Berlin. „Juli“-Sängerin Eva Briegel spricht über ihr Verhältnis zu ihrer Band und verrät, welche Wirkung ihr Psychologie-Studium auf sie hat.

Zu den Teilnehmern der diesjährigen Staffel von „Sing meinen Song“ (dienstags um 20.15 Uhr noch bis 11. Juni auf VOX) gehört auch Juli-Sängerin Eva Briegel. Die 45-Jährige erklärt im Interview, inwieweit sie bei ihren Kolleginnen und Kollegen die Kenntnisse aus ihrem Psychologie-Studium einbrachte, was sie nach über 20 Jahren noch mit den Bandmitgliedern von Juli verbindet und warum sie trotz aller Krisen eine innere Heiterkeit entwickelt hat.

Lesen Sie auch: Wolfgang Niedecken über erste Liebe – „Habe alle ersten Male mit ihr erlebt“

War eigentlich „Sing meinen Song“ das richtige Format für Sie?

Eva Briegel: Meine Teilnahme bei „Sing meinen Song“ stand schon länger im Raum. Also habe ich mir vorher ein paar Folgen angeschaut und gemerkt, dass dort meistens Emotionen verhandelt werden, es oft um die Songs und die Geschichten dahinter geht. Ich bin eigentlich kein überschwänglicher, nach außen hin emotionaler Typ. Aber das Konzept, mit anderen Leuten wegzufahren und Musik zu machen, kenne ich aus meiner Jugend – Stichwort Chorfreizeit, Bandworkshop. Also dachte ich: Ich nehme das so wie eine Klassenfahrt für Erwachsene und sehe mal, was dabei herauskommt.

Eva Briegel nimmt an der fünften Staffel der VOX-Show „Sing meinen Song“ teil, bei der bekannte Musiker die Songs der anderen Teilnehmer interpretieren.
Eva Briegel nimmt an der fünften Staffel der VOX-Show „Sing meinen Song“ teil, bei der bekannte Musiker die Songs der anderen Teilnehmer interpretieren. © picture alliance/dpa/RTL | Markus Hertrich

Kamen Sie dann in emotionale Grenzbereiche?

Briegel: Zwei-, dreimal hat es mich schon getroffen. Einmal ging es dabei um mich selbst, aber mehr haben mich die Geschichten der anderen bewegt. Als Tim Bendzko erzählt hat, wie seine Kindheit und Jugend abgelaufen sind, das hat mich berührt und ich bin sehr davon beeindruckt, wie er sein Leben gemeistert hat. Teilweise verstehe ich seine Texte jetzt ganz anders. 

Juli-Sängerin über Band: „Werde auf meine Jungs immer Bock haben“

Sie haben Psychologie studiert. Haben sich die anderen Teilnehmer bei Ihnen auf die Couch gelegt?

Briegel: Die anderen haben das ein bisschen von mir erwartet, aber ich habe gesagt: „Ich habe doch erst den Bachelor, das ist erst der Anfang. Es dauert noch mindestens 15 Jahre, bis ich überhaupt was Seriöses zu sagen habe.“ Ich habe aber schon viel Verständnis entwickelt, denn ich kenne die Belastung, die unser Job mit sich bringt, seit Jahren sehr gut. Da konnte ich sagen: „Geht mir ähnlich, Kopf hoch, lass dich drücken.“

Gleichzeitig mussten Sie es akzeptieren, dass andere Ihre Songs interpretieren. Für letztere empfanden Sie keinen mütterlichen Beschützerinstinkt?

Briegel: Absolut nicht. Unsere Songs gibt es seit zwei Jahrzehnten, ich habe schon Blasmusik-Versionen von „Geile Zeit“ oder die Bundeswehr-Kapelle mit „Perfekte Welle“ gehört. Wenn keine menschenverachtenden frauenfeindlichen Fassungen dabei herauskommen, bin ich mit allem fein. Es ist ja auch schmeichelhaft, dass wir als Band immer noch so im allgemeinen Bewusstsein verankert sind. Möglicherweise sind wir eine der letzten deutschen Bands, auf die das so zutrifft.

Achten Sie darauf, dass Sie noch relevant bleiben?

