhalt gefunden wurde. Die kreisförmige Bronzeplatte mit Applikationen aus Gold gilt als die älteste bisher bekannte konkrete Himmelsdarstellung und wird auf ein Alter von 3700 bis 4100 Jahre geschätzt. (red)
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