Berlin. Moderator und Astrophysiker Harald Lesch erklärt, warum der Blick in den Himmel die Erde retten könnte und Außerirdische uns meiden.
Der Wissenschaftsjournalist Harald Lesch bringt mit der ZDF-Sendung „Leschs Kosmos“ seit vielen Jahren aktuelle Forschungsthemen in die deutschen Wohnzimmer. Sein Herzensthema aber ist das Universum. Der 63-Jährige ist Professor für Theoretische Astrophysik an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Gemeinsam mit seiner Frau, der Astrophysikerin Cecilia Scorza-Lesch, und dem Astronomiehistoriker Arndt Latußeck hat er nun ein Buch über die Milchstraßegeschrieben („Die Entdeckung der Milchstraße“, C. Bertelsmann).
Im Gespräch erzählt er, warum der Blick in den Himmel die Erde retten könnte, warum Außerirdische uns noch keinen Besuch abgestattet haben und ob die Leschs abends zusammen Sterne gucken.
Herr Lesch, wann haben Sie die Milchstraße zuletzt gesehen?
Harald Lesch: Jetzt gerade an der Adria. Das ist eine tolle Sterneninsel, die einen sofort beeindruckt, wenn man sich diesem Anblick hingibt. Das ist unsere Heimat.
Können Sie noch mal kurz erklären, was die Milchstraße eigentlich ist?
Lesch: Die Milchstraße ist eine Sterneninsel, in der sich sehr viel Materie zusammengeballt hat. Relativ schnell nach dem Beginn des Universums haben sich kleine Galaxien gebildet von ein paar Tausend Lichtjahren Größe, die zu einer großen Galaxie verschmolzen sind. Daraus ist dieser riesige Tanker Milchstraße geworden mit Hunderttausend Lichtjahren Durchmesser (ein Lichtjahr sind 9,46 Billionen Kilometer, Anm. d. Red.) und vermutlich 300 Milliarden Sternen. Die Milchstraße ist eine dieser Sterneninseln, von denen es ungefähr 100 Milliarden im Universum gibt.
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Harald Lesch: „Das reine Geheimnis würde uns wahnsinnig machen“
Warum rührt uns der Blick in den Himmel, auf die Milchstraße so an? Ich würde es mit einer Mischung aus Melancholie und Faszination beschreiben.
Lesch: Wenn es nachts dunkel wird, erscheinen auf einmal Lichter über uns. Wenn man dafür keine wissenschaftliche Erklärung hat, hat man jeden Tag ein Geheimnis über sich. Das reine Geheimnis würde uns wahnsinnig machen. Dann merkt man aber, dass dieses Geheimnis gewisse Regelmäßigkeiten zeigt. Es gibt Sternenbilder, die immer wieder kommen, oder den Mond. Diese Erkenntnis über das Wiederkehrende schafft großes Vertrauen – nämlich dass wir in einer Welt leben, in der die Dinge auch wieder gut werden.
Sie sagen, das reine Geheimnis würde uns wahnsinnig machen. Mich macht seit meiner Kindheit eine Frage wahnsinnig: Gibt es da oben irgendwo ein Ende?
Lesch: Es gibt kein Ende.
Aber wie kann etwas kein Ende haben?
Lesch: Wenn ich das wüsste, würde ich mich sofort nach Stockholm begeben und mir für die nächsten Jahre die Nobelpreise für Physik abholen. Aber nach allem, was wir wissen, gibt es da draußen kein Ende. Die Frage können wir aber auch gar nicht klären, denn dann müssten wir darüber hinausgehen, um zu sehen: „Ah, hier ist das Ende.“ Das Universum expandiert so schnell, dass wir nie an ein Ende kommen können.
Ihre Frau ist auch Astrophysikerin. Sitzen Sie abends bei einem Glas Wein zusammen draußen und gucken in den Nachthimmel?
Lesch: Ja klar. Dort, wo wir wohnen, sind hohe Bäume, und wir haben deswegen einen ziemlich guten Himmel. Meine Frau ist eine richtige Astronomin und hat richtig Ahnung von den Sternenkonstellationen, ich bin nur der Theoretiker. Sie sagt dann: „Guck mal, da steht Arktur.“ Oder sie hat vor einigen Jahren gesagt, als sie den Orion abends sah: „Irgendwas stimmt mit Beteigeuze nicht. Die ist so schwach geworden.“ So ist das bei uns.