Briegel: Leider geht das schlecht, absichtlich etwas Relevantes schaffen. Und immer auf den Erfolg zu schielen, verdirbt den Spaß an der Musik. Eko Fresh meinte in der Sendung, dass er seine Musik für die Leute macht, die ihn schon früher mochten und bereits 10, 20 Jahre mit seiner Musik verbringen. Es ist nicht so wichtig, dass man sich jedes Jahr neu erfindet, sondern, dass man so ist, wie man ist und wie die Zuhörer wächst und altert. Ich habe mich gefreut, als wir bei der letzten Tour viele junge Gesichter im Publikum gesehen haben, aber wir versuchen nicht bewusst, die junge Zielgruppe abzuholen.

Die Band Juli um Frontsängerin Eva Briegel hat ihre Wurzeln in Gießen.
Die Band Juli um Frontsängerin Eva Briegel hat ihre Wurzeln in Gießen. © picture alliance / PIC ONE | iSebby

Sie haben mit Juli immer wieder längere Pausen gemacht. Zwischen Ihren letzten beiden Alben liegen neun Jahre. Hatten Sie nie die Befürchtung, dass Ihr Kontakt zum Publikum komplett abreißt?

Briegel: Wir haben ständig Musik gemacht, aber eben nicht nur im Juli-Kontext. Alles, was wir machen, muss die Qualitätskontrolle von fünf Personen überstehen. Jeder von uns kann ein Sonderveto aussprechen, wenn er mit einer Sache nicht leben kann. Das geht dann von Texten über Sound, Konzerte, Marketingideen, einfach alles. Da hat man natürlich weniger Output.

Und wir wollen eben nicht nur die Typen von Juli sein, weil jeder tausend andere Facetten hat. Aber ich werde auf meine Jungs immer Bock haben und werde sie vermissen, wenn wir nicht zusammen sind. Mit niemand war ich so eng in meinem Leben, mit niemand habe ich so verrückte Dinge erlebt, teile ich die gleichen tollen Erinnerungen. Wir haben uns natürlich auch gestritten. Aber das schweißt uns zusammen. 

Als Promi in der Uni: So erlebt Eva Briegel ihren Studenten-Alltag

Wie war das eigentlich, als Sie an die Uni gingen? Waren Sie nicht die Promi-Studentin?

Briegel: Ich habe kein besonders markantes Gesicht und kann immer gut Dinge machen, ohne aufzufallen. An der Uni hat kaum einer mitbekommen, was ich sonst noch tue, und das war schön und wichtig. Dort geht es ja auch um sehr relevante Themen. Es setzt einem den Kopf wieder zurecht, wenn man in der Vorlesungen Krankheitsbilder durchgeht. Popmusik ist unser Leben, aber für die meisten anderen Zerstreuung und eine schöne Nebensache. Das hat mir etwas den Druck genommen. 

2023 veröffentlichten Sie dann das Album mit dem bezeichnenden Titel „Der Sommer ist vorbei“. Hat sich bei Ihnen eine gewisse Melancholie eingestellt?

Briegel: Seit wir spielen, tragen wir zwei Seiten in uns. Wenn etwas fröhlich war, haben wir immer versucht, auch eine melancholische Komponente einzuflechten. Wenn alles super ist, dann ist das nicht für die Ewigkeit. 

Die Leichtigkeit dürfte einem in diesen Zeiten noch schwerer fallen.

Briegel: Mit Sicherheit ist die weltpolitische Lage gerade furchtbar, und mich persönlich macht der Klimawandel extrem fertig. Hinzu kommt, dass einem die Situation durch die sozialen Medien noch näher rückt. Ich checke meinen Instagram-Account ungefähr 15 Mal pro Tag – nicht nur aus beruflichen Gründen. Andererseits spüre ich in mir eine tiefe Heiterkeit, die ich in meinen jungen Jahren überhaupt nicht hatte. Das ist paradox, aber so ist nun mal meine persönliche Haltung.

Auch spannend: Kiwi verrät, was am Samstag vorm „Fernsehgarten“ passiert

Das hat also etwas mit dem Älterwerden zu tun?

Briegel: Wahrscheinlich. Man hat vieles kommen und gehen gesehen und hat Dinge befürchtet, die doch nicht eingetreten sind. Hinzu kommt ein Gefühl von Dankbarkeit. Ich habe schon einen Teil meines Lebens wirklich gut hingekriegt. So gesehen kann ich es nicht mehr völlig versauen.

Kann Ihre Tochter eigentlich etwas mit älterer Popmusik anfangen?

Briegel: Ja, sie liebt die Beatles. Zugegebenermaßen ist das kein Zufall. Denn ihr Name Yoko kommt von Yoko Ono.