Sie erzählen in Ihrem Buch auch die Geschichte der Wissenschaft Astronomie anhand der Menschen, die sie geprägt haben und oft mit einfachsten Mitteln den Blick in den Himmel gerichtet haben. Und Sie kritisieren die Professionalisierung des Wissenschaftsbetriebs. Was ist schlecht daran?
Lesch: Man studiert Astronomie nicht, um reich zu werden. Es ist ein romantisches Fach, und diese Romantik geht bei wahnsinnig viel Technik irgendwann verloren. Wenn die jungen Kolleginnen und Kollegen nur noch Räder eines riesengroßen Getriebes sind, ist das sehr schade. Es muss nach wie vor diese Faszination dahinterstehen: Was ist das da draußen? All das Irrsinnige spielt in unserem wissenschaftlichen Alltag nur noch untergründig eine Rolle. Und wenn wir im Buch die Geschichten von diesen großen Heldinnen und Helden erzählen, ist das auch mit einem Schuss Melancholie: Meine Güte, was war das für eine wundervolle Wissenschaft, wo man in aller Ruhe, unbeeindruckt von irgendeinem Publikationszwang, den Dingen nachgehen konnte?
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Lesch über Klimawandel: „Für was? Für Geld. Ich lach’ mich kaputt“
Auf welche Frage möchten Sie in Ihrem Forscherleben noch eine Antwort haben?
Lesch: Gibt es noch anderes Leben da draußen?
Bei dieser schier unvorstellbaren Masse an Planeten da draußen wäre es doch rein statistisch sehr wahrscheinlich, dass es Leben außerhalb der Erde gibt.
Lesch: Aber passen Sie auf! Spätestens wenn Sie einmal schwer erkranken, wissen Sie: Sie sind keine Statistik, Sie sind der Einzelfall. Und aktuell ist die Erde ein Einzelfall. Das ist eine ganz große Geschichte, die sich da auf unserem Planeten abgespielt hat. Ob das noch mal so ist? Mathematik ist keine Naturwissenschaft. Sie beschäftigt sich mit Strukturen, die logisch wahr sein müssen. Aber die Physik ist eine Naturwissenschaft, in der die Fakten überhaupt nicht logisch sein müssen.
Hilft der Blick in den Himmel dabei, auch den Blick auf die Erde zu richten und darauf, was wir diesem Planeten antun?
Lesch: Ganz klar. Ich habe als Astronom sicherlich seit 10, 15 Jahren meinen Blick mehr oder weniger vom Universum abgewandt und sehe nur noch diese kleine blaue Perle. Der Blick von außen ist der Blick auf das große Ganze, auf dieses Wunderwerk. Die Erde ist schon was ganz, ganz, ganz Großartiges. Und wir verlassen gerade den Pfad und sind dabei, unsere Lebensbedingungen selbst zu zerstören. Und für was? Für Geld. Ich lach mich kaputt. Vielleicht kommen deswegen die Außerirdischen nicht zu uns.
Verzweifeln Sie nicht am Zustand der Welt?
Lesch: Das könnte man. Aber das ist ja keine Option. Ich habe eine anderthalbjährige Enkeltochter, und ein Blick in ihr Gesicht reicht mir, um mich wieder aufzubauen. Es gibt so viele wundervolle Geschichten im Leben – dass wir das so vermasseln. Herrgott noch mal, das kann nicht wahr sein! Das sollten wir nicht tun.
Vielleicht sollten noch mehr Menschen den Blick in den Himmel richten. Was brauche ich als Laie dafür?
Lesch: Sie gucken am besten, ob es in Ihrer Nähe eine Volkssternwarte oder ein Planetarium gibt, und lassen sich sagen, was für Ihren Fall am besten ist. Die haben richtig Ahnung davon. Dann legt man los. Und ich würde das Interesse am Himmel immer dazu verwenden, mit anderen zusammenzukommen, die ebenfalls so ein Interesse haben. Das alleine zu machen, ist langweilig.
